Werner knallhart
Deutsche Bahn Quelle: imago images

Der neue Bahn-Bonus-Status: Die Bahn sortiert ihre Stammkunden aus

Die Deutsche Bahn streicht etlichen Vielfahrern die Privilegien. Dafür wird es für die Supervielfahrer seit ein paar Tagen noch komfortabler. Für einige dürfte die DB-Premium-Lounge zur kostenlosen Stammkneipe werden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die neue DB-Premium-Lounge am Berliner Hauptbahnhof bietet hinten raus eine Aussicht auf Kanzleramt und Reichstag. Die Lieblingskunden der Deutschen Bahn genießen das Panorama in lauschigen Ohrensesseln der neuen Generation der sogenannten Me-Time-Möbel (die Sessel, bei denen die großen, schalenartigen Ohren dem Blick- und Schallschutz dienen). Beugt man sich vor, sieht man ab und an den einen oder anderen rotnasigen Vielfahrer einsam an sein Weizenbier geklammert oder im heiteren Feierabend-Taumel mit angesäuselten Mitreisenden. Kostet ja nix!

Schon direkt hinter dem Check-in springen einen kleine Gläschen mit Nüssen und ein Korb mit warmen Brezeln und frischem Obst an. Von allem so viel, wie Sie wollen. Zur Selbstbedienung. Bestellen können Sie dann Kuchen, Panini, heißen Linseneintopf, Tomatensuppe, Vollkornsandwiches mit Käse und Krautsalat, Chips, Brownies, Chicken-Wraps, Obstkuchen, Croissants, Birchermüsli. Dazu etwa Latte Macchiato, heiße Schokolade, Tee, Saft, Bio-Limo oder – und das ist es eben: Bier, Wein und Sekt. Zu jeder Tageszeit.

Bahn-Premiumkunden bekommen Alkoholika gratis

Nun ist die Deutsche Bahn für ihre mehr als passable Weinauswahl bekannt. Das Viertelliter-Fläschchen kostet an Bord der ICE dann auch bis zu knapp 8 Euro. Dies und die anderen Alkoholika bekommen Sie im Premiumbereich theoretisch bis zum Abwinken. Die Grenze hängt von Ihrem eigenen Interesse an der Pflege Ihrer Lebenserwartung ab – und zum Schluss von der Dicke des Geduldsfadens der Lounge-Bediensteten.

In dieser Premium-Lounge lässt sich die Umsatz-Elite der Bahnkunden umgarnen. Das Prestige heißt hier: gratis.

Rein kommt allerdings zum einen nur, wer ein Erste-Klasse-Ticket mit dem teuren Flexpreis hat. Dieses wiederum muss für eine Fahrt über eine Verkehrsverbundsgrenze hinaus gültig sein, um zu verhindern, dass jemand mit einem ICE-First-Class-Ticket von Berlin-Ostbahnhof nach Berlin-Spandau vor lauter Reiseerschöpfung in Berlin Hbf eine Vesperpause mit Brezeln, Eintopf und Erdinger „all you can swallow“ einlegt.

Zum anderen kommt jetzt eine neue Gruppe von Reisenden hinzu. Die mit dem Bahn-Bonus-Status Platin. Sie sehen schon, hier wird in althergebrachten Edelmetall-Rängen gedacht (was verwirrend ist, gibt es doch auch die Bahncard mit dem Kreditkarten-Status Platin, der aber leider nicht gemeint ist). Wie kommen Sie nun an diesen Bahn-Bonus-Platin-Status heran?

Also: Alles dreht sich um Ihre Fahrkarten-Umsätze. Anstatt umständlich Meilen zu sammeln, die je nach Ticket-Kategorie mal mehr, mal weniger anfallen, wird einfach gezählt: Wieviel Cash haben Sie innerhalb der zurückliegenden zwölf Monate bei der Bahn gelassen? Pro Euro gibt es einen Punkt. Fertig. Kommen Sie da in Jahresfrist auf geschlagene 6000 Punkte, dann herzlich willkommen am Büffet! Und zwar immer. Egal, ob Sie reisen wollen oder nicht. So wird die Premiumlounge im Zentrum der Städte zur schicken kostenlosen Bahnhofsmission für Sparfüchse, die sparen nicht nötig haben.

