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Starlink für EuropaWer baut für die EU das Satelliteninternet?

Die EU will ein Datennetz im All aufspannen für Krisen wie den Ukrainekrieg. Fraglich ist, welche Rolle Deutschland dabei spielt. Opposition und Industrie fordern die Regierung zum entschlossenen Handeln auf.Andreas Menn 20.10.2022 - 06:00 Uhr

Zündendes Vorbild für Europa? Eine SpaceX-Rakete transportiert Starlink-Satelliten ins Weltall.

Foto: imago images

Thierry Breton erwähnt die Satellitenflotte bei jeder Gelegenheit. Unermüdlich trommelt der EU-Kommissar in Brüssel für ein eigenes europäisches Datennetz im Weltall – störungsfrei, abhörsicher, weltweit verfügbar. 

„Das ist von zentraler Bedeutung für unsere strategische und technische Souveränität“, erklärte Breton Mitte Februar, als er das EU-Projekt offiziell vorstellte. Eine Konstellation aus Hunderten Satelliten könne staatlichen Behörden, dem Militär, aber auch Unternehmen und Bürgern als Back-up dienen, wenn Hacker auf der Erde Datenkabel attackieren sollten.

Schon wenige Tage nach Bretons Rede wurde die Fiktion Realität: Russland fiel in der Ukraine ein, zerbombte im ganzen Land Funkmasten und militärische Kommunikationsanlagen. Hacker griffen Satelliten des US-Betreibers Viasat an – europaweit standen Tausende Windräder still. Und diese neue Realität, sie erreichte kürzlich auch Deutschland: Saboteure zerschnitten zwei Glasfaserkabel der Deutschen Bahn – und legten so den norddeutschen Zugverkehr lahm.

Jetzt diskutiert der Bundestag über ein Satellitennetz

Zumindest die Kommunikation der ukrainischen Armee aber lief weiter – über die Starlink-Satelliten von SpaceX

Hat Breton also einen Punkt? Braucht Europa rasch ein eigenes Starlink? Die Frage dürfte an diesem Freitag im Deutschen Bundestag für Debatten sorgen. Grund dafür ist ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Darin stehen in zehn Punkten unterteilt konkrete Forderungen an die Bundesregierung: Sie müsse mehr Einfluss nehmen auf den Breton-Plan, mehr Geld bereitstellen, mehr Aufträge für die deutsche Raumfahrtindustrie sicherstellen. „Unser Ziel ist, dass Deutschland eine führende Rolle bei dem Satellitenprogramm der EU einnimmt“, sagt Reinhard Brandl (CSU), digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion.

Lesen Sie auch: Flucht in höhere Sphären - warum die EU-Kommission das deutsche Konsortium UN:IO gewählt hat, um ein unabhängiges europäisches Satelliteninternet zu konzipieren.

Die Union stößt sich an dem Plan der EU, mit der Satellitenflotte sowohl ein besonders abhörsicheres Satellitennetz etwa für das Militär aufzubauen – als auch zugleich ein preiswertes Breitband-Internet für Endnutzer. „Beides gleichzeitig ist nicht erreichbar“, heißt es in dem Antrag. Angesichts der weltpolitischen Lage sei „ein besonders sicheres System zu bevorzugen“. Die Bundesregierung solle sich darum entschieden für Änderungen an dem Vorhaben der EU-Kommission einsetzen.

Bretons Plan sieht vor, von 2024 an europäische Kommunikationssatelliten in verschiedene Erdorbits ab mehreren 100 Kilometern Höhe zu bringen. Erste Dienste sollen Ende 2024 bereitstehen, die volle Leistung soll die Konstellation im Jahr 2027 bieten. Bis dahin wollen Anbieter wie SpaceX, OneWeb und Amazon schon Tausende oder gar Zehntausende Satelliten im All haben. Im Wettbewerb mit diesen kommerziellen Breitbanddiensten dürfte sich die EU schwertun.

Deutsche Unternehmen drohen leer auszugehen

Zumal erst einmal um die Finanzierung gerungen werden dürfte. Insgesamt sechs Milliarden Euro soll das System kosten, finanziert teils aus EU-Programmen, aus staatlichen Budgets und der privaten Wirtschaft. Über einen ersten Teil wird auf der Ministerratskonferenz der Weltraumorganisation Esa im November entschieden werden. Die Esa arbeitet mit der EU schon beim Erdbeobachtungssystem Copernicus und dem Navigationsnetzwerk Galileo zusammen. Nun möchte sie am EU-Satellitenprojekt mitarbeiten – und von ihren Mitgliedsländern dafür 750 Millionen Euro einsammeln.

