Köln, 15. Juni 2015: Applaus brandet auf, als Richard Baker nach vorn tritt und die Kaufhof-Mitarbeiter mit einem freundlichen „Guten Morgen!“ begrüßt. So also sieht er aus, der neue Hausherr: Zahnpastalächeln, leicht zerzaustes Haar, knallrote Krawatte. Nur die dunklen Ringe unter seinen Augen erzählen von den Nachtsitzungen der vergangenen Tage. Doch nun steht der Deal: Der kanadische Handelsriese Hudson’s Bay Company (HBC), dessen Mehrheitsaktionär Baker ist, übernimmt die deutsche Warenhausikone.
Bis hinaus auf den Flur vor der Kantine der Kölner Kaufhof-Zentrale drängen sich die Mitarbeiter, um zu erfahren, wie es nun weitergeht und was die Kanadier vorhaben. Baker beruhigt: Seit 2006 beobachte er Galeria Kaufhof nun schon, sagt er und fügt hinzu: „We are very careful people.“ Noch bevor die Dolmetscherin übersetzt hat, sind ihm die Lacher sicher. Auch HBC-Vorstandschef Jerry Storch ist vor Ort und verspricht: „Sie sind bei HBC in guten Händen.“
Wohl niemand ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass der Kantinenauftritt nur die Ouvertüre für eine Handelsoperette ist, deren Wendungen das Publikum bis heute in Atem halten. Ein Lehrstück gleichsam, das zeigt, wie schnell aus Aufbruch Abbruch werden kann und auf Erneuerung Ernüchterung folgt. Innerhalb von nur drei Jahren haben strategische Fehler und Managementversagen Kaufhof in einen Sanierungsfall verwandelt – und damit den Boden bereitet für eine Zäsur im deutschen Handel: Für den Zusammenschluss von Kaufhof mit dem Erzrivalen Karstadt. Heute hat das Bundeskartellamt die Fusion genehmigt. Ein Kaufhauskoloss von europaweit 32 000 Mitarbeiter, verteilt auf 243 Filialen entsteht. Ein Bündnis „unter Gleichen“ soll es werden, wenngleich Karstadt die operative Führung übernimmt. Es ist ein rasanter Rollenwechsel.
In den kommenden Tagen entscheidet sich, ob Kaufhof und der Erzrivale Karstadt fusionieren. Ein Bündnis „unter Gleichen“ soll es werden, wenngleich Karstadt die operative Führung übernehmen dürfte. Kommt es so, wäre es ein rasanter Rollenwechsel.
Noch 2015 gilt Kaufhof als Ertragsperle, die weit besser läuft als Karstadt. Kurz nach seiner Ansprache in der Kantine rauscht Baker zur Pressekonferenz ins Marriott, um gemeinsam mit dem Verkäufer, Metro-Chef Olaf Koch, den Neuerwerb zu preisen. Rund 2,8 Milliarden Euro soll die Übernahme kosten. Zusammen mit den 102 Häusern von Kaufhof, 16 Sportarena-Filialen und 16 Warenhäusern der Kaufhof-Tochter Galeria Inno in Belgien wird HBC nach dem endgültigen Abschluss des Geschäfts im Herbst ein Netz von 464 Standorten über Nordamerika und Europa spannen. Der Umsatz soll dann auf neun Milliarden Euro schnellen und alle 21 500 Kaufhof-Angestellten übernommen werden. „Das ist der Start eines aufregenden Abenteuers“, schwärmt Baker, „das richtige Investment zum richtigen Zeitpunkt.“
Wien, 15 Juni 2015: Der Verlierer gibt sich wortkarg. Nur ein paar Zeilen des Bedauerns lässt Karstadt-Eigner René Benko über sein Immobilienunternehmen Signa verschicken: Man habe sich „intensiv und gewissenhaft vorbereitet, um die beiden deutschen Traditionsmarken Kaufhof und Karstadt gemeinsam in eine gute Zukunft zu führen“, heißt es darin. „Dies ist nun nicht mehr möglich.“ Dabei galt Benko lange Zeit als Favorit im Bieterrennen. Es ist eine herbe Niederlage für den erfolgsverwöhnten Unternehmer, den das Wort „schillernd“ nur unzureichend beschreibt.
Benko hat aus dem Nichts ein Imperium geschaffen. Er verfügt über beste Drähte in Wirtschaft und Politik und gilt als hartnäckig bis an die Grenze zur Penetranz. Schon 2011 hatte er sich für Kaufhof interessiert. Als daraus nichts wurde, stieg er bei Karstadt ein. Der Zusammenschluss im zweiten Anlauf sollte nun sein Meisterstück werden. Wohl auch deshalb prescht Benkos Signa nur wenige Tage vor dem endgültigen Abschluss des Kaufhof-Verkaufs an HBC noch einmal vor und bietet dem Metro-Vorstand eine kurzfristige Wiederaufnahme der Gespräche an. Doch auch dieser Versuch scheitert: Benko geht leer aus. Vorerst.
