Es ist das beste Ergebnis, das bei der verkorksten Ausgangskonstellation möglich war: Im Ringen um die Zukunft der dauerdefizitären Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann gewährt Eigentümer Karl-Erivan Haub mehr Zeit.
Eigentlich wollte er bereits diesen Freitag die Reißleine ziehen und das Unternehmen zerschlagen, nachdem sich der geplante Verkauf an Edeka wegen rechtlicher Schritte der Konkurrenten Rewe, Markant und Norma noch über Jahre hinziehen könnte. Doch bei einem Krisengipfel am vergangenen Abend in Frankfurt verständigten sich die Beteiligten darauf, einen Einigungsversuch zu starten. Ziel sei es, „eine für alle Beteiligten und die Beschäftigten von Kaiser's Tengelmann tragfähige, gemeinsame Lösung zu finden", teilten die Handelsgranden im Anschluss mit.
Zwei Wochen bleiben nun, um eine Lösung auszuhandeln, verkündete Haub heute nach einer Sitzung des Aufsichtsrats seiner Supermarktkette. Er hat die Frist wohl mit Bedacht gewählt: Am 7. Oktober 2016 – exakt zwei Jahre, nachdem er den Verkauf von Kaiser’s Tengelmann an Edeka bekannt gegeben hatte – will er die finale Entscheidung darüber verkünden, ob die Kette doch noch im Stück den Besitzer wechseln kann, oder fachgerecht filetiert und in einzelne Teile zerlegt wird.
Die 15.000 Beschäftigten dürften nun kurz aufatmen. Zumindest ist die sofortige Zerschlagung vom Tisch, es gibt wieder einen Funken Hoffnung. Doch für weitergehenden Jubel gibt es keinen Anlass. Der Zeitplan ist noch immer sportlich und zugleich ist völlig offen, wie eine Einigung im Detail aussehen könnte. Klar ist nur: Die Idee von Tengelmann-Patron Haub, die Kette im Handstreich an Edeka zu verkaufen und den Deal politisch per Ministererlaubnis durchzupauken, ist gründlich gescheitert.
Fast zwei Jahre hatten Mosa und Haub Zeit, sich mit den Wettbewerbern an einen Tisch zu setzen und zu verhandeln. Spätestens als das Bundeskartellamt den Deal im Frühjahr 2015 untersagte, wäre es an der Zeit gewesen auf Kompromisskurs zu gehen. Passiert ist nichts. „Leider war trotz mehrmaliger Versuche der Kontaktaufnahme bei Tengelmann niemand im Stande, mit uns über diese Thematik zu sprechen“, heißt es etwa bei Norma. Nun soll eine Einigung innerhalb von zwei Wochen gelingen?
Das ist Kaiser's Tengelmann
Verglichen mit Edeka oder Rewe ist die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann ein Zwerg. Sie betrieb Ende 2015 noch 446 Filialen in Deutschland und erwirtschaftete mit knapp 15 300 Mitarbeitern einen Nettoumsatz von 1,78 Milliarden Euro.
Quelle:dpa
Einst bundesweit vertreten, finden sich die Filialen heute nur noch im Großraum Berlin, in München und Oberbayern sowie in Teilen Nordrhein-Westfalens. Die meisten Geschäfte - insgesamt 188 - gab es zum Jahresanfang noch in München und Oberbayern. Im Großraum Berlin betrieb die Kette weitere 133 Supermärkte, 125 Filialen lagen im Rheinland. Aktuell dürften es allerdings schon wieder einige weniger sein. Denn die Geschäftsführung geht davon aus, dass zum Ende des Jahres nur noch 405 Filialen vorhanden sein werden.
Das Familienunternehmen kann auf eine lange Geschichte zurückblicken, die bis ins Jahr 1876 zurückreicht. Damit ist Kaiser's Tengelmann nach eigenen Angaben das älteste Lebensmittel-Handelsunternehmen Deutschlands. Doch summierten sich die Verluste seit der Jahrtausendwende auf mehr als 500 Millionen Euro.
Die Gespräche dürften nicht nur atmosphärisch schwierig werden, auch die vorhandenen Optionen sind überschaubar. Denn dass Rewe, Norma und Markant ohne Gegenleistung ihre Klagen gegen die Ministererlaubnis zurückziehen und damit den Weg für die Komplettübernahme aller Kaiser’s-Tengelmann-Filialen frei machen, ist weltfremd. Im Kern dürfte es jetzt um die Frage gehen, welche Kompensationen die Kläger fordern, um ihre juristischen Manöver zu stoppen.
Geldzahlungen? Unwahrscheinlich. Zumindest Rewe dürfte kaum Interesse daran haben, die ohnehin prall gefüllte Konzernkasse weiter zu füllen.
Filialen? Tatsächlich dürften eher einzelne Standortpakete etwa in München und Berlin für die Kläger interessant sein. Nur ob die sich unter den Bedingungen der Ministererlaubnis herauslösen ließen, ohne Auflagen und Bedingungen zu verletzen, ist offen.
Noch wichtiger: Für Edeka dürfte inzwischen ein Punkt erreicht sein, ab dem die Übernahme wirtschaftlich keinen Sinn mehr macht. Die Auflagen sind ohnehin happig, die Basis murrt bereits vernehmlich. Kommen jetzt noch kostspielige Zugeständnisse an Konkurrenten dazu, könnte sich die Komplettübernahme als zu riskantes Abenteuer erweisen.
Noch ist für die 15.000 Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann wenig gewonnen. Vor ihnen liegen weitere zwei Wochen Ungewissheit.