Designvergleich: Tesla vs. Mercedes Wo Teslas Model Y konservativer ist als die S-Klasse

Die Marke Tesla exponiert sich durch ihre Rolle als Pionier in Sachen elektrische Mobilität. Die S-Klasse ist Marktführer in der Klasse der Luxusautos. Quelle: PR/Reuters

Die Designs des Tesla-Y-Modells und der Mercedes S-Klasse sprechen unterschiedliche Sprachen. Warum Tesla in Designfragen nicht immer revolutionär ist und Daimler deshalb mehr bietet, erklärt Design-Experte Lutz Fügener.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Neu, modern, teuer. Das sind dann auch die einzigen Gemeinsamkeiten der Mercedes S-Klasse und des Tesla-Y-Modells. Die Autodesigner verfolgen verschiedene Strategien. Welche die bessere ist, erklärt Lutz Fügener. Er ist Professor für Transportation Design/3D-Gestaltung und Leiter des renommierten BA-Studiengangs für Fahrzeugdesign an der Hochschule in Pforzheim und arbeitet nebenbei mit Autokonzernen am Cockpit der Zukunft.

WirtschaftsWoche: Herr Fügener, welches Auto spricht Sie äußerlich mehr an, die neue Mercedes S-Klasse oder das Tesla Model Y ?
Lutz Fügener: Beide sehe ich hinsichtlich des Designs als überdurchschnittlich an. Aber ich würde mich eher für die S-Klasse entscheiden.

Warum?
Die Sensation an dem Tesla ist nicht das Design. Die Marke exponiert sich durch ihre Rolle als Pionier in Sachen elektrische Mobilität. Ich nehme an, dass sich wenige Kunden in erster Linie aufgrund des Designs für einen Tesla entscheiden. Tesla verfolgt überwiegend einen eher konservativen Ansatz. Das Konzept scheint zu sein, zumindest äußerliches vertraut zu lassen – wenn schon das Innere neu ist. Den Marketingansatz kann ich durchaus nachvollziehen.

Die S-Klasse hingegen ist Marktführer in der Klasse der Luxusautos und muss, um diese Position zu verteidigen, in allen Disziplinen glänzen. Das Auto strahlt bereits durch seine Proportionen Eleganz aus, doch die wichtigsten Designentscheidungen an diesem neuen Modell geben diesem Eindruck nun bewusst Rückenwind, zielen auf eine klare, ruhige und wenig verspielte Eleganz. Das glattflächige, klar geschnittene Heck steht exemplarisch für diese Entscheidung. Allein im Frontbereich hat sich unter dem typischen Mercedes-Kühler noch der etwas AMG-lastige Lufteinlass durchgesetzt und bricht diese Regel. Das Interieur und hier besonders das Armaturenbrett der neuen S-Klasse sind hochmodern, von allem Staub der Vergangenheit befreit. Insgesamt ist die neue S-Klasse zwar keine Revolution, aber ein raumgreifender, evolutionärer Schritt. Alle Schrauben, an denen das Mercedes-Design gedreht hat, wurden in die richtige Richtung bewegt.

Mercedes-Benz: Das bietet die neue S-Klasse
Mercedes S-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes S-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes S-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes S-Klasse Quelle: Daimler
Mercedes S-Klasse Quelle: Daimler

Gibt es also bei Tesla Nachholbedarf?
Das ist eine gute Frage. Die Strategie, Autos sehr zurückhaltend zu designen – also sie nicht laut sagen zu lassen, dass sie anders funktionieren als ihre konventionellen Mitbewerber – macht den Markt für Tesla in Zukunft enger. Da speziell für die Klasse des Model Y immer mehr Konkurrenz den Markt betritt, wird dieses vielleicht nicht mehr so selbstverständlich nachgefragt, wie es bei anderen Produkten dieser Marke der Fall war. Tesla hat mit dem zurückhaltenden Design der Konkurrenz durchaus Land übriggelassen.

Warum wechselt Tesla dann nicht einfach die Strategie?
Die Hauptkundschaft von Tesla liegt in den USA, reagiert ohnehin tendenziell etwas konservativer und ist erfahrungsgemäß treu. Teslakunden haben eine über das Normal hinausgehende, starke Bindung zu ihrem Fahrzeug – sicher auch, weil die Entscheidung zum Wechsel auf diese neue Technologie einer tiefen Überzeugung bedurfte. Es scheint, als wolle Tesla die treue Kundschaft beibehalten. Große Sprünge im Design sind nicht erkennbar. Mit einer Ausnahme: Der vom Hause Tesla entwickelte Cybertruck ist ein extremer Kontrapunkt dieser Strategie.

Im globalen Maßstab ist Daimler schon heute ein Zwerg beim Absatz. Jetzt will sich der Stuttgarter Autobauer noch stärker auf Luxus konzentrieren. Die Strategie könnte Innovationen bedrohen.
von Annina Reimann

