Reichensteuer So werden Wohlhabende im Ausland zur Kasse gebeten

Hierzulande werden sie als "Oligarchen" beschimpft, ihnen wird "Steuerflucht" vorgeworfen oder zumindest "Gier". Wie Wohlhabende in anderen Ländern zur Kasse gebeten werden – und welche Debatten die Politik dort führt.

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USA: Luxusvillen in Sarasota, Florida. Quelle: dpa Picture-Alliance

Großbritannien

Das Thema Reichensteuer erhält in Großbritannien gerade neue Brisanz – die Labour-Partei macht  damit in der anstehenden Parlamentswahl kräftig Wahlkampf. Schattenfinanzminster John McDonnell möchte die Einkommenssteuer für alle, die mehr als 80.000 Pfund (umgerechnet rund 94.400 Euro) im Jahr verdienen, kräftig erhöhen. Bisher legt er sich im Hinblick auf den künftigen Spitzensteuersatz nicht fest, spekuliert wird aber über einen Satz von 60 Prozent. Ein Labour-Sieg ist am 8. Juni zwar angesichts des großen Vorsprungs der Tories in den Meinungsumfragen wenig wahrscheinlich.

Trotzdem dürfen sich die Wohlhabenden in Großbritannien nicht sicher fühlen: Premierministerin Theresa May betont immer wieder, sie wolle keine Regierungschefin nur für die Privilegierten sein. So wurde im März vorgeschlagen, die reine Testamentseröffnung (nicht die Erbschaftsteuer) in England und Wales bei größeren Vermögen mit einer Gebühr von 20.000 Pfund zu belegen.

In diesen Ländern leben die meisten Milliardäre
JapanRupert Hoogewerf zählt die Reichen dieser Welt. Seit Jahren veröffentlicht der in China lebende Brite regelmäßig seine Global Hurun Rich List. Insgesamt kommt er dieses Jahr auf 2257 Milliardäre in 68 Ländern. Alle zusammen besitzen ein Vermögen von rund acht Billionen Dollar, was in etwa elf Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung entspricht. In Japan leben 42 Dollar-Milliardäre, was dem Land den zehnten Platz auf Hoogewerfs Rich List garantiert. Quelle: dpa
BrasilienTrotz seines Status' als Entwicklungsland leben in Brasilien 43 Dollar-Milliardäre. Für Hoogewerf ist das jedoch kein Widerspruch: Das Wachstum privater Vermögen habe sich von der Konjunktur abgekoppelt. So sei allein in den letzten fünf Jahren die Zahl der Milliardäre weltweit um 55 Prozent angestiegen. Quelle: AP
FrankreichInsgesamt vier europäische Staaten haben es unter die Top Ten der Länder mit den meisten Millionären geschafft. Frankreich belegt mit 50 Milliardären den achten Platz. In Italien (Platz elf) leben 41 Milliardäre und in Spanien (Platz 19) immer noch 23. Quelle: REUTERS
RusslandRussland, das Land der Ölmagnaten, ist Heimat von 68 Dollar-Milliardären. Im internationalen Vergleich belegt Russland damit Platz sieben. Quelle: AP
SchweizDie Schweiz gilt als eines der reichsten Länder Europas. Und tatsächlich leben dort auch sehr viele Milliardäre. Insgesamt 77 Milliardäre zählt Hoogewerf in der Schweiz. Im internationalen Vergleich macht das Platz sechs. Quelle: AP
Großbritannien89 Milliardäre leben in Großbritannien. Der reichste Mann Großbritanniens ist übrigens der aus der Ukraine stammende US-Investor Leonard Blavatnik. Die Sunday Times schätzt sein Vermögen auf mehr als 13 Milliarden Pfund. Quelle: REUTERS
IndienIn Indien leben laut Hoogewerfs Zählung 100 Milliardäre. Damit belegt Indien Platz vier auf der Liste. Quelle: REUTERS

Derzeit gilt für Bezieher eines Jahresgehalts ab  150.000 Pfund (179.000 Euro) der Spitzensteuersatz von 45 Prozent. Die britische Einkommensteuer ist progressiv und wird in drei Stufen berechnet. Grundsätzlich gibt es einen Steuerfreibetrag von 11.500 Pfund im Jahr – allerdings nur für diejenigen, die weniger als 100.000 Pfund im Jahr verdienen. Wer weniger als 11.500 Pfund im Jahr verdient, zahlt also gar keine Einkommensteuer. Oberhalb dieses Grenzwertes und bis zu einer Einkommenshöhe von 31.785 Pfund wird ein Basissatz von 20 Prozent fällig, danach gilt bis zur Grenze von 150.000 Pfund ein mittlerer Satz von 40 Prozent, darüber dann 45 Prozent.

