GE-Deutschland-Chef Dierker „Windkraftanlagen sind auch eine Zumutung“

Seite 3/3

65-Meter-Rotorblätter werden für den Transport geteilt

Ihr Wettbewerber Senvion hat 2019 Insolvenz angemeldet. Siemens hat daraufhin wesentliche Teile von Senvion übernommen, für rund 200 Millionen Euro. Hatte GE kein Interesse an Senvion?
Wir prüfen laufend den Markt und mögliche Akquisitionen. Grundsätzlich findet eine Konsolidierung in der Branche statt – aber auch eine Kontraktion, eine drastische Schrumpfung des Marktes. Die setzt alle Player unter erheblichen Stress. Das wird der global maßgeblichen deutschen Windenergie nicht gerecht.

Sind Windkraftanlagen an Land überhaupt noch ein lukratives Geschäft für GE in Deutschland? Vergangenes Jahr hatten Sie hierzulande nur 5,9 Prozent Marktanteil an neu in Betrieb genommenen Anlagen. Ihre Konkurrenten Vestas (43,6 Prozent Marktanteil 2019) Enercon (31,6 Prozent) und Nordex (10,1 Prozent) scheinen Ihnen enteilt.
Die sind im Moment voraus. Aber wir sind überzeugt, dass wir die richtige Technologie für den richtigen Markt haben, und dass wir in diesem Markt auch wieder mehr Anteile gewinnen werden.

Gab es Überlegungen, das Deutschland-Geschäft der Windenergie von GE einzustellen oder zu veräußern?
Nein. Im Gegenteil, wir haben gerade ein neues Produkt herausgebracht, eine neue Plattform, die gerade für den deutschen Markt hervorragend funktioniert. Die wird gerade in Bayern aufgebaut, wo fast niemand mehr projektiert. Im weltweiten Markt sind wir ganz vorne dabei. Wir wollen unsere Probleme technologisch lösen, dazu zählen auch Innovationen in den Produkten.

In den nächsten Jahren erreichen Tausende Windräder das Ende ihrer Lebensdauer. Und stellen das Land vor ein ernstes Problem: Für die Flügel gibt es bis heute kein funktionierendes Entsorgungssystem.
von Konrad Fischer

Zum Beispiel?
Alle Hersteller bauen immer längere Rotorblätter, wir auch. Aufgrund der längeren Blätter haben wir mehr und mehr ein Transportproblem, vom Produktionsstandort zum Aufstellungsort. Aber bei uns wird das Rotorblatt jetzt geteilt. Das längste Blatt ist ungefähr 67 Meter lang: Wenn die Transportfahrzeuge damit Kurven bei Autobahnausfahrten fahren, stößt man an natürliche Grenzen. Aber dank eines halbierten Blattes transportieren wir nun schneller und günstiger. Windenergie ist eine innovative High-Tech-Branche. Über viele Jahre haben wir investiert in diese Technik. Und GE hat das an einer Stelle in der Welt gemacht: das ist in Salzbergen, in Niedersachsen. Deutschland ist für uns ein wichtiger Markt.

Deshalb muss Sie dieser Einbruch hier doch schmerzen...
Absolut. Wir wollen wachsen, und wir werden wachsen. Wir müssen nur ein paar Probleme lösen, damit dieser Markt hier wieder das an Volumen bringt, was notwendig ist, industriell wie klimapolitisch. Vorausgesetzt, dass die Politik ihre Hausaufgaben macht.

Zahlreiche Energieminister der Länder und Verbände üben massive Kritik an den Plänen des Bundeswirtschaftsministeriums zum Ausbau der Windenergie an Land. Ihre Warnung: Berlin erreiche das Gegenteil.
von Max Haerder

Was sollte die Politik denn Ihrer Meinung nach tun?
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat ein 18-Punkte-Programm aufgelegt. Darin steht genau beschrieben, was passieren muss: etwa eine bessere Koordination von Arten- und Naturschutz, oder die Entfernung zu Drehfunkfeuern europaweit zu harmonisieren und hier nicht auf unglaublich großen Abständen zu bestehen, die es nirgendwo sonst in Europa gibt. Steht alles drin. Da müssen wir gar nichts neu erfinden. Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung gemeinsam mit Ländern jetzt Taten folgen lässt. Nur einen Punkt kritisieren wir: was wir nicht gebrauchen können sind diese krassen Mindestabstände.

Sie sind promovierter Historiker. Eher ungewöhnlich für einen Managerposten eines Technikkonzern, oder?
Die Einordnung ist für mich sehr hilfreich. Der Mensch hat sich in seinen tausenden Jahren mit einer klaren Vorstellung entwickelt: Er hat um sich herum Infrastruktur, Technologie und Know-how geschaffen, mit dem das Leben leichter, erträglicher, länger und gesünder wurde. Das ist eine Pfad-Entwicklung in der Menschheitsgeschichte, die gültig ist, und wir sehen uns genau in der Mitte. Das ist aus der Geschichte abzuleiten, das dreht man nicht so schnell um. Natürlich gibt es Menschen, die ein Problem haben mit Anlagen, mit dem Schattenwurf und dem Rotmilan. Dann müssen wir politische Lösungen finden und in einem demokratischen Rechtsstaat muss das auch möglich sein. Wir sind der Überzeugung: Es gibt einen von Menschen mitverursachten Klimawandel. Und wir müssen technologische Lösungen finden, um das anzugehen. Und hier sind wir!

Da klingt ja doch ein bisschen Wut oder Unverständnis heraus.
Stolz! Und Unverständnis über manche politischen Debatten schon auch.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%