Starbucks-Deutschland-Chef Kai Bordel „Keine Papierbecher mehr? Das wäre großartig.“

Starbucks-Deutschland-Chef Kai Bordel: „Der deutsche Gast hat die 5-Cent-Strafe schnell verinnerlicht“ Quelle: Starbucks

Seit Januar verlangt Starbucks hierzulande fünf Cent zusätzlich für Kaffee im Einwegbecher. Was bringt das? Und reicht es, um sich abzuheben von der wachsenden Konkurrenz? Fragen an Starbucks-Deutschland-Chef Kai Bordel.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Starbucks-Filiale in der Münchener Leopoldstraße im Stadtbezirk Schwabing-Freimann ist sehr voll an diesem Mittwochnachmittag: Studenten haben Tische belagert mit Rechnern und dicken Büchern, andere nehmen Videos von sich auf mit ihren Telefonen. Ständig rufen die Baristas irgendwelche „Caffè Latte“- oder „Flat White“-Bestellungen durch den Raum. Nur ein kleiner Tisch ist noch frei, der ist reserviert für Kai Bordel (53).

Vor rund zwei Jahren, erzählt er, habe er auch genau hier gesessen und mit Verantwortlichen der Firma Amrest verhandelt. Amrest mit Sitz in Breslau ist einer der größten europäischen Restaurantketten-Betreiber und unter anderem Lizenznehmer für Starbucks in Deutschland.

Die Gespräche damals sind offenbar gut verlaufen: Denn seit Mai 2018 führt Kai Bordel für Amrest das Deutschlandgeschäft von Starbucks mit derzeit 145 Filialen und rund 2500 Mitarbeitern. Die Deutschland-Zentrale betreibt Amrest ebenfalls in München. Bordel stammt aus Bochum, wo er auch Teile seines Wirtschaftsstudiums absolvierte. Bevor er ins Kaffeegeschäft wechselte, war Bordel Modemanager. Er arbeitete 15 Jahre für Nike, zuletzt als Europa-Vertriebschef. Zwischen Nike und Starbucks folgten zwei kurze Stationen: bei der niederländischen Jeansmarke G-Star und der niedersächsischen Mittelklassemodefirma CBR-Fashion („Cecil“).

Von der Mode- zur Kaffeeindustrie: Der langjährige Nike-Manager Kai Bordel führt seit Mai 2018 das Deutschlandgeschäft von Starbucks. Quelle: Starbucks

WirtschaftsWoche: Herr Bordel, seit Anfang Januar verlangt Starbucks in Deutschland fünf Cent Aufpreis für Getränke im Einwegbecher, die an den WWF gespendet werden. Eigentlich wollen Sie damit ja erreichen, dass mehr Gäste ihren eigenen Becher mitbringen oder aber die Starbucks-Mehrwegbecher kaufen und nutzen. Und, klappt’s?
Kai Bordel: Es gibt sogar noch eine dritte Optionen: Dass der Kunde unsere Lokalität nutzt, um aus der Porzellantasse zu trinken. Und ja, das klappt sehr gut! Wir haben eine Methode, das zu messen: Kunden, die ihren Becher mitbringen oder ihr Getränk in unserem Mehrwegbecher trinken, bekommen 30 Cent Rabatt auf jedes Getränk.

Und wie hat sich die Nutzung dieses Rabattes entwickelt?
Seit Januar, also seit der deutschlandweiten Einführung der 5-Cent-Gebühr auf Einmalbecher, hat sich die Zahl der rabattierten Getränke verdoppelt. Das hat zur notwendigen Bedingung, dass die Leute weniger Pappbecher nutzen. Das haben wir so nicht erwartet.

Aber diesen Rabatt geben sie schon länger.
Ja, seit wir 2002 nach Deutschland gekommen sind. Aber das Bewusstsein dieses Rabattes ist jetzt geschärft worden. Viele Leute haben uns gesagt, fünf Cent sei viel zu defensiv, das sei nicht genug Bestrafung. Aber wir sehen das nicht so. Uns geht es um eine Bewusstseinsschaffung. Und das klappt ja. Der deutsche Gast hat offensichtlich diese 5-Cent-Strafe relativ schnell verinnerlicht.