Weil die Bahncard 100 für die zweite Klasse gut 4000 Euro kostet und man mit dieser so viel fahren kann, wie man will (man also kaum noch weitere teure Fahrkarten kaufen wird, was zu mehr Punkten führen würde), ist praktisch sicher, dass sich in der Premium-Lounge de facto nur Erste-Klasse-Gäste aufhalten werden. Wie auch schon bisher im herkömmlichen Erste-Klasse-Bereich.



Frustrierend für viele dürfte allerdings die neue Regelung dafür sein, wer ab sofort den Gold-Status unterhalb des Platin-Status bekommt. Der gilt nämlich für alle mit einem Punktestand ab 2500. Die Crux: Dieser Goldstatus bietet im Wesentlichen die Vorzüge des alten Bahn-Comfort-Status, mit dem Stammkunden unbegrenzten Zugang zum Zweite-Klasse-Bereich der DB-Lounges erhielten und dank dessen man sich auf die legendären als „Bahn Comfort“ bezeichneten Plätze in ICE und IC setzen durfte (was für Durchschnittsfahrer immer verwirrend war, denn Komfort im Zug steht doch schließlich allen zu).

Nur: Bislang gab es diesen Status schon für 2000 Punkte. Künftig müssen Status-Willige also 25 Prozent mehr für die gewohnten Privilegien hinblättern. Das ist happig. Mit zum Beispiel jährlich zusätzlichen fünf ICE-Fahrten von Berlin nach Hamburg und zurück mit der BahnCard 50 kommen Sie da nicht hin.

Lesen Sie auch: Wieso die Deutsche Bahn so unpünktlich ist

Immerhin behalten die Vielfahrer mit Umsätzen unterhalb der 2500 Punkte ihren Silber-Status. Der berechtigt allerdings nur noch zu acht Lounge-Zugängen pro Jahr, statt bisher beliebig vielen.
Das ist statuspunktesammelleidenschaftlich betrachtet ein herber Rückschlag!

Keine kostenlos freigehaltenen Sitzplätze mehr und Loungezugang im Schnitt nur noch alle anderthalb Monate. Hier stutzt die Bahn einigen radikal die Privilegien. Dies ist also der nun eingeschlagene Weg, die in einigen Städten wie Berlin oder Köln seit Jahren chronisch überlaufenden Lounges von den Massen der Bahnfans (und der Fans kostenloser Cola) zu entlasten. Da hilft es den Degradierten auch nicht, dass es den Silberstatus künftig ab 1500 Punkten gibt.

Kostenlos Saufen auf Rädern!

Es steht dank der eleganten neuen Premium-Lounges also nur die DB-Umsatzelite besser da – die Gold-Status-Kunden im Wesentlichen so wie vorher die Bahn-Comfort-Vielfahrer, aber viele schlechter als vor der Bahn-Bonus-Reform. Um einen kollektiven Aufschrei ob der Prestige-Schneiderei zu vermeiden, hat die Bahn raffinierterweise ein Betäubungsmittel springen lassen: Kostenlos Saufen auf Rädern! Silberkunden bekommen acht Getränkegutscheine pro Jahr, die mit Gold zwölf, die Platin-Oberschicht zu den zwölf Drinks noch 30 Prozent Rabatt auf alle weiteren Umsätze in der Bordgastronomie. So soll wohl den Extremvielfahrern abgewöhnt werden, ihren eigenen Proviant mit an Bord zu nehmen (wobei kulinarisch nackt einzusteigen wegen der Unzuverlässigkeit des gastronomischen Angebots nur etwas für eingefleischte Intervallfastende ist: „Heute leider nur Filterkaffee und Kesselchips. Ich kann es auch nicht ändern. Uns wurde der Zug so saumäßig bereitgestellt“).

