Impfprämien von Arbeitgebern Doppelt geimpft? Der Chef belohnt es

Mehr Menschen sollen zur Impfung bewegt werden. Einzelne Unternehmen setzen auch auf finanzielle Impfanreize. Quelle: imago images

Die ersten Mittelständler setzen im Kampf gegen Corona auf finanzielle Motivationshilfen für ihre Mitarbeiter – während die meisten großen Konzerne noch immer keine Impfprämien zahlen. Lohnt die Zuckerbrot-Strategie?

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Zweimal 500.000 Dollar, sechsmal 100.000 Dollar, Autos und Urlaubsreisen können Amazon-Mitarbeiter gewinnen, wenn sie sich gegen das Coronavirus impfen lassen. „Max your Vax“ lautet der Name der Kampagne, mit der Amazon deutlich mehr Mitarbeiter zu einem besseren Ansteckungsschutz motivieren will, berichtete jüngst die Nachrichtenagentur Bloomberg. Schon zuvor lockte der Onlinehändler mit 80 Dollar Impfprämie. Ein Vorbild für Deutschland?

Schließlich steigt durch die Deltavariante auch hierzulande wieder die Zahl der Infizierten, Experten warnen vor der nächsten Pandemiewelle. Die Politik reagiert mit Werbeaktionen und mehr Druck auf Ungeimpfte. So planen viele Bundesländer, bald keine Entschädigung für Verdienstausfälle mehr zu zahlen, wenn Ungeimpfte in Quarantäne müssen. Finanzielle Impfanreize scheinen dagegen keine Rolle zu spielen. Anders als in den USA verzichten in Deutschland auch große Unternehmen auf Prämien und Boni, um ihre Mitarbeiter zum Impfen zu bewegen. Dabei zeigen einzelne Mittelständler, dass die „Zuckerbrot“-Strategie beim Impfen womöglich weitaus besser funktioniert als die Kosten-„Peitsche“.

So zahlt der Essighersteller Speyer & Grund, dessen bekanntestes Produkt Essig-Essenz unter dem Markennamen Surig vertrieben wird, allen Mitarbeitern, die sich bis Ende September doppelt haben impfen lassen, einen Bonus von 200 Euro. Der Großteil der Beschäftigten freue sich über das Impfangebot, sagt Geschäftsführer Oliver Sladek. „Einige haben ihre Impfung durch den Bonus vorgezogen oder ihn als letzten Impuls genutzt sich aktiv um einen Termin zu bemühen“, so Sladek. „Andere haben sich bereits impfen lassen – sie erhalten ebenfalls den Bonus.“ Wer sich gegen eine Impfung entscheide, „hat seine individuellen Gründe, die wir respektieren“, sagt Sladek. Gleichwohl würden aber auch die verbleibenden ungeimpften Mitarbeiter von einer hohen Impfquote im Unternehmen profitieren. Mit dem bisherigen Ablauf zeigt sich Sladek zufrieden. „Uns war es wichtig intern keine unnötigen bürokratischen Hürden aufzubauen“, sagt der Geschäftsführer. Aber dem Betrieb würden nur rund 100 Mitarbeiter angehören, daher sei „der Organisationsaufwand überschaubar“.

Die Zahl der Unternehmen, die mit ähnlichen Aktionen vorpreschen, bleibt trotz solch positiver Erfahrungen bislang gering. Auch Branchenschwerpunkte sind kaum auszumachen. So hat sich das Familienunternehmen Beckhoff Automation, ein Hersteller von Automatisierungstechnik mit Sitz im ostwestfälischen Verl, entschieden, Mitarbeitern eine Impfprämie von 150 Euro zu zahlen. Der Mittelständler Pro-Micron, eine Firma für digitale Sensorsysteme in Kaufbeuren, will impfwilligen Beschäftigten einmalig 250 Euro zahlen. Bei Edeka Nord gibt es immerhin einen Einkaufsgutschein im Wert von 50 Euro. Das Angebot gelte grundsätzlich für alle Mitarbeiter, der eine Zweitimpfung erhalten haben, teilt eine Sprecherin mit. „Wir möchten damit unserer Fürsorgepflicht als Arbeitgeber nachkommen und die Impfstrategie des Landes unterstützen“, begründet sie den Schritt. Die Reaktionen der Beschäftigten „fallen sehr positiv aus“. Allerdings ist auch hier die Zahl der Mitarbeiter vergleichsweise überschaubar: Das Gutscheinangebot richtet sich ausschließlich an die rund 4500 Beschäftigten der Großhandlung von Edeka Nord, nicht aber an die Mitarbeiter der selbstständigen Kaufleute in den Märkten und auch nicht an die zigtausenden Edeka-Beschäftigten in den übrigen Regionen.

