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Short-Attacke auf Nikola Trucks, Lügen und Videos?

Das Start-up Nikola Motor, das Elektro- und Wasserstoffgetriebene Lkw produzieren will, sieht sich massiven Betrugsvorwürfen eines Hedgefonds ausgesetzt. Quelle: PR

Im Disput rund um den selbsternannten Tesla-Rivalen Nikola Motor legt der Leerverkäufer Hindenburg nach - mit schweren Vorwürfen. 

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Plus 40 Prozent, minus 30 Prozent: Am Aktienkurs von Nikola Motor in den vergangenen sieben Tagen lässt sich schon das Drama ablesen, das sich gerade rund um das Truck-Start-up abspielt - möglicher Titel: Trucks, Lügen und Videos.

Erst sorgte vergangenen Dienstag eine Kooperation mit General Motors für Höhenflüge, Nikola schien ganz obenauf. In den nächsten Jahren sollte GM Batterie- und Brennstoffzellenantriebe liefern, Nikola würde daraus umweltfreundliche Trucks bauen und die Lkw-Industrie auf den Kopf stellen. Ein neuer Tesla-Rivale sollte entstehen, angetrieben von Strom und Wasserstoff.

Dann vergangenen Donnerstag der Schlag in die Magengrube: Hindenburg Research, ein Unternehmen, das an Börsenwetten gegen Unternehmen Geld verdient, beschuldigte Nikola in einem langen Artikel der dutzendfachen Lüge. Ein paar Tage lang waren Aktionäre schwer verunsichert, gestern dann veröffentlichte Nikola eine Antwort, der Kurs erholte sich etwas.

Jetzt legt Hindenburg nach - und zeigt sich an keiner Stelle von Nikolas Antworten beeindruckt. Im Gegenteil: Nikola haben den Großteil der Fragen, die Hindenburg aufgeworfen habe, gar nicht beantwortet - genauer gesagt nur zehn von 53. Und wo der Konzern auf die Vorwürfe eingegangen sei, habe er sie sogar teilweise bestätigt - oder neue Fragen aufgeworfen.

Einer der griffigsten, weil anschaulichen Vorwürfe: Nikola soll in einem Werbevideo seinen Truck-Prototypen Nikola One einen Berg hinabgerollt habt - und so getan haben, als führe er mit eigenem Antrieb. Nikola reagierte, man habe das nie behauptet, es sei in dem Video nur die Rede davon, der Truck sei „in Bewegung“. 

Für Hindenburg ist das keine Rechtfertigung, sondern eine Beichte: „Wir sehen das neue Eingeständnis des Unternehmens, dass der Nikola One in dem Video nicht von sich aus angetrieben wurde, als stillschweigendes Eingeständnis von Wertpapierbetrug.“ In der Beschreibung des YouTube-Videos sei schließlich von 1000 PS die Rede, die der Truck habe, und auf Facebook habe das Unternehmen in einem Post geschrieben, das Fahrzeug habe kein Problem, sieben Prozent Steigung hinaufzufahren. Bei Veröffentlichung des Videos im Jahr 2018 war Nikola allerdings noch nicht an der Börse gelistet.

Eine weitere Aussage des Nikola-Gründers Milton dreht sich um die neue Nikola-Fertigung in Ulm. In einem Podcast hatte Milton gesagt: „Fünf (Trucks) kommen gerade aus der Fertigungslinie in Ulm.“ In einem Bloomberg-Artikel werden dagegen zwei Quellen damit zitiert, die Montagestraße befinde sich noch im Bau; Prototypen würden per Hand gefertigt. 

Fertigungslinie oder Werkstatt: Es mag auf der einen Seite kleinlich erscheinen, die Wahl eines Wortes in einem Podcast auf die Goldwaage zu legen. Andererseits erscheint dadurch der Bau der Fabrik in Ulm weiter, als er in Wirklichkeit ist. Versprecher oder systematische Irreführung?

In einem weiteren Marketing-Video sagt Nikola-Chef Milton, das Unternehmen entwickele seine Wechselrichter selbst. Vorher zeigt er auf einen Wechselrichter - von dem Hindenburg behauptet, er sei von einem Drittanbieter. 

Nikola rechtfertigt sich, beim Prototypenbau nutze man auch Teile anderer Hersteller, die später ausgetauscht würden. Hindenburg sieht das nun als Eingeständnis - und stellt in Frage, ob Nikola überhaupt an einem Wechselrichter arbeite.

Nikola hat auf eine Anfrage der WirtschaftsWoche zu den erneuten Hindenburg-Vorwürfen bisher nicht geantwortet. Das Unternehmen hat eine Anwaltskanzlei eingeschaltet und Hindenburg Eigeninteresse vorgeworfen: „Diese Behauptungen des Leerverkäufers sind falsch und irreführend und zielen darauf ab, den Markt zu manipulieren, um von einem künstlichen Rückgang des Aktienkurses von Nikola zu profitieren.“


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In der Tat dürfte Hindenburg massives Interesse am Fall des Nikola-Börsenkurses haben. Damit allein hat Nikola allerdings nicht alle Fragen aus dem Weg geräumt. Vor allem bei der Frage, wie viel Technologie Nikola tatsächlich selbst entwickelt, verwickelte sich das Unternehmen bisher in Widersprüche. 

Viele Teile dürften von Partnern wie Bosch, Iveco und General Motors kommen, die in Statements alle die weitere Zusammenarbeit mit Nikola beteuerten. Sie sollten großes Interesse daran haben, dass Nikola die Diskussion mit guten Argumenten aus der Welt schafft - und in Zukunft bei kessen Werbetricks vorsichtiger auftritt.

Mehr zum Thema: Nikola Motor ist mit Betrugsvorwürfen konfrontiert. Zwei zentrale Partner des Truck-Entwicklers beteuern nun, weiter mit Nikola arbeiten zu wollen. Doch viele Fragen bleiben ungeklärt.

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