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  4. Ladesystem ist für E-Mopeds, E-Bikes und E-Scooter: Von Tankstellen und Wechselakkus

MikromobilitätKommen jetzt Tankstellen für Tretroller?

Elektrische Roller, Mopeds und Fahrräder zum Leihen sind aus Großstädten kaum noch wegzudenken – doch profitabel sind die meisten Dienste nicht. Mehrere Start-ups wollen die Logistikkosten der Anbieter nun mit einer gemeinsamen Ladeinfrastruktur senken.Steffen Ermisch 15.07.2022 - 11:21 Uhr

Tankstellen für Kleinstmobile: Eine Alternative zu Wechselakkus.

Foto: Hersteller

Lieferengpässe haben Leon Mobility ausgebremst, nun soll es schnell gehen: Mehr als 30 Ladepunkte will das Start-up noch in diesem Sommer in Stuttgart aufbauen und damit der Elektromobilität einen Schub geben. Doch es sind nicht Autos, die das Start-up ins Visier nimmt – das „XOO“ getaufte Ladesystem ist für E-Mopeds, E-Bikes und E-Scooter gedacht. An Hauswänden und Straßenlaternen sollen die tennisschlägergroßen Stationen angebracht werden.

„Mit unserer Infrastruktur lösen wir das größte Problem der Mikromobilitätsanbieter“, sagt Mitgründer Mat Schubert. „Aktuell verschlingt die Logistik rund um das Aufladen der Fahrzeuge 30 bis 40 Prozent der Einnahmen.“

Schubert weiß, wovon er spricht: Bei Bosch hatte er den E-Moped-Verleihdienst Coup aufgebaut. Wie andere Sharing-Anbieter auch schickte das Unternehmen Mitarbeiter durch die Stadt, um Fahrzeuge neu zu „betanken“ – ein kostspieliges Unterfangen. „Jede Fahrt hat um die zehn Euro an Kosten verursacht“, sagt Schubert. Anfang 2020 zog der Konzern die Reißleine und verkaufte die 5000 Roller starke Flotte an das E-Scooter-Start-up Tier.

Ladekosten belasten die Bilanz

Anderen will Schubert mit seinen über die Stadt verteilten Ladestationen das Schicksal von Coup ersparen. Die Idee ist, dass die Anbieter ihre Nutzer mit Freiminuten dazu animieren, die Fahrzeuge selbst ans Ladekabel zu hängen. Zusammen mit den Stadtwerken Stuttgart, die den E-Moped-Dienst Stella betreiben, hat das Start-up das Konzept mit fünf Ladepunkten erprobt. Nun soll der Regelbetrieb starten. Auch andere Sharing-Firmen sollen die Infrastruktur nutzen können: „Wir positionieren uns mit unserem XOO-Netz als unabhängiger Dienstleister für alle Anbieter“, sagt Schubert.

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Der potenzielle Kundenkreis ist groß: Deutschlandweit 84 Mikromobilitätsanbieter zählte die Beratung HPP Ende 2021. Dominiert wird der Markt von Unternehmen wie Lime, Tier und Voi, die Innenstädte mit ihren elektrischen Stehrollern fluten. Doch auch kleinere Start-ups, Stadtwerke und Konzerne wie die Deutsche Bahn mischen mit. Gewinne fährt aber bisher kaum ein Anbieter ein. Auch ökologisch ist der gegenwärtige Zustand problematisch: Um Roller und Fahrräder zu laden und warten, kommen in der Regel dieselbetriebene Kastenwagen zum Einsatz.

„Die Ladeinfrastruktur ist der entscheidende Hebel, um die Dienste profitabel zu machen“, sagt Jennifer Dungs, Mikromobilitätsexpertin bei dem aus EU-Geldern finanzierten Investor EIT InnoEnergy. In der Branche steige das Interesse an Lösungen, die von mehreren Anbietern zugleich genutzt werden. „Aus demselben Grund, warum Autobauer keine Tankstellen betrieben, wird sich auch in der Mikromobilität eine anbieterübergreifende Infrastruktur durchsetzen.“

Städte wollen das Chaos eindämmen

Als Problemlöser dienen sich neben Leon Mobility eine Reihe weiterer Start-ups an. EIT InnoEnergy etwa hat sich früh an Duckt beteiligt. Das estnische Start-up baut Stationen, an denen E-Bikes und E-Scooter geparkt und geladen werden. Ähnliches macht das US-Unternehmen Swift Mobility, das durch eine Kooperation mit dem Berliner Ladeinfrastruktur-Entwickler Soltsol nun auch in Europa Fuß fassen will. Noch in diesem Jahr sollen 150 Ladestationen entstehen.

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Rückenwind erhalten die Konzepte durch die zunehmende Regulierung: Mehr und mehr Städte sind es satt, dass E-Scooter die Bürgersteige verstopfen. Erste Metropolen beginnen, eigene Parkflächen auszuweisen – da liegt es nahe, dort auch Lademöglichkeiten zu schaffen.

Gegenüber großen Dockingstationen will Leon Mobility damit punkten, dass für seine Stationen keine Bodenarbeiten nötig sind. Aufbauen will das Stuttgarter Start-up seine Wallboxen außer im öffentlichen Raum etwa bei Einzelhändlern. Leon Mobility übernimmt dabei den Betrieb und die Stromabrechnung, die Händler sollen davon profitieren, dass ihre Standorte häufiger angesteuert werden. Investoren glauben an das Modell: Neben Businessangels sind der Frühphaseninvestor APX sowie der High-Tech-Gründerfonds bei dem 2020 gegründeten Start-up eingestiegen.

