Karriereleiter
Friedrich Merz, Kandidat für den CDU-Vorsitz Quelle: dpa

Rhetorik: Was Sie von Friedrich Merz lernen können – und was besser nicht

Friedrich Merz gilt als brillanter Rhetoriker, er polarisiert aber auch. Was Sie (und er) tun könnten, wenn Sie (oder er) befürchten, irgendwie nicht richtig sympathisch rüberzukommen. Eine Fern-Analyse.

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Unser Kolumnist Marcus Werner ist Fernsehmoderator und Buchautor und arbeitet als Berater für Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung.

„Finde ich gut.“ Ein traumhafter Satz. Aber wie kriegen wir andere dazu, das zu sagen? Wir überzeugen andere dann besonders gut, wenn es uns gelingt, dass die Empfänger unserer Botschaften ohne langes Abwägen und Nachgrübeln schnell entscheiden: Der oder die hat einfach Recht.

Unter Umgehung der vielen komplizierten Hirnwindungen direkt eine Jaaaaa-Zustimmung im Bauch auszulösen, ist also oberstes Ziel, wenn wir vor Publikum reden.

Und wem glauben wir intuitiv gern und stimmen ihm gerne zu? Menschen, die uns sympathisch sind.

Ob wir jemanden mögen oder nicht, entscheidet sich sehr schnell. Unser erstes Urteil steht oft schon innerhalb der ersten Sekunden. Dazu müssen wir nicht eine einzige Information über Karriere, Bildungsniveau oder politische Haltung des Redners haben. Es liegt uns in den Genen, schnell zu entscheiden: Freund oder Feind.

Und jetzt gucken wir uns mal die Umfragewerte von unseren Spitzenpolitikern an, die das ZDF regelmäßig in seinem Politbarometer als eine Art Top Ten veröffentlicht. Die Frage lautet: „Was halten Sie von…?“ Die Frage zielt also nicht allein auf Kompetenz oder allein auf Ausstrahlung oder allein auf die Leistung der Politikerinnen und Politiker ab, sondern irgendwie auf alles. Es ist letztendlich die berühmte Frage nach dem Bauchgefühl. Und da sieht die Rangfolge aktuell (Oktober II) so aus:

1. Angela Merkel, 2. Markus Söder, 3. Jens Spahn, 4. Olaf Scholz, 5. Heiko Maas, 6. Robert Habeck, 7. Annalena Baerbock, 8. Armin Laschet, 9. Horst Seehofer. Und jetzt zitiere ich das ZDF: „Schlusslicht ist weiter Friedrich Merz“.

Wieso halten die befragten Bürger in Deutschland so viel weniger von Friedrich Merz als etwa die CDU-Parteimitglieder, die in anderen Umfragen mehrheitlich angeben, ihn als Parteichef haben zu wollen? Meine These: Parteimitglieder beschäftigen sich intensiver mit politischen Standpunkten ihrer Topleute. Alle anderen Bürger urteilen eher aus dem Bauchgefühl. Und da zählt eben ganz wesentlich auch: Sympathie.

Wie wirkt Friedlich Merz auf Sie? Erlauben Sie mir meine eigene Einordnung. Wichtig hierbei übrigens: Auch wenn ich einiges dazu zu sagen hätte – Merz´ politische Standpunkte zu Welt und Gesellschaft sollen hier außen vor bleiben. Ich schätze seine Wirkung so ein (und die kann von der Realität abweichen. Aber das vermittelt sich den meisten in der Öffentlichkeit eben nicht): Überbordend selbstbewusst.

Ein robustes Selbstvertrauen ist für jemanden, der als künftiger Regierungschef eines der einflussreichsten Länder der Welt gehandelt wird, ein Pluspunkt. Kann der auf der Weltbühne mithalten? Ich behaupte, das würden die meisten ihm aus dem Stegreif eher zutrauen als Angela Merkel zu Beginn ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin damals. Wer selbstbewusst auftritt, erweckt bei vielen schnell den Eindruck, dass diese Überzeugung von Sachverstand untermauert sein muss (und Merz´ Sachverstand steht hier nicht zur Debatte). Dazu trägt auch seine Körpersprache bei, die vermittelt: Für mich ist das alles sonnenklar. Leichtes Schulterzucken, leichtes Kopfschütteln, geschürzte Lippen, nach unten gezogene Mundwinkel: Noin, noin. Der andere liegt ganz offenbar falsch. Kein Ding. Ich erkläre es gerne.



Öffentliche Kritik lässt er abtropfen, als sei der andere einfach nichts gewohnt. Beispiel Tagesthemen. Caren Miosga zu möglichen Intrigen gegen ihn: „Man muss sich das mal vorstellen: Ein Teil der vermeintlichen Parteifreunde soll sich im Hinterzimmer zusammengerottet haben und einen Plan ausgeheckt haben: Wie verhindern wir den Merz. Das ist doch ein ungeheuerlicher Vorwurf.“
Merz belustigt: „Nein. Das ist in der Politik sogar relativ normal. Dass der eine versucht, den anderen zu verhindern und dass man das nicht immer nur auf offener Straße austrägt, das ist völlig normal.“ Bäng! Nebenbotschaft: Die Fragestellerin kennt offenbar den Politikbetrieb nicht. Wenn das Ziel ist, den anderen als uninformiert dastehen zu lassen, das gelingt durch solche Belehrungen Marke „Du hast keine Ahnung“.

