Wie hart Unternehmen auf Zechpreller reagieren Immer mehr Deutsche kaufen, ohne zu bezahlen

Zechprellerei wird zum Volkssport – doch Unternehmen schlagen zurück. Um offene Rechnungen im Wert von 50 Milliarden Euro einzutreiben, machen Detektive und Geldeintreiber Jagd auf die Übeltäter.

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Paul Schwarzenholz und Björn Kolbmüller Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

So jung, und schon ein Opfer von Betrügern! Paul Schwarzenholz und Björn Kolbmüller sind mit ihrem Online-Shop Flaconi gerade frisch ans Netz gegangen. Bestellung Nummer drei kommt direkt aus der Nachbarschaft, nicht weit von der Torstraße in Berlin, wo ihre Firma sitzt. Aus Euphorie über den gelungenen Start beschließen die Gründer, die Ware ihrem Kunden persönlich zu überbringen. Doch die Freude währt nicht lange. Die Bestellerin sei nicht zu Hause, murrt ein junger Mann die Boten an, nimmt das Paket mit dem Damenparfüm von Chloé aber in Empfang. Auf die 80 Euro warten die Flaconi-Inhaber Schwarzenholz und Kolbmüller bis heute.

Was nach Pech aussah, erwies sich für die Jungunternehmer als Gefahr, die sie fast die Existenz kostete. "Im ersten Monat hatten wir eine Betrugsquote bei den Bestellungen von 30 Prozent", sagt Flaconi-Geschäftsführer Schwarzenholz. "Wäre es so weitergegangen, hätten wir den Shop gleich wieder dichtmachen können."

Unternehmen werden immer öfter Opfer von Betrügern

Das Startup-Duo von der Spree zählt zum wachsenden Kreis, der um sein wohlverdientes Geld fürchten muss. Ob Gründer oder Traditionsunternehmen, Handwerker oder Konzerne, Deutschlands Unternehmen werden immer häufiger Opfer halb- oder vollprofessioneller Betrüger, die, wo immer möglich, die Zeche prellen. Versandhändler wie Amazon, Otto oder Zalando, aber auch Telekommunikationskonzerne oder die Deutsche Bahn müssen immer dickere Brandmauern hochziehen, um der Plage Herr zu werden.

So beklagten kürzlich Tankstellenpächter in der Spritklau-Hochburg Nordrhein-Westfalen, in der ersten Hälfte dieses Jahres seien 7,5 Prozent mehr Kunden als im Vorjahreszeitraum davongebraust, ohne zu zahlen. Laut reden will über das Problem kaum ein Unternehmer. "Das Thema ist heiß, doch mit Blick auf die Wettbewerber diskutieren wir darüber nicht öffentlich", sagt der Manager eines großen deutschen Versandhändlers.

Zwei Prozent der Rechnungen bleiben offen

Einkaufen oder bestellen, ohne zu zahlen, scheint der neue Lieblingssport der Deutschen gleich nach Fußball und Steuerhinterziehung zu sein. Die Außenstände, die Unternehmen an professionelle Geldeintreiber abgetreten haben, summieren sich inzwischen auf 50 Milliarden Euro. Die Zahl hat der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen, in dem sich die hiesigen Geldeintreiber organisieren, unlängst zum ersten Mal ermittelt. "Wir waren selbst erstaunt über die Dimension", sagt Verbandspräsident Wolfgang Spitz.

Zwar leiden deutsche Unternehmen weit weniger unter Zahlungsausfällen als ihre europäischen Konkurrenten. Doch auch hierzulande wächst das Problem. So bleiben in diesem Jahr voraussichtlich mehr als zwei Prozent der Rechnungen für immer offen, nach 1,8 Prozent 2011. Das ergab eine Umfrage bei 400 Finanzmanagern kleiner und mittlerer deutscher Unternehmen durch die Inkassofirma EOS. Der Geldeintreiber gehört zum Hamburger Handelsriesen Otto-Group mit seinen zig Versandhandelsmarken wie Quelle, Baur, Manufactum und natürlich Otto sowie der Logistiktochter Hermes, die die Waren zu den Kunden schafft.

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