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Eine Finanzierungsrunde – unter Beteiligung von EIT InnoEnergy – konnte Anfang des Jahres auch Swobbee abschließen. Das Berliner Start-up will ebenfalls eine gemeinsame Ladeinfrastruktur für E-Scooter & Co. aufbauen, setzt dabei aber auf ein komplett anderes Konzept: Deutschlandweit sollen Stationen entstehen, an denen Mitarbeiter der Sharing-Firmen oder deren Nutzer leere Akkus gegen vollgeladene tauschen können.

Die nötige Technik ist vorhanden: Bei E-Mopeds und vielen E-Bikes sind Wechselakkus ohnehin schon Standard. Und auch die E-Scooter-Firmen sind in den vergangenen Jahren auf Modelle mit herausnehmbarer Batterie umgestiegen. Die Sharing-Anbieter konnten so bereits ihre Kosten senken, weil sie Mitarbeiter nur mit Akkus losschicken müssen, statt die Tretroller komplett einzusammeln. „Mit unseren Wechselstationen rücken wir die Akkus näher an Fahrzeuge und sparen Fahrten in ein zentrales Lager“, sagt Geschäftsführer Thomas Duscha.

Mehr als 50 der Stationen betreibt Swobbee bereits. Außer auf Sharing-Anbieter zielt das Start-up auf Logistiker und Lieferdienste. Geht es nach Duscha, übernimmt das Start-up für Flottenkunden aber nicht nur das Laden, sondern nimmt die Akkus selbst in die Bilanz und vermietet diese. „Battery as a Service“ nennt der Gründer das Modell.

Tier Mobility baut an eigenem Ladenetz

Wallbox versus Wechselstation: So unterschiedlich die Ansätze von Swobbee und Leon Mobility auch sind – nach Einschätzung von Investorin Dungs haben beide ihre Berechtigung: „Feste Ladepunkte sind vor allem an zentralen Plätzen sinnvoll“, sagt die Expertin. „Wechsel-Akkus spielen ihre Stärke aus, wenn die Fahrzeuge schnell wieder einsatzbereit sein sollen“. Entscheidend sei in beiden Fällen, dass die Start-ups es schaffen, tatsächlich mehrere Kunden zu gewinnen. Denn sonst bleiben die versprochen Effizienzgewinne aus – und der kapitalintensive Aufbau der Infrastruktur lohnt sich nicht.

Hoffnung machen den Gründern Pilotversuche. So verweist Swobbee darauf, dass sich bereits DPD und Hermes Akkus für Cargobikes teilen, die zunehmend bei der Paketzustellung zum Einsatz kommen. Im E-Scooter-Segment will das Start-up „in Kürze“ weitere Partnerschaften bekannt geben, bisher ist dort Tier Mobility die alleinige Referenz. Bei dem Sharing-Dienst heißt es, die Zusammenarbeit mit Swobbee sei einer mehrerer Bausteine für die „Dezentralisierung der Ladeinfrastruktur“.

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Tier selbst hatte vor zwei Jahren das britische Lade-Start-up Pushme übernommen und baut seither ein eigenes Netzwerk von Wechselakkustationen auf. In 33 deutschen Städten finden sich diese bereits – vorrangig in Kiosken. Bringen Nutzer leere Akkus zu einer der Stationen, erhalten sie Freiminuten. Eine Zusammenarbeit mit Wettbewerbern schließt Tier nicht aus. Für das eigene Ladenetzwerk suche das Unternehmen derzeit nach technischen Lösungen, um diese auch anderen Anbietern zugänglich zu machen, sagt ein Sprecher. Die Herausforderung: Genutzt werden je nach Anbieter und Fahrzeugtyp unterschiedliche Akkus.

„Mit den aktuellen Tarifen lassen sich vor allem Spaßfahrer und Touristen erreichen“

Swobbee begegnet dem Problem mit einem modularen System an seinen Stationen: Einschubfächer für bis sieben Akkutypen hat das Start-up bisher entwickelt. „Damit decken wir die gängigsten Formfaktoren ab“, sagt Gründer Duscha. Die Akku-Vielfalt macht auch Wallbox-Anbietern wie Leon Mobility Kopfzerbrechen. Denn auch wenn die Fahrzeuge am Kabel hängen, müssen die Ladeströme unterschiedlich geregelt werden. „Bei einem Pkw ist die ganze Intelligenz im Fahrzeug verbaut, bei uns ist sie Teil der Wallbox“, erklärt Schubert. Das Gewirr der Ladestecker will Leon Mobility indes über Adapter lösen, die an Bord der Fahrzeuge verstaut werden.

Beide Start-ups setzten darauf, dass Fahrzeug-Hersteller und Sharing-Anbieter zunehmend selbst eine Standardisierung vorantreiben. Bei geringeren Kosten für das Laden, so argumentieren die Gründer, könnten auch Spielräume für Preissenkungen entstehen. Die seien dringend notwendig, um Mikromobilität für mehr Menschen attraktiv zu machen, sagt Schubert: „Mit den aktuellen Tarifen lassen sich vor allem Spaßfahrer und Touristen erreichen, aber für Pendler sind die Anbieter noch zu teuer.“

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Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 22. Mai 2022, wir zeigen ihn aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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