Nicht herzerwärmend, aber einschüchternd. Für einen Topjuristen wie Merz ein glasklarer Vorteil. Für jemanden, der Kanzler werden will, ist es allerdings eine Herausforderung, Sachverstand mit sympathischer Ausstrahlung zu paaren.

Dass Merz seine Gesprächspartner fast jedes Mal mit dem Namen anspricht („Frau Schausten,…“), bevor er weiterredet, mag ja höflich gemeint sein, wirkt in seiner Vehemenz gepaart mit der darauf folgenden Abwehr von Vorhaltungen allerdings schon fast wie eine Ermahnung. So wie: „Jonas, lass das jetzt! Leoni, verstehst du das denn nicht?“

Merz sagt auch Sachen wie neulich in den Tagesthemen: „Ich habe gute Umfragewerte seit zwei Jahren und das halte ich auch noch ein paar Monate aufrecht, wenn es sein muss.“ Für Politiker ist es ein unerreichter Traum, die eigene Beliebtheit in Partei und Öffentlichkeit nach Lust und Laune steuern zu können. Merz gibt vor, das zu beherrschen.

Im Talk mit der „Augsburger Allgemeinen“ gab Merz nach seiner Niederlage im Kampf um den Parteivorsitz 2018 zu Protokoll: „Ich glaube, das hat es in der Parteiengeschichte der Bundesrepublik Deutschland nie gegeben, dass jemand, der wirklich ganz raus war (Anm.: aus der Politik) und dann sagt, ich bin bereit, das nochmal zu machen, so nah wieder rankam.“ Merz sieht seine Wahlniederlage also als einen historisch einmaligen Erfolg.

Ich möchte es so sagen: Vorsicht. Wir Deutschen haben ein feines Radar und eine Abneigung gegenüber zu viel unverblümter Selbstüberzeugung. Dies wird hierzulande schnell als Angeberei und Arroganz ausgelegt. Mit seinen Erfolgen wuchern, das ist etwa unter US-Amerikanern eher akzeptiert als hierzulande.

Bei Twitter wird Merz hier und da genau das vorgeworfen: Überheblichkeit. @MickyBeisenherz zu einem Tweet von Merz: „Das ‚Ich‘ erst im dritten Satz. Kompliment.“

Was also tun, wenn man sich selbst einfach gut findet (was einen erstmal ja gut schlafen lässt) aber nicht will, dass das alle merken? Die Kunst ist, seinen Standpunkt knallhart zu vertreten, ohne zu vermitteln, dass die Position des anderen nicht gilt. Aber wie geht das?

Nach meiner Wahrnehmung ist es Merz bewusst, dass er in Sachen Herzenswärme zulegen kann. Ich sehe Merz in Interviews häufig lange lächeln. Ein Lächeln als Grundrauschen, das auf mich als bewusst eingesetzte Geste wirkt, und deshalb nicht immer authentisch, teilweise mit leicht gesenktem Kopf schon fast ein wenig diabolisch. Fast. Es geht mir um die Tendenz.
Generell ist der bewusste Einsatz von Lächeln riskant, weil er oft noch zusätzlich überheblich wirken kann. Grünen-Politiker Jürgen Tritten etwa wurde sein Lächeln beim Reden und Zuhören mitunter als süffisant angekreidet.

Gerade dann, wenn es argumentativ zur Sache geht, die Köpfe rauchen und die Leute um Worte ringen, kann Ihr entspanntes Lächeln zwar abgebrüht und selbstsicher wirken, aber eben auch wie ein unterdrücktes Auslachen. Wie in Freundlichkeit verpackte Verachtung. Gerade bei Leuten, die Sie wenig kennen.

Seien Sie gerne entspannt und wenn Sie sich wohlfühlen und Ihr Gegenüber Sie gut behandelt, so dass Ihnen zum Lächeln zumute ist, dann lächeln Sie. Der Trick: Schaffen Sie sich selbst ein entspanntes Gefühl, dass Sie lächeln lässt. Aber zwingen Sie sich nicht, die Mundwinkel auseinanderzureißen. Es sei denn, Sie sind Oscar-Preisträger.