Ist auch denkbar, dass Starbucks irgendwann mal ganz auf Pappbecher verzichtet? Das wäre doch ein starkes Signal, wenn der Kaffeeketten-Marktführer den Pappbecher abschafft.
Das kann man als Vision formulieren, ohne dem Ganzen einen Zeitraum zu geben. Wir haben das so explizit nicht formuliert. Wir wollen unserer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden, den Papierbecherkonsum stark zu reduzieren und das Bewusstsein zu schärfen. Ob das dann darin mündet, dass irgendwann mal niemand mehr auf die Idee kommt, einen Papierbecher haben zu wollen, weil jeder seinen Becher in der Tasche hat – das wäre natürlich großartig. Aber wir wollen zuerst unseren Gast glücklich machen, und wenn unser Gast spontan einen Kaffee mitnehmen will, dann soll er diese Möglichkeit haben.

Die Deutschen verbrauchen jährlich 2,8 Milliarden Einwegbecher – eine gigantische Menge Müll. Wie lässt sich der Abfall am besten reduzieren: durch Verteuerung, mitgebrachte Kaffeetassen oder ein Becherpfand-System?
von Stephan Knieps

Starbucks hat zusammen mit McDonald’s die „Nextgen Cup Challenge“ initiiert, einen Wettbewerb zur Vermeidung von Bechermüll. Anfang 2019 hat Starbucks die Gewinner bekannt gegeben. Darunter war mit dem Becherpfand-Startup Recup auch ein deutscher Vertreter. Wann nimmt Starbucks an einem der Systeme für Pfand-Mehrwegbecher teil?
Das ist ein fortlaufender Prozess. Nextgen ist eine globale Initiative, die von der Starbucks-Zentrale in Seattle getrieben wird. 

Die Idee eines Pfandsystems ist ja eine andere, als die, selbst seinen Becher mitzubringen. Welche Idee favorisieren Sie?
Wenn ich die Möglichkeit habe, mir einen Becher in meinem Lieblingsrestaurant mit dem entsprechenden Branding anzuschaffen, also zum Beispiel Starbucks, dann bieten wir eine Option dafür. Eine Alternative dazu ist natürlich ein Pfandsystem. Wichtig ist die Umweltbilanz – das ist das, was für mich zählt.  

Der Charme eines Becherpfandsystems besteht ja darin, dass möglichst viele Restaurants und Ketten daran teilnehmen, dass man die Becher also an verschiedenen Stellen wieder zurückgeben kann. Also einen Becher bei Starbucks holen und ihn zum Beispiel bei McDonald’s wieder abgeben können.
Der Gast muss im Fokus stehen. Und wenn der Gast sagt, ich habe kein Interesse daran, zu viele Mehrwegbecher zu Hause zu haben, ich nehme lieber an einem Pfandsystem teil, dann ist das natürlich auch in Ordnung.

In einem Brief kündigte Starbucks-Chef Kevin Johnson Ende Januar neue Umwelt-Verpflichtungen an, die das Unternehmen bis 2030 erfüllt haben will. Unter anderem: keine Einwegverpackungen mehr. Gibt es dazu konkrete Handlungsanweisungen aus den USA – oder darf jedes Land seine eigenen Strategien ausprobieren?
Das ist eine globale Agenda – und wenn solch eine Agenda ausgeschrieben wird, ist das für uns in Deutschland ein Imperativ, dieser Agenda zu folgen – im Rahmen der nationalen Gegebenheiten.

In Japan, Indonesien und Thailand etwa verbietet Starbucks seit diesem Jahr Plastikstrohhalme.
Selbstverständlich werden wir das auch tun.

