Maut-Untersuchungsausschuss Warum es für Andreas Scheuer eng werden könnte

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Zu viele ungeklärte Fragen

So ist für die Opposition im Untersuchungsausschuss und auch für den Bundesrechnungshof inzwischen unstrittig, dass Scheuer und sein Ministerium sowohl Haushalts- als auch Vergaberecht gebrochen haben, als sie Kapsch und Eventim als Maut-Betreiber beauftragten. Der Hintergrund: Die beiden Firmen waren die letzten Bieter, die im Verfahren noch übriggeblieben waren. Andere Unternehmen, wie etwa die Telekom, waren im Herbst 2018 ausgestiegen. Auch das Angebot von Kapsch und Eventim lag mit rund drei Milliarden Euro jedoch über der vom Bundestag bewilligten Grenze von zwei Milliarden.

Scheuer und sein Ministerium sollen daher die Kosten kleingerechnet haben. Unter anderem wurde nun der Lkw-Maut-Betreiber Toll Collect Teil des Deals, den Scheuer kurz zuvor verstaatlicht hatte. Dessen bereits bestehende Infrastruktur sollten Kapsch/Eventim nutzen können. Ein Angebot, das den anderen Mitbietern allerdings nicht gemacht wurde, und das der Rechnungshof dementsprechend scharf kritisierte.
Ebenfalls – vorsichtig ausgedrückt – unüblich für ein solches Vergabeverfahren waren persönliche Treffen zwischen Scheuer und Vertretern von Kapsch und Eventim vor der Vertragsunterzeichnung. Als „Geheimgespräche“ sind sie inzwischen bekannt geworden, weil das Ministerium – ebenfalls unüblich – dazu keine Gesprächsnotizen, geschweige denn Protokolle angefertigt haben will. Vertreter der Betreiber haben dies jedoch getan. Die Unterlagen liegen dem Ausschuss seit vergangener Woche vor.

Bereits vor einem Jahr berichtete der „Spiegel“, dass die Betreiber Scheuer bei einem dieser Treffen im November 2018 angeboten hätten, „mit einer Vertragsunterzeichnung bis zu einer Entscheidung des EuGH zu warten“. Scheuer habe dies abgelehnt, da die Maut „noch im Jahr 2020 eingeführt werden solle“ und die Zeit dränge. Diesem Bericht widersprach Scheuer damals bei einer Fragestunde im Bundestag: Es habe kein solches Angebot gegeben.

Die Vertreter der Betreiber bleiben bei ihrer Darstellung, auch sie werden am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss aussagen. Voraussichtlich steht dann Aussage gegen Aussage. Und die Opposition stellt ganz offen die Frage: Lügt Scheuer? Oder kann er sich einfach nicht erinnern? So oder so wäre er dann als Minister endgültig nicht mehr zu halten.

Der Grünen-Obmann Stephan Kühn behält sich daher vor, eine Gegenüberstellung von Scheuer und den anderen Teilnehmern der Geheimgespräche im Ausschuss zu beantragen. FDP-Obmann Christian Jung hat inzwischen schonmal ein Video aufgenommen, indem er in Vertretung der Kanzlerin die Entlassungsdokumente für den Verkehrsminister bereits ausfüllt.


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Die Vertreter der Union im Untersuchungsausschuss hingegen bemühen sich um Schadensbegrenzung. Sie wollen kurzfristig noch einen weiteren Zeugen auf die Liste für die Sitzung setzen. Scheuers Auftritt würde sich so bis spät in den Abend hinauszögern. Die Opposition befürchtet, dass er gar nicht mehr drankommen könnte. Ärgerlich zwar für die Orchestrierung der Zeugenaussagen, aber aufgeschoben hieße keinesfalls aufgehoben.

Ohnehin war von vorneherein geplant, dass der erste Auftritt des Ministers nicht Scheuers letzter vor dem Ausschuss sein wird. Er soll mindestens noch ein weiteres Mal als Zeuge geladen werden. Es gibt einfach noch viel zu viele ungeklärte Fragen.

Mehr zum Thema: Als Maut-Minister wird Andreas Scheuer wohl irgendwann in den Geschichtsbüchern stehen. Dabei kämpft er noch an ganz anderen Fronten.

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