„Ich verstehe diese Auszeichnung als Anerkennung für die Arbeit, die die gesamte Organisation in den vergangenen Jahren geleistet hat.“ Mit skandinavischer Bescheidenheit nahm Volvo-Chef Håkan Samuelsson auf dem Genfer Autosalon die Auszeichnung als „World Car Person of the Year 2018“ entgegen. Unter seiner Leitung hat sich der schwedische Autobauer vom wirtschaftlichen Sorgenkind zu einer der größten Wachstumsstorys der Branche entwickelt.
Die Fragen, denen sich Samuelsson auf der Messe stellen muss, haben aber wenig mit dieser Auszeichnung zu tun – oder mit dem neuen Kompakt-SUV XC40, das jüngst von einer Jury zu Europas Auto des Jahres gekürt wurde. Es ging vor allem um den Einstieg von Li Shufu bei Daimler.
Der Chinese hatte vor wenigen Tagen 9,69 Prozent der Daimler-Anteile übernommen und ist damit aus dem Stand zum größten Einzelinvestor aufgestiegen. Dem Geely-Eigentümer gehört seit 2010 Volvo zu 100 Prozent. Zwei europäische Premium-Autobauer mit einem gemeinsamen (Teil-)Investor im Hintergrund – das hatte die Fantasien vieler Branchenbeobachter beflügelt. Über eine tiefe Zusammenarbeit wurde spekuliert, schließlich stehen die klassischen Autobauer vor großen Herausforderungen und Li gilt als großer Freund von Synergie-Effekten.
„Das ist eine Investition von Li Shufu, nicht von Volvo“, beschwichtig Samuelsson. Ein unmittelbares Interesse, sich einen großen Partner an Bord zu holen, hat der schwedische Manager kaum. Der Turnaround, den er nach der Übernahme Lis mit Volvo geschafft hat, war erfolgreich – und zahlt sich jetzt voll aus. 2017 war in vielerlei Hinsicht ein Rekordjahr für Volvo: Das Betriebsergebnis stieg gegenüber dem Vorjahr um 27,7 Prozent auf ein neues Allzeithoch, der weltweite Absatz erreichte mit über 570.000 Fahrzeugen ebenfalls eine neue Bestmarke, die vierte in Folge.
Über die Motive des chinesischen Geschäftsmanns wurde in den vergangenen Tagen viel spekuliert. Samuelsson hat seit Jahren viel mit Li diskutiert, Pläne erstellt, Strategien erarbeitet. „Er glaubt, dass wir in der Auto-Entwicklung vor einem riesigen Umbruch stehen, hin zur Elektromobilität und selbstfahrenden Fahrzeugen“, sagt der Volvo-Chef. Um in diesem Wettbewerb mit neuen Spielern wie Uber, Google und Tesla zu bestehen, müssten sich die etablierten Unternehmen in gewissen Bereichen zusammenschließen. „Das kann ich verstehen.“
Grundsätzlich, so Samuelsson, sei Volvo für Partnerschaften offen und arbeite gerne mit anderen zusammen. Doch damit meint er eher Zulieferer wie Autoliv oder den Fahrtenvermittler Uber, mit denen Volvo gemeinsam an autonomen Autos arbeitet und entwickelt. „Mit Konkurrenten ist eine Partnerschaft nicht einfach“, sagt der frühere MAN-Chef in solidem Deutsch. „Mercedes-Benz ist ein direkter Konkurrent für uns und wird ein Konkurrent bleiben.“
Das sieht das Management in Stuttgart ähnlich – auch wenn Volvo nicht direkt genannt wird. Einer Zusammenarbeit mit Geely stehe man grundsätzlich offen gegenüber. Li Shufu habe bei einem ersten Treffen die Auffassung vertreten, dass es im zukünftigen Wettbewerb mit Technologiefirmen sinnvoll sei, wenn in der Autobranche Kräfte gebündelt würden, sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche auf der Messe. „Wir haben das genauso gesehen – mit der kleinen zusätzlichen Bemerkung, dass wir in China einen langjährigen Partner haben und wir in China offen sind, alles zu prüfen, so weit sich das im Konsens mit dem Partner befindet.“
Sprich: Man werde sicher Dinge zusammen machen, wenn beide Seiten davon profitieren könnten. Aber eben auch nicht, wenn nur eine Seite profitiere.