Aber noch gibt es Plastikstrohhalme in den deutschen Starbucks-Filialen.
Ja, noch. Aber wir sind gerade in dieser Phase-out-Periode. Wir werden sie sehr bald ersetzen und eine Alternative zum Plastikstrohhalm anbieten.

Nun kooperieren Sie in den Filialen in Berlin, Hamburg, München und Köln mit dem dänischen Start-up „Too good to go“, um Lebensmittelverschwendung entgegen zu wirken. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Durch ein Treffen vor eineinhalb Jahren in Berlin. Damals gab es schon ein Starbucks-Land, das mit „Too good to go“ kooperierte: Norwegen. Wir fanden die Idee gut. Wir sind in Berlin gestartet und werden die Kooperation jetzt in zwei Wellen bis zum Ende des ersten Quartals auf 68 Filialen in sieben Städten ausrollen.

Existiert die „Too good to go“-Kooperation auch in anderen Ländern?
In Polen haben wir jetzt angefangen. Wir begreifen uns als Vorreiter.

Wie will Starbucks sich abheben von Tchibo, Balzac und Co?

Starbucks hat in den vergangenen Jahren enorm Konkurrenz bekommen, gerade in Deutschland: Die Ketten Coffee Fellows und Balzac Coffee expandieren. Die deutsche Milliardärsfamilie Reimann hat mit „Pret-a-Manger“ und „Peet’s Coffee“ ebenfalls Kaffeekompetenz im Programm und auch Tchibo betreibt rund 620 Filialen. Mit anderen Worten: Der Markt ist voll, oder?
Nein, der Markt ist nicht voll. Das könnte man meinen. Aber der Kaffeemarkt wächst in Deutschland jährlich um zwei Prozent – über die nächsten fünf Jahre. Heute ist er rund 20 Milliarden Euro groß. Der sogenannte Out-of-home-Anteil macht Dreiviertel davon aus – und dieser Teil wächst sogar überdurchschnittlich. Da ist also noch eine Menge Platz. Aber es geht natürlich auch darum, Marktanteile zu erwerben, gar keine Frage. Und da sind wir gut aufgestellt.

Wie wollen Sie sich abheben von den Wettbewerbern?
Unter anderem durch die angesprochenen Themen: unserer gesellschaftlichen Verantwortung nachzukommen – Nachhaltigkeit.

Dass Marken über Jahre ihre Beliebtheit und Kundenzahlen konstant hochhalten, ist keine Selbstverständlichkeit. Die Kaffee- und Teemarken in Deutschland schaffen das. Neue Marken haben es deshalb besonders schwer.
von Philipp Schneider

Aber Nachhaltigkeit machen doch alle.
Ist das so? Na, dann sage ich: Wir machen es eben besser als die anderen.

Sie betreiben aktuell 145 Filialen. Das waren vor wenigen Jahren noch ein paar mehr. Warum ist die Anzahl der Filialen rückläufig?
Als Amrest das Deutschlandgeschäft von Starbucks übernommen hat, gab es eine Konsolidierungsphase. Wir haben aber seit zwei Jahren eine positive Netto-Expansion. Das heißt, seit zwei Jahren eröffnen wir mehr Stores als wir schließen. Vergangenes Jahr haben wir zwölf Filialen aufgemacht und sechs geschlossen. Im Jahr davor haben wir ein paar mehr geschlossen und genausviele eröffnet. Und es gibt daneben noch 19 Filialen, die von sogenannten Channel-Lizenznehmern gemanagt werden, die nicht zu Amrest gehören. Die sind meist an Flughäfen oder Hauptbahnhöfen. Amrest hat 90 Prozent der Starbucks-Filialen in Deutschland.

Wie viele Filialen werden Sie in diesem Jahr neu eröffnen?
Unser Ziel für 2020 ist es, mehr Stores aufzumachen als in 2019. Also mehr als zwölf.

Und wo?
Es gibt immer noch viele Orte, an denen der Zugriff zur Marke relativ weit weg ist.