Japan

Das Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ von Thomas Piketty wurde auch in Japan zum Bestseller. Dabei hat laut dem Forschungsinstitut der Credit Suisse die Inselnation im Fernen Osten die nach Belgien geringste Ungleichheit aller Industrienationen in der Kapitalverteilung. Wegen der scharfen Besteuerung der Reichen wurde Japan sogar das „erfolgreichste kommunistische Land“ der Welt genannt. Tatsächlich gehen von steuerpflichtigen Einkommen über 345.000 Euro insgesamt 55 Prozent an den japanischen Staat, ab 155.000 Euro werden knapp  50 Prozent fällig. Darin enthalten sind neben der Einkommensteuer auch eine Wohnsitzsteuer sowie ein nach dem Tsunami  von 2011 erhobener und bis 2037 laufender Solidaritätszuschlag von 2,1 Prozent. 

von Dieter Schnaas, Simon Book, Max Haerder, Mona Fromm

Noch mehr tut die Erbschaftsteuer den Reichen weh. Wer mehr als 5,2 Millionen Euro erbt, muss den Höchstsatz von 55 Prozent abgeben – bei einem niedrigen Freibetrag von rund 360.000 Euro (bei zwei Erben). Einige Reiche ziehen deshalb mit ihrem Geld ins Ausland um. Singapur, Hongkong und Thailand sind als Altersruhesitz beliebt. Dem schob der japanische Staat erst 2013 einen Riegel vor. Mindestens fünf Jahre müssen der Vererbende UND seine Erben im Ausland gelebt haben, um der Erbschaftssteuer zu entgehen. Anfang April wurde die Mindestgrenze für den Auslandsaufenthalt auf zehn Jahre verdoppelt.

„Japans Reiche verlieren ihr Vermögen typischerweise nach drei Generationen“, kommentiert Yuriko Koike, Gouverneurin von Tokio. Einen kleinen Steuervorteil haben die japanischen Reichen allerdings noch. Sie leben oft von Kapitalerträgen. Deren Besteuerung ist in Japan mit 15,3 Prozent auf Dividenden und 20,3 Prozent auf Zinsen im internationalen Vergleich recht günstig.

Die Regelungen in Frankreich und den USA

Frankreich

Französische Einkommen sind im Schnitt niedriger als in Deutschland. Das Jahresgehalt eines Ingenieurs etwa beträgt im Mittel rund 38.000 Euro. 70 Prozent der Franzosen verdienen höchstens das 2,5fache des Mindestlohns, also maximal rund 3700 Euro monatlich. Gutverdiener stehen daher gesellschaftlich schnell in Verdacht, mit gleich zwei Säulen des nationalen Mottos „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ zu brechen und sich auf Kosten anderer zu bereichern.

Im Gegensatz zu Deutschland wird die Einkommensteuer in Frankreich nicht automatisch vom Lohn abgezogen, sondern muss im Folgejahr deklariert werden. Laut einem Gesetz der amtierenden Regierung soll ab 2018 das deutsche Modell gelten. Der neu gewählte Präsident hat vor wenigen Tagen erkennen lassen, dass die neue Regelung vermutlich nicht wie vorgesehen am 1. Januar 2018 in Kraft treten wird.

Für Einkommen aus dem Jahr 2016, für die in diesem Mai die Erklärung fällig wird, gilt Folgendes: Nach Abzug der Sozialabgaben sind Einkommen bis zu einer Summe von 9710 Euro steuerfrei. Danach steigen die Steuersätze progressiv an: 14 Prozent bis 26.818 Euro, 30 Prozent für die Differenz zwischen 26.818 und 71.898 Euro, danach 41 Prozent auf die Differenz zwischen 71898 und 152260 Euro. Danach wird ein Steuersatz von 45 Prozent fällig. Darüber hinaus gilt eine Steuer für besonders hohe Einkommen. Für einen Single beträgt sie drei Prozent auf Einkommen zwischen 250.000 und 500.000 Euro und vier Prozent für Einkommen, die dieses Limit übersteigen. Der Spitzensteuersatz beträgt also 49 Prozent.

USA

Der Spitzensteuersatz in den USA beträgt 39,6 Prozent und wird für all jene fällig, die in diesem Jahr mehr als 418.401 US-Dollar verdienen. Wer eine Familie zu ernähren hat, wird erst ab 444.551 US-Dollar mit dem Höchstsatz belangt. Kapitaleinkünfte – die Haupteinnahmequellen der Reichen und Superreichen in den USA – werden mit nur maximal 23,8 Prozent besteuert. Das führt dazu, dass US-Amerikaner mit einem Einkommen zwischen einer und 1,5 Millionen US-Dollar im Schnitt zuletzt rund 28,1 Prozent Abgaben an den Fiskus abgeführt haben. Die Superreichen mit einem Einkommen über zehn Millionen Dollar haben gar nur 27 Prozent an Steuern auf ihr Vermögen gezahlt. Und damit kaum mehr wie der typische Mittelschichtler: Wer zwischen 37.951 und 91.901 Dollar im Jahr verdient, muss eine Einkommensteuer von 25 Prozent zahlen.



Obwohl die Demokraten versuchen, die Ungleichheits-Debatte im öffentlichen Bewusstsein zu halten, haben sich die Wähler im November für einen Präsidenten entschieden, der verspricht, die Steuern zu senken. Und zwar für alle. Künftig soll es statt des progressiven Modells nur noch drei Steuertarife geben. Vor allem die Reichen würden profitieren: Trumps Reform sieht vor, dass der Höchstsatz bei der Einkommensteuer künftig nur noch bei 25 Prozent liegt.

„Es gibt in den USA keine bessere Wahlwerbung, als für niedrige Steuern einzustehen“, sagt Robin Einhorn, Historikerin an der University of California. Seit der Boston Tea Party, als amerikanische Unabhängigkeitskämpfer gegen die Besteuerung durch die britische Krone aufbegehrten, sei die rigorose Ablehnung von Abgaben an den Staat tief im amerikanischen Bewusstsein verankert. Und so unterstützen selbst die mittleren Einkommensschichten rigorose Entlastungen der Reichen – „selbst wenn das die Finanzierung von staatlichen Leistungen einschränkt, die Gering- und Mittelverdiener in Anspruch nehmen, oder gar ihre eigene Steuerlast erhöht.“

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