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Unklar ist, ob sich Deutschland daran beteiligen wird. Das steht allen Esa-Mitgliedsländern offen. Auf Anfrage der WirtschaftsWoche antwortete das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ohne konkret zu werden, „die deutschen Esa-Beiträge werden vom Bundestag jährlich mit den Haushaltsplänen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz und des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr beschlossen.“ 

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Die Sorge, dass Deutschland bei dem Satellitenprogramm außen vor bleibt, führt in der Industrie zu Unruhe. In einem Schreiben, das der WirtschaftsWoche vorliegt, haben sich der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und  Branchenvertreter der Raumfahrtindustrie kürzlich an die Bundesregierung und an Abgeordnete im Bundestag gewendet. „Eine ambitionierte deutsche Zeichnung der entsprechenden Technologieentwicklungsprogramme bei der Esa-Ministerratskonferenz im November 2022 ist sehr wichtig“, heißt es darin. Und Matthias Wachter, Geschäftsführer der Initiative NewSpace beim BDI, betont: „Wenn Deutschland sich am Esa-Programm zur Unterstützung der EU-Initiative zur sicheren Konnektivität nicht beteiligt, werden deutsche Unternehmen auch keine Aufträge erhalten.“ Mehr noch: „Deutschland wird zudem auch bei der Ausgestaltung keine Mitsprache haben.“

Auch die Union fordert in ihrem Antrag „eine starke deutsche Zeichnung der entsprechenden Technologieentwicklungsprogramme“. Dabei sollten die Investitionen für das Satellitennetz nicht zulasten bestehender Raumfahrtprogramme gehen. Doch angesichts knapper Kassen dürfte das schwierig werden.


Start-ups wollen mit entscheiden

Vor allem deutsche Start-ups und Mittelständler fürchten ohnehin, bei dem Satellitenprojekt von etablierten Großkonzernen ausgebootet zu werden. Und zwar selbst für den Fall, dass sich Deutschland an dem Projekt finanziell beteiligt. Denn viele der großen Hersteller sitzen in Frankreich. Und das Land hat offenbar auch schon deutlich bessere Lobbyarbeit für die eigene Industrie bei der EU gemacht. In der zentralen Machbarkeitsstudie der EU-Kommission für das Satellitensystem seien nur Unternehmen zugelassen worden, die mindestens fünf bereits absolvierte Raumfahrtprogramme mit mehr als 100 Millionen Euro Budget in ihrer Referenzliste vorweisen konnten, heißt es im Antrag der Union. So eine „Anti-Start-up-Klausel“ sei strikt abzulehnen.

Zwar hat die EU inzwischen auch zwei Konsortien mit Machbarkeitsstudien beauftragt, in denen sich kleinere und jüngere Unternehmen zusammengeschlossen haben. Darunter ist Unio, ein Zusammenschluss der deutschen Start-ups Reflex Aerospace, Mynaric und Isar Aerospace sowie dem luxemburgisch-französischen Satellitenbetreiber SES

Doch die Unternehmer sorgen sich, dass sie am Ende nur als Zulieferer für etablierte Raumfahrtkonzerne eingebunden werden. „Kleine und mittelgroße Unternehmen müssen eigenverantwortliche Teile des EU-Satellitenprojekts bekommen“, fordert Walter Ballheimer, Chef des Satelliten-Start-ups Reflex Aerospace in München, „statt nur als Subkontraktor beauftragt zu werden.“

Satellitenfabrik in München geplant

Das Konsortium Unio hat bereits Interessenten etwa aus der Automobilindustrie, die schnellen Datenfunk aus dem All nutzen möchten. Ein Auftrag von der EU wäre für die jungen Unternehmen ein wichtiger Erfolg – in den USA sind Unternehmen wie SpaceX auch durch Staatsaufträge schnell groß geworden.


„Wir arbeiten mit Hochdruck am Ausbau unserer Fertigung, im Jahr 2024 wollen wir eine stark automatisierte Fabrik einweihen“, sagt Ballheimer. „Der nutzbare Orbit füllt sich schnell mit Satelliten von SpaceX und es werden bald Markteintrittsbarrieren geschaffen. Europa muss sich jetzt bewegen.“
Auch der Bundesverband der deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie fordert mehr Tempo: Es gehe beim EU-Satellitenprojekt auch um die Sicherung begrenzt verfügbarer Funkfrequenzen. „Es gilt zu verhindern, die Chance für den Aufbau eines eigenen Rückgrats für die Digitalisierung und Kommunikation zu verpassen.“

Lesen Sie auch: Der US-Konzern Amazon will den Weltraum erobern. Konkurrenz für Elon Musks Starlink-Netzwerk?

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