Zum Beispiel?
In Augsburg und Ulm etwa haben wir erst Ende 2018 unsere ersten Filialen eröffnet. Wir sehen also nach wie vor noch genug Städte mit bedeutender Einwohnerzahl, wo wir den ersten Store aufmachen können. Daneben schauen wir auf die Großstädte wie Berlin, München, Hamburg. Dort gibt es genug Platz, um in kommerziellen Standorten weitere Stores zu eröffnen.

Vergangene Woche hat Tübingen als erste Kommune bundesweit beschlossen, Einwegbecher mit 50 Cent zu besteuern. In Tübingen gibt es noch keine Starbucks-Filiale. Wird eine Neueröffnung durch die Steuer nun unwahrscheinlicher?
Wenn Tübingen den für uns relevanten Kriterien entspricht – also: Wir haben dort noch keinen Starbucks, aber es gibt ein Publikum, das sich einen Starbucks wünschen würde – dann würden wir den dort auch aufmachen – unabhängig von dieser gesetzlichen Regelung. Das wäre für uns kein Knock-out-Kriterium. Ich habe ja selbst in Tübingen studiert. Dort ist ein junges, internationales Publikum.

Der niederländische Lieferdienst Takeaway übernimmt seinen britischen Rivalen. Vorausgegangen war eine lange Bieterschlacht mit dem Investor Prosus.

In Großbritannien, Starbucks wichtigstem europäischen Markt, hat Starbucks im September seinen Kaffee-Lieferservice in Kooperation mit Uber Eats ausgeweitet, wie in den USA bereits seit 2018. In Deutschland operiert Uber Eats bisher nicht. Wann kommt ein Starbucks-Lieferservice nach Deutschland?
Es gibt eine globale Kooperation mit Uber Eats. Aber wie Sie sagen, Uber Eats operiert ja in Deutschland noch nicht. Deshalb können wir konkret diese Kooperation bei uns nicht exekutieren. Aber wir beschäftigen uns trotzdem mit dem Lieferservice. Nun macht die Natur unserer Getränke, also vor allem Kaffee, diesen Liefergedanken nicht unbedingt einfacher: Die Qualität des Produktes muss gewährleistet sein. Die äußert sich unter anderem darin, ob das Getränk noch heiß ist, wenn ich es bekomme. Aber ich kann sagen: Wir beschäftigen uns mit der Frage, ob und mit welchem Partner wir einen Lieferservice in Deutschland umsetzen könnten.

Steht dieser Liefer-Service nicht im Widerspruch zu Ihrem Wunsch, Einmalbecher und Einmalteller zu reduzieren? Denn wer sich etwas liefern lässt, kann ja schlecht seinen eigenen Becher benutzen, sondern muss einen Einmalbecher nehmen.
Stimmt. Da besteht ein potenzieller Zielkonflikt. Wir haben es ja auch noch nicht gestartet. Dieser Nachhaltigkeitsgedanke spielt auch eine Rolle, bevor man sich dazu entscheidet.

Vergangenes Jahr sprachen Sie davon, womöglich bald auch Sushi in Starbucks-Filialen zu verkaufen, weil Amrest die Kette Sushi-Shop gekauft hatte. Was ist daraus geworden?
Daraus ist noch gar nichts geworden. Ich sprach nur von möglichen Verbundeffekten, die man sich in irgendeiner Weise zu nutze machen könnte ohne der Identität der Marke Starbucks zu schaden. Den Verkauf von Sushi in Starbucks würden wir nicht komplett ablehnen. Aber diese Idee hat so konkret nicht existiert, es war nur ein Beispiel für mögliche Verbundeffekte innerhalb des Konzerns Amrest.

Den Länderumsatz veröffentlichen Sie ja nicht. Die Branche schätzt, er liegt zwischen 125 und 130 Millionen Euro.
Wir veröffentlichen nicht. Aber: nicht schlecht geschätzt.

Und, zuversichtlich, dass Sie den Umsatz steigern in diesem Jahr?
Da bin ich extrem zuversichtlich.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%