In der Werkhalle sind nur noch wenige Arbeiter. Ruhig ist es deshalb aber nicht, die Produktion läuft auf Hochtouren – mit intelligenten Maschinen. Alles in der Fabrik ist vernetzt, überall in der Produktion werden Daten gesammelt. Der Computer weiß stets, wo sich welches Werkstück in welchem Zustand befindet. So kann er die Prozesse kontinuierlich optimieren.
Es klingt nach dem Traum vieler deutscher Industriemanager. Die intelligente Fabrik, die sich selbst organisiert und optimiert. Gelebte Industrie 4.0. Es gibt nur einen Haken: Das beschriebene Werk steht nicht in Deutschland, nicht einmal in Europa. Es ist die Halle 18 von Sany im zentralchinesischen Changsha. Chinas größter Maschinenbauer stellt hier Asphaltiermaschinen und Betonmischer her.
Die fünf großen Gefahren für Chinas Wirtschaftswachstum
Seit Jahren schießen die Immobilienpreise in Chinas Großstädten in ungeahnte Höhen - seit Monaten mehren sich jedoch Zeichen für einen Kollaps.
Neben den trägen Staatsbanken hat sich in China ein großer Markt von nicht-registrierten Geldinstituten etabliert, die der Staat bislang nicht kontrollieren kann.
Banken haben ohne genaue Prüfung Firmen immense Kredite für unproduktive und verschwenderische Investitionen gegeben.
Mit Subventionen der Regierung haben viele Branchen gewaltige Überkapazitäten aufgebaut, beispielsweise die Solarindustrie. Aber sie werden ihre Produkte nicht los.
Chinas Wirtschaft hängt vom Export ab. Geraten wichtige Abnehmerländer in Krisen, hat auch China Probleme.
Sany ist nicht das einzige Unternehmen mit einer hochmodernen Fertigung: China treibt den Umbau der Wirtschaft mit einer Modernisierungsoffensive voran. Binnen zehn Jahren soll sich das Land von einem Billigproduzenten zu einem High-Tech-Standort wandeln – so will es die jüngst vorgestellte „Made in China 2025“-Kampagne der Regierung. So sollen künftig etwa Raumfahrt, Mobilfunk, Datenverarbeitung, Internethandel, Biotechnologie, erneuerbare Energien und der Bau von Hochgeschwindigkeitszügen verstärkt gefördert werden.
Züge bald aus China?
Die Kampagne ist eine Kampfansage an die westlichen Industriemächte. „China wird häufig unterschätzt“, sagt Jost Wübbeke vom Mercator Institute for China Studies (Merics). „In der Breite gibt es zwar noch eine große Lücke in der Produktionstechnologie, große Unternehmen investieren aber stark in fortschrittliche Fabriken und Maschinen.
Wie das aussehen kann, zeigt unter anderem die Zugbranche. Auf Druck der Regierung fusionieren die beiden chinesischen Bahnkonzerne CNR und CSR zu einem Gemeinschaftsunternehmen mit 170.000 Mitarbeitern. Die beiden Firmen – einst aus der Aufspaltung des Staatsmonopolisten hervorgegangen, um den Wettbewerb zu befeuern – sollen die Grabenkämpfe überwinden und ihre Kräfte bündeln, um auf dem Weltmarkt anzugreifen.
GE, Siemens, Alstom & Konkurrenz im Vergleich
Umsatz: 110 Milliarden Euro
Nettoergebnis: 9,8 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 307 000
Umsatz: 75,9 Milliarden Euro
Nettoergebnis: 4,3 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 367 000
Umsatz: 20,3 Milliarden Euro
Nettoergebnis: 802 Millionen Euro
Mitarbeiter: 93 500
Umsatz: 54,6 Milliarden Euro
Nettoergebnis: 730 Millionen Euro
Mitarbeiter: 54 600
Umsatz: 31,5 Milliarden Euro
Nettoergebnis: 2,2 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 31 500
Umsatz: 23,3 Milliarden Euro
Nettoergebnis: 1,2 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 23 300
Die Deutsche Bahn bezieht seit Jahren ihre Züge von Siemens, Alstom oder Bombardier aus Kanada. Künftig, so ließ das Unternehmen kürzlich wissen, wolle man Züge und Ersatzteile in China kaufen. „In drei bis fünf Jahren kann Asien und speziell China eine Schlüsselfunktion im Einkauf für die Deutsche Bahn erlangen“, sagte Vorstandsmitglied Heike Hanagarth der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Dazu will der Konzern im Herbst ein Einkaufsbüro in China eröffnen.
China hat Nachholbedarf bei Technologien
Für europäische Unternehmen wie Siemens heißt das: Bloß nicht ausruhen. „Wenn China technologisch aufholt, wird es mit hochwertigen Produkten konkurrieren. Und das zu sehr günstigen Preisen“, sagt Wübbeke. „Durch die großzügige staatliche Unterstützung können es sich große Staatsunternehmen und einige Privatunternehmen leisten, Qualität zu Dumpingpreisen anzubieten. Die Regierung will mithilfe einer umfassenden Industriepolitik gezielt internationale Märkte besetzen.“ Im Kampf um die Märkte nehme sie auch einen Preiskampf in Kauf.
Der Preis bleibt wichtig, soll aber nicht mehr der alleinige Kaufgrund für ein chinesisches Produkt sein. Moderne Produktionsanlagen werden helfen, auch die Qualität zu steigern. Das Potenzial bei Effizienz und Produktivität ist enorm, weil heute bei der Produktionstechnologie noch Nachholbedarf besteht. Bislang kommen auf 10.000 chinesische Industriearbeiter nur 14 Industrieroboter. In Deutschland sind es schon 282.
„Industrie 4.0 ist noch in weiter Ferne. Bis flächendeckend fortschrittliche Produktionsanlagen zum Einsatz kommen, wird es noch dauern“, schätzt der Merics-Experte. „Es kommt aber auf die führenden chinesischen Konzerne an. Durch Verbesserungen bei Qualität und Effizienz werden sie international immer wettbewerbsfähiger.“