Köln, 1. Oktober 2015: Der Stammsitz mit kaufhofgrüner Fassade, schwerer Messing-Drehtür und Paternostern im Inneren atmet die Tradition des 1879 gegründeten Unternehmens. Nun soll hier eine neue Ära beginnen: Kaufhof geht offiziell in den Besitz der Kanadier über. Zur Feier des Tages hat HBC-Mann Baker den Mitarbeitern neue Kaffeetassen mitgebracht: weiß mit einem grünen, roten, gelben und blauen Streifen darauf. Es sind die Hausfarben von HBC, wo Baker 2008 das Kommando übernahm.
Das ist die Hudson's Bay Company
Die Hudson´s Bay Company ist Kanadas größtes Kaufhaus und gilt als ältestes Unternehmen Nordamerikas. Die Geschichte von HBC begann 1670, als Charles II von England der Company Eigentum über Land und Bodenschätze in Kanada übertrug. Der damals vollständige Name der Unternehmung: „The Governor and Company of Adventurers of England trading into Hudson´s Bay“.
Rund 200 Jahre kontrollierte HBC vor allem den lukrativen Handel mit Pelzen, dann kaufte Kanada der Gesellschaft die Rechte wieder ab. HBC änderte daraufhin die Ausrichtung, stieg in den Großhandel ein und versorgte Siedler. Auch in der Schifffahrt und im Handel mit Öl und Gas war HBC tätig, bevor sich die Gesellschaft in den 1990er Jahren wieder auf den klassischen Einzelhandel konzentrierte.
Die Hudson’s Bay Company fokussierte sich stets auf Aktivitäten in Kanada und Nordamerika - bis 1970 war ihr Sitz aber London.
Die Historie der HBC ist derart eng mit der Kanadas verknüpft, dass seine Chefs bis heute Gouverneure heißen. Heute hat diesen Posten der US-Amerikaner Richard Baker inne, der das Unternehmen 2008 erwarb. Baker gilt als strategischer und ehrgeiziger Konzernlenker
Schon vor der HBC-Übernahme hatte Baker 2006 amerikanisch Traditionskaufhauskette Lord & Taylor für knapp eine Milliarde Euro gekauft und das Geschäft durch Beleihung der Immobilien finanziert. Auch den vollständigen Kauf der Hudson’s Bay Company im Jahr 2008 finanzierte Baker hauptsächlich durch Schulden. Für rund 2,2 Milliarden Euro kaufte HBC 2013 schließlich die amerikanische Nobelkette Saks Fifth Avenue und deren Ableger OFF 5th. Erneut die entscheidende Geldquelle: beliehene Immobilien. 2015 machte der Konzern klar, in Zukunft auch außerhalb des nordamerikanischen Marktes wachsen zu wollen - durch Zukäufe wie Kaufhof. Neuestes Projekt ist die Einführung der Discount-Luxuskette Saks Off 5th in Deutschland.
Neben der namensgebenden Hudson’s Bay Company gehören zum HBC-Imperium eine ganze Reihe von Handelsunternehmen in Nordamerika. In Kanada ist es die Einrichtungshauskette Home Outfitters. In den USA hat HBC das Luxuskaufhaus Lord & Taylor, die Edelkaufhauskette Saks Fifth Avenue und deren Discount-Designer-Ableger Saks Fifth Avenue OFF 5th übernommen.
Als starkes Rückgrat der Hudson’s Bay Company gelten die Warenhausimmobilien im Besitz des Konzerns. Ihr Wert wird auf etwa 9,6 Milliarden kanadische Dollar geschätzt, rund 6,7 Milliarden Euro. Allein der Saks Fifth Avenue Flagship Store in New York soll mehr als drei Milliarden Euro wert sein.
Mit Saks Fifth Avenue, der Kernmarke Hudson's Bay, der Modekette Lord & Taylor und dem Haushaltswarenhändler Home Outfitters machte HBC zuletzt einen Umsatz von gut neun Milliarden Euro und rund 420 Millionen Euro Gewinn.
Der erste Laden der amerikanischen Luxux-Kaufhauskette wurde 1924 von Horace Saks zusammen mit einer Geschäftspartner auf der New Yorker 5th Avenue eröffnet. 1992 gründete das Unternehmen sein erstes Outletgeschäft in Pennsylvania. Als 1995 weitere Läden eröffnet werden sollten, wurde das Geschäft in Saks Off 5th umbenannt. 2013 übernahm HBC das Unternehmen. Im Jahr 2016 gab es weltweit 41 Fililalen von Saks Fifth Avenue und 117 von Saks Off 5th.
Unter einem Dach versammelte er ein milliardenschweres Kaufhauskonglomerat: Neben der Kernmarke Hudson’s Bay gehören Lord & Taylor und die Luxuskaufhauskette Saks Fith Avenue samt Outlet-Ableger Saks Off 5th dazu. Nun auch Kaufhof. Die Übernahme finanziert er über einen gewagten wie komplexen Deal. Zahlreiche Warenhausimmobilien reicht Baker an eine Gesellschaft weiter, an der HBC die Mehrheit hält. Gleichzeitig werden für diese Häuser neue Verträge abgeschlossen, die Jahr für Jahr höhere Mieten vorsehen. Der Wert der Häuser, der sich an den Mieteinnahmen bemisst, steigt so in den Büchern. Doch kann Kaufhof die hohen Mieten auch erwirtschaften?