Noch dringender vermeiden würde ich gespielte Lacher, die über das Lächeln hinausgehen. Einfach, weil man uns das ganz oft anmerkt. Friedrich Merz hat im Interview im Heute-Journal zu Bettina Schausten gesagt: „Frau Schausten, dass ich nicht der Liebling des Partei-Establishments in Berlin bin, das wissen Sie auch. Und deswegen ist das für Sie keine Neuigkeit und für Berlin keine Neuigkeit und für die Öffentlichkeit keine Neuigkeit“ und Merz wirkt dabei so, als müsse er sich zurücknehmen, um nicht über seine eigene spontane Einlassung laut zu lachen. Doch am selben Abend sagt er sichtlich amüsiert in den Tagesthemen: „Frau Miosga, darf ich das mal so sagen: Das wissen Sie und das weiß die gesamte Hauptstadtpresse, das weiß die deutsche Öffentlichkeit, dass ich nicht der Liebling eines Teils der Parteiführung bin.“

Ganz offensichtlich war das Statement also nicht spontan, sondern überlegt. Spätestens beim zweiten Mal gibt es nichts mehr, weswegen man sich im Zaum halten müsste, um nicht vor Lachen los zu prusten.

Die Entscheidung, über die Feststellung, in der Spitze der eigenen Partei unbeliebt zu sein, sichtlich und hörbar zu lachen, ist allerdings aus meiner Sicht aus einem zweiten Grund ungünstig: Es suggeriert, dass es einem völlig einerlei ist, ob die Parteiführung hinter einem steht. Die Ablehnung sei sogar zum Lachen, lächerlich.

Ich hätte es sympathischer gefunden, hätte Merz freundlich, ohne unterdrücktes Lachen, etwas gesagt wie: „Es ist ja bekannt, dass ich nicht nur Freunde in der Parteispitze habe. Das kann ich leider nicht ändern, denn ich bin wie ich bin und kann auch meine politischen Überzeugungen nicht über Bord werfen, nur damit mich alle mögen.“ Das wäre für die meisten Zuschauer sicherlich eher nachvollziehbar gewesen. Denn eigentlich ist es nicht üblich, es lustig zu finden, von Menschen aus dem eigenen sozialen Umfeld nicht gemocht zu werden.

Lachen Sie am besten nicht künstlich. Und schon gar nicht als Zeichen von Geringschätzung. Es bringt Ihnen in den allermeisten Fällen nichts. Und schadet im Zweifel.

Viele solcher Stilmittel (lächeln, lachen, Anrede mit Namen) sind aus meiner Erfahrung allgemein betrachtet die Versuche von Menschen mit starker Rhetorik in der Sache, nahbar zu wirken. Weil sie aber geplant sind, merkt man das oft. Besser ist es, an der eigenen Haltung zu schrauben. Dann kommen Gefühlsregungen als echte Symptome Ihrer inneren Haltung zum Vorschein. Echter geht es nicht.

Sollten Sie selbst hier und da schon einmal dem Vorwurf ausgesetzt gewesen sein, überheblich rüberzukommen, dann würde ich Ihnen folgende Methoden vorschlagen:

1. Zeigen Sie, wenn trotz aller inhaltlicher Differenzen die persönliche Wellenlänge stimmt. Nicken Sie anerkennend zu Punkten, die Sie teilen. Wiegen Sie den Kopf hin und her, statt ihn vehement zu schütteln, um zu zeigen: „Das sehe ich anders“.
2. Machen Sie deutlich, wenn Sie den Punkt des anderen nachvollziehen können, auch wenn Sie ihn ablehnen: „Ich verstehe, was Sie meinen, allerdings sehe ich es ganz anders.“
3. Leiten Sie Ihren Standpunkt ein mit dem Hinweis, dass Sie auf die Meinung der anderen gespannt sind: „Ich weiß ja nicht, wie ihr das seht, aber…“ Und dann dürfen Sie Argumente rausballern, was das Zeug hält.
4. Lassen Sie durchblicken, dass es Ihnen nicht um den Konflikt an sich geht, sondern dass Sie den Konflikt in Kauf nehmen, weil Ihr Standpunkt es Ihnen wert ist.


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Aber kommen Sie bloß nicht auf die Idee, Ihren eigenen Standpunkt weich zu klopfen, nur um den anderen freundlicherweise das Gefühl zu geben, dass sie mit ihrer Gegenposition doch noch überlegen sein könnten. Das würde sicherlich auch Friedlich Merz nur im diplomatischen Notfall tun.

Sie sind nicht sympathischer, wenn Sie Ihre Argumente spicken mit könnte, müsste, vielleicht, irgendwann. Keine Weichmacher den anderen zuliebe. Das ist kein Zeichen von Anerkennung abweichender Haltungen, sondern von eigener Unsicherheit.

Friedlich Merz ist ganz oft ein gut informierter Redner mit glasklaren Argumenten. Seine juristische Denkweise und Struktur im Reden macht seine Standpunkte leicht nachvollziehbar und deshalb (zumindest für seine Anhänger) überzeugend.

Aber lernen wir alle für uns daraus: Wir können noch mehr punkten, wenn wir es beherrschen, die anderen zu überzeugen, ohne ein Überlegenheitsgefühl oder gar Häme zu artikulieren. Dann stellt sich bei den Zuhörern umso schneller der Eindruck ein, die inhaltlichen Standpunkte seien denen der anderen überlegen.

Und man leidet als Zuhörer nicht unter dem inneren Konflikt, einer Person Recht geben zu müssen, die man eigentlich nicht mag.

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