Auch Handelsunternehmen, die ihren impfwilligen Mitarbeitern in den USA explizit finanzielle Anreize bieten, zeigen sich in Deutschland zurückhaltend. Bestes Beispiel: Amazon. Eine Prämie oder sogar ein großangelegte Impflotterie wie in den USA wird es hierzulande nicht geben. „Die angesprochenen Incentives nutzen wir nicht in Deutschland“, teilt ein Amazon-Sprecher mit, verweist aber darauf, den Mitarbeitern „ein freiwilliges Impfangebot“ zu unterbreiten. Man informiere die Beschäftigten über die Vorteile der Impfung, diese würde zudem während der bezahlten Arbeitszeit durchgeführt.

Burger statt Bonus

Ganz ähnlich klingen auch andere Firmen, die in den USA durchaus mit monetären Vorteilen für die Impfung werben. Der Discounter Aldi etwa zahlt in den USA zwei Stundenlöhne je Impfung. Die Fast-Food-Kette McDonald’s ist mit vier Stundenlöhnen dabei. Und Lidl belohnt seine US-Angestellten mit 200 Dollar. Der Betrag soll helfen, die Kosten der Mitarbeiter im Zusammenhang mit der Impfung gegen das Coronavirus auszugleichen, einschließlich Reisekosten und Kinderbetreuung, begründete das Unternehmen den Schritt.



Und in Deutschland? Aldi Nord und Süd berichten zwar über Impfangebote der eigenen Betriebsärzte und stellen Parkplätze für mobile Impfbusse bereit. Aber: „Weitere Aktionen sind zum aktuellen Zeitpunkt nicht geplant.“ Auch bei McDonalds gibt’s kein Geld. Dafür aber „verschiedensprachige Materialien“ für die Mitarbeiter, teils seien zudem mobile Impfteams an Restaurantstandorten im Einsatz. Auch die Schwarz-Gruppe, Muttergesellschaft von Lidl und Kaufland, verzichtet auf finanzielle Anreize. Offizielle Begründung: „Uns ist es wichtig, dass jeder Einzelne die Entscheidung, sich impfen zu lassen, freiwillig für sich persönlich trifft.“ Aber würden Motivationshilfen für Unentschlossene die Wahlfreiheit tatsächlich einschränken?

Das Ifo-Institut schätzt den sozialen Wert pro Impfung auf immerhin rund 1500 Euro. Und gerade für die Handelsbranche könnte sich der Einsatz lohnen. Schließlich ist der Handel mit mehr als drei Millionen Beschäftigten eines der personalintensivsten Wirtschaftssegmente in Deutschland. Die meisten Mitarbeiter haben zudem direkten Kundenkontakt, sind somit einem höheren Infektionsrisiko als andere Berufsgruppen ausgesetzt. Zugleich drohen vor allem Nonfood-Händlern im Fall neuer Kontaktbeschränkungen erhebliche Einbußen. „Die Handelsunternehmen haben ein großes Eigeninteresse an der Gesundheit und an einem hohen Impfschutz ihrer Mitarbeiter und Kunden“, heißt es denn auch beim Handelsverband Deutschland (HDE). Die großen Handelsunternehmen würden ihren Beschäftigten Impfungen regelmäßig durch eigene Betriebsärzte oder durch überbetriebliche Betriebsarztdienste anbieten und aktiv bewerben.

Allerdings stößt dies mit fortschreitender Impfquote an Grenzen. „Um eine gezielte Ansprache der ungeimpften Mitarbeiter zu ermöglichen, wäre deshalb ein allgemeines Fragerecht der Arbeitgeber besonders hilfreich“, argumentiert der HDE.

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Unabhängig von Anreizen für die eigene Belegschaft nutzen Unternehmen ‚Impfprämien‘ indes verstärkt als Marketinginstrument. So warb die Burger-Kette Peter Pane im August für ihr „Im-Menü-Sierungs“-Angebot. Gegen Vorlage des Impfpasses erhielten Gäste in den Restaurants einmalig ein kostenfreies Burger-Menü. Der Glücksspielanbieter Lotto24 verschenkt derweil noch bis Ende September zwei Millionen Lotterie-Lose an Corona-Geimpfte. Der mögliche Hauptgewinn: 250.000 Euro plus zusätzlich weitere 5000 Euro pro Monat für 15 Jahre. Das klingt schon fast wie bei Amazon.

Mehr zum Thema: Die Behandlungskosten für schwere Coronafälle sind hoch. Doch statt mit einer Impfpflicht zu drohen, gibt es mildere Mittel – so zeigt ein Feldversuch, wie bezirzend Behördenschreiben sein können.

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