  1. Erfrischend ist bei der geschenkten On-Bord-Sause das Kleingedruckte. Man traut seinen Augen kaum:
    Die Gutscheine gelten für das gesamte Getränkeangebot (nicht wie sonst so oft: „nur alkoholfreie Getränke“, wobei alkoholfreies Bier je nach Bordbesatzung dann zu den alkoholischen Getränken zählt, weil das ja Bier ist und Bier doch klingt wie was zum geselligen Zuballern).
  2. Löst man einen Gutschein (per QR-Code in der gut gemachten Bahn-Bonus-App ganz ohne Zettelkram) ein, bestellt aber mehrere Getränke gleichzeitig, dann gilt der Gutschein – Achtung! – für das teuerste (t-e-u-e-r-s-t-e) Getränk. Also nochmal: Das teuerste! Wo hat es das je gegeben? Heißt es doch sonst immer: „Drei T-Shirts zum Preis für zwei. Sternchen oben – Sternchen unten: Das billigste Shirt ist kostenlos.“)

Heißt unterm Strich: Legt es jemand drauf an, das Maximale abzumelken („Nimm DAS, Bundesbahn!!!!!1!!1111!1!“) und bestellt stets das teuerste Getränk, was aktuell ein Gin Tonic Edinburgh Seaside für 9 Euro 50 ist, dann ist das pro Jahr ein Rabatt zwischen 76 (Silber) und 114 Euro (Gold und Platin). Wer lieber Kaffee trinkt, spart immerhin noch entweder 28,80 Euro oder 43,20 Euro. Das gab es vorher so nicht und begünstigt jene, die wirklich fahren, anstatt die Lounge für den Nachmittagskaffee zu besuchen, um anschließend wieder nach Hause zu gehen (was bislang so im großen Stil gefördert wurde).

Die neuen Bahn-Bonus-Gutscheine sind so innovativ, da trauen sich offenbar selbst die Bahn-Mitarbeitenden noch nicht so richtig dran. Gestern wollte am Tisch schräg gegenüber im Bordrestaurant ein Fahrgast einen Gutschein per App einlösen. Antwort der Kellnerin: „Ich habe keine Ahnung, was das ist. Das müssen Sie mit dem Zugchef klären.“

Es wird, es wird. Das neue System gilt erst seit 13. Juni. Und so werden die Monate bis Mitte 2023 das eine Jahr sein, in dem still und leise viele, viele Vielfahrer aus ihrem Bahn-Comfort-Status ausgeschlichen werden (bis die aktuelle Bahncard mit dem alten Bahn-Comfort-Status ungültig wird), um dann am Ende mit dem Trostpreis Silberstatus dazustehen, der vor allem mit kostenlosen Getränken lockt. Die DB-Lounge aber schließt vor ihrer Nase nach acht Besuchen ihre Türen fast für immer. Damit die Goldenen und Platins, die immer rein dürfen, in modern umgebauten, gemütlichen und leisen Lounges ihre Füße ausstrecken können.

WiWo Coach Gesetzliche Rente oder Versorgungswerk – was ist besser?

Als Anwalt kann unser Leser bei der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk einzahlen. Was lohnt eher? Rentenberater Markus Vogts antwortet.

Abwanderungswelle bei Sixt „Es beiden recht zu machen, ist eine unlösbare Aufgabe“

Der robuste Führungsstil von Sixt-Gründer Erich Sixt war legendär. Seine Söhne übertreffen ihn wohl noch. Die Abgänge häufen sich. Der Digitalvorstand ist schon weg, ein Finanzchef wird mal wieder gesucht.

Biontech „Das würde ein neues Zeitalter in der Krebstherapie einleiten“

Biontech arbeitet an über zwanzig Medikamenten gegen Krebs. Der Mediziner und Fondsmanager Markus Manns erklärt, wo es Hoffnung gibt, welche Präparate die besten Chancen haben – und wo es noch hakt.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Kunden vom zu knappen Angebot abdrängen, um Hauen und Stechen zu verhindern, anstatt die Kapazitäten zu erweitern. Das darf zumindest kein Vorbild dafür sein, die Reise in den künftig sicher noch häufiger überfüllten Zügen erträglicher zu machen.

Lesen Sie auch: Das Erlebnis Nachtzug auf einem ganz neuen Niveau?

Unser Kolumnist Marcus Werner schreibt über die alltäglichen Nebensächlichkeiten in der Wirtschaft, die es wert sind, liebevoll aufgeblasen zu werden. Den Autor erreichen Sie auch über LinkedIn.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%