Welche Designelemente festigen das Markenimage?
Die Art und Weise, wie Tesla Flächen behandelt, ist seit dem ersten Volumenmodell S gleichgeblieben. Aber sobald der Kunde den Innenraum des neuen Tesla-Autos wahrnimmt, macht sich ein großer Unterschied zu den anderen Modellen bemerkbar: Die Bedienung erfolgt fast ausschließlich über das vor einem angeordnete klare Armaturenbrett – zentrale Einheit des großen Displays. Eine Lösung, die in ihrer Radikalität sonst in der Welt des Automobils bisher nicht vorkam. Tesla darf das als Design-Pionierarbeit verbuchen. Mercedes verfolgt mit dem Cockpit der neuen S-Klasse ein ähnliches Konzept der Neuordnung, bietet jedoch – sicher auch durch die finanziellen Möglichkeiten eines Luxusklassefahrzeugs – eine Designlösung an, die einen Schritt weiter geht. Die Verbindung von Mittelkonsole, Display und Armaturenbrett gehen eine einfache, wohlproportionierte Symbiose miteinander ein. Das Cockpit ist weit komplexer als das des Teslas, jedoch ebenfalls in seinen Hauptelementen auf den ersten Blick erfassbar. Der Bildschirm als Objekt tritt in den Hintergrund, die eigentliche Information in den Vordergrund. Und – man muss es eigentlich nicht erwähnen – im Exterieur ist für die Mercedes S-Klasse die Front durch ihren typischen Kühler sinngebend. Andere, bekannte Designlösungen, wie die Art der Zusammenführung von Dach und Fahrzeugkörper, entsprechen ebenfalls bekannten Designansätzen und machen den Entwurf erkennbar.

Das Design moderner Autos wirkt immer verwechselbarer. Gehen den Herstellern die Ideen aus?
Ein Markführer im Design dürfte an einer Angleichung der Formen wohl nicht interessiert sein, da Design immer ein probates Mittel ist, sich vom Mitbewerber abzugrenzen. Marken, die gerade ein Image aufbauen, sind eher dazu bereit, erfolgreich etablierte Gestaltungselemente oder gar Konzepte zu übernehmen – in der Hoffnung, so eine Abkürzung zu den vorderen Plätzen zu finden. Es gibt aber noch einen zweiten Grund für die vermeintliche Annäherung des Designs verschiedener Marken: Die sich ständig verschärfenden Vorschriften, um die alle Hersteller herumdesignen müssen. Wir haben im letzten Jahrzehnt einen massiven Einfluss auf das Design der Fronten der Autos durch die – fraglos sinnvollen – Verschärfungen der Regeln zum Fußgängeraufprallschutz erlebt. Die Regeln werden stets härter, aber die technologischen Möglichkeiten auch größer. Das ermöglicht dann neue, andere Lösungen. Macht die Autos jedoch meist auch teurer.



Ist denn das Preis-Leistungsverhältnis gerechtfertigt?
Zumindest kriegt der Kunde heute mehr für sein Geld. Die Autos sind im Durchschnitt sicherer geworden, zuverlässiger, langlebiger. Das Design verändert sich im Rahmen der Möglichkeiten positiv, wird qualitativ und funktional hochwertiger. Ob der Kunde das alles wirklich braucht, ist eine andere Frage. Die enorme Vielfalt der Ausstattung ist im Alltag oft von wenig Nutzen. Viel Luxus wird selten benötigt aber stets mit herumgeschleppt. Es gibt zwar zaghafte Versuche einer Trendwende, die sich aber nicht durchsetzen. Hersteller verdienen daran einfach zu gut.

Wie stellen Sie sich das Design der Zukunft vor?
Auf jeden Fall wesentlich variantenreicher als heute. Die Anzahl der Möglichkeiten hat sich verändert. In den nächsten zehn Jahren wird konzeptionell sicher mehr passieren, als in den letzten drei Jahrzehnten. Es werden Nutzungskonzepte für Autos erscheinen, die es bisher so noch nicht gab. Bestes Beispiel: Das autonome Fahren. Neue Konzepte führen zu radikalen Designlösungen. Wenn das vollautonome Fahren, also wenn keine Person das Auto noch bedienen muss, irgendwann zugelassen wird, ist kein Fahrerplatz mehr notwendig. So muss der Passagier nicht einmal mehr einen freien Blick in Fahrtrichtung haben – obwohl das auch für den Passagier die angenehmste Ausrichtung ist. Solange noch ein Fahrerarbeitsplatz im Auto existiert, werden die konzeptionellen Designlösungen den heutigen ähneln. Der letzte Schritt der Automatisierung zum autonomen Fahren ändert Regeln und Möglichkeiten für das Design radikal.


Das interessiert WiWo-Leser heute besonders


Douglas ist kein Einzelfall

So schummels sich Ikea, Karstadt & Co. am Lockdown vorbei


„Doppelt so lang schwätzen, halb so viel verdienen“

Warum VW-Händler keine E-Autos verkaufen wollen


Curevac-Gründer Ingmar Hoerr

„Ich dachte, der KGB hätte mich entführt“


Was heute wichtig ist, lesen Sie hier



Wie reagieren die Stammkunden von Mercedes und Tesla auf die Automatisierung?
Die Kundschaft von Mercedes und Tesla ist hierzulande und international heterogen. Die S-Klasse hat auf dem hiesigen Markt eher eine reifere Kundschaft, für die das Thema Automatisierung bisher keine große Bedeutung hat. Die Innovationen müssen gut verpackt sein und in verträglichen Schritten kommen. Wer sich entscheidet ein Tesla zu kaufen, muss sich auf neue Technologien ein- und verlassen. Im asiatischen Markt ist das etwas anders. In China wird erst seit ein paar Jahrzehnten in diesem Umfang privat Auto gefahren. Die Hersteller stehen vor einer größeren Herausforderung. Tradierte Markenbindungen existieren bislang nicht. Die solvente und zahlenmäßig große, dazu noch wesentlich jüngere Kundschaft ist noch im flatternden und schwer zu berechnenden Probiermodus.

Mehr zum Thema: Teslas Gigafactory in Grünheide bekommt Konkurrenz

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%