Vorsprung durch Tempo Diese 7 Aktien chinesischer Internetriesen haben Potenzial

Chinas Internetfirmen punkten an der Börse: In einem beeindruckenden Tempo setzen sich in China neue Trends in dem ohnehin schnelllebigen Sektor durch. Quelle: imago images

In der Anlagewelt rangiert China noch als Schwellenland. In der Internetwelt aber spielt das Land in der Liga ganz oben und setzt neue Trends. Welche das sind, mit welchen chinesischen Internetaktien Anleger dabei sind und warum ein Wahlsieg von Donald Trump eine gute Einstiegsgelegenheit wäre. 

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Mehr als 900 Millionen Chinesen sind mit dem Internet verbunden. Das ist gewaltig, entspricht bei einer Einwohnerzahl Chinas von fast 1,4 Billionen Menschen dennoch erst einer Durchdringung von 65 Prozent der Gesamtbevölkerung. Zum Vergleich: In den USA surfen gut 310 Millionen Menschen durchs Netz, rund 90 Prozent der Bevölkerung. Doch nicht beim Blick auf die absolute Größe des chinesischen Internetmarktes stockt der Atem. Beeindruckend ist auch das Tempo, mit dem sich in China neue Trends in diesem ohnehin schnelllebigen Sektor durchsetzen und verbreiten. 

Labor für Künstliche Intelligenz 

Immer beliebter werden zum Beispiel Kurzvideo-Formate, besonders in jüngeren Bevölkerungsgruppen. Wegen des rasanten Anstiegs der Nutzerzahlen werden diese Formate immer interessanter für die Werbewirtschaft. Wichtigster Anbieter ist das Technologie-Start-up ByteDance mit seiner 2017 eingeführten und inzwischen weltweit bekannten Video-Sharing-Plattform TikTok, die in China selbst unter dem Label Douyin läuft. Zwei Drittel der weltweiten Nutzer sind jünger als 30 Jahre. Die 50 besten Content-Lieferanten von TikTok erreichen zusammen mehr als 250 Millionen Follower. 

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ByteDance entwickelt aber nicht nur reine Content-Plattformen, sondern parallel dazu Algorithmen, die das Verhalten und die Gewohnheiten der Nutzer analysieren und abgleichen. Jose Pun, Aktienanalyst beim britischen Vermögensverwalter Schroders bezeichnet das Unternehmen als „Labor für Künstliche Intelligenz“. ByteDance nutzt die dort gewonnen Erkenntnisse, um sein Portfolio stetig auszubauen. Inzwischen betreibt das Unternehmen mehr als 20 Apps. Einige davon, wie etwa TikTok, zielen ab auf ein internationales Publikum. Andere, wie die Nachrichten- und Informationsplattform Toutiao, werden nur in China angeboten. 

Gemessen an der jüngsten vorbörslichen Finanzierungsrunde wird ByteDance mit etwa 140 Milliarden Dollar bewertet, ungeachtet der Querelen zwischen den USA und China um den US-Ableger von TikTok. Damit ist ByteDance aktuell das wertvollstes Start-up-Unternehmen der Welt. Zum Vergleich: Die beliebte chinesische Video-Sharing-Plattform Bilibili (ISIN US0900401060), die seit März 2018 an der New Yorker Börse notiert, kommt auf einen Marktwert von gut 15 Milliarden Dollar.

Billionenmarkt E-Commerce

Mittlerweile werden in China 36 Prozent der Einzelhandelsumsätze online abgewickelt. So hoch ist der E-Commerce-Anteil nirgendwo sonst auf der Welt. In absoluten Zahlen ausgedrückt sind das 1900 Milliarden Dollar – mehr als dreimal so viel wie in den USA, wo der E-Commerce-Anteil an den Einzelhandelsumsätzen 16 Prozent beträgt.

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Das größte und bei Anlegern bekannteste chinesische E-Commerce-Unternehmen ist Alibaba (ISIN KYG017191142). Etwa 85 Prozent des gesamten Geschäftsvolumens entfällt auf diesen Bereich. Alibaba betreibt in China den Drittanbieter-Marktplatz Taobao. Auf der Plattform können Unternehmen ihre Waren direkt an Endverbraucher verkaufen. Taobao unterhält keine eigenen Warenlager, sondern kassiert Verkaufsprovisionen und Gebühren, etwa für Marketing und Werbung, die Bereitstellung eines Bewertungssystems oder einer Messaging-Funktion. Gemessen am Warenumsatz kommt Alibaba mit gut 650 Millionen aktiven Käufern auf rund 62 Prozent Marktanteil im chinesischen Onlinehandel. Dank der robusten Einnahmen aus dem Handelsgeschäft kann der Ausbau des noch defizitären Cloud-Geschäfts problemlos gestemmt werden. Zudem steht Alibabas Finanzarm Ant Financial mit seinem Bezahldienst Alipay kurz vor dem Börsengang in Shanghai und Hongkong. Der wahrscheinlich größte Börsengang aller Zeiten füllte die Konzernkasse weiter. Aktuell liegen dort umgerechnet 56 Milliarden Euro Nettoliquidität bereit. Der Expansionshunger von Alibaba wird sich entsprechend fortsetzen.

Die Nummer zwei im chinesischen E-Commerce-Markt mit rund 20 Prozent Marktanteil und weit über 300 Millionen aktiven Käufern ist JD.com (ISIN KYG8208B1014). Marktführer Alibaba das Wasser abgraben wird das Unternehmen zwar nicht, aber JD.com hat sich eine starke Nischenposition aufgebaut und behauptet diese. Grund: Dank eines eigenen Logistiknetzwerks verkauft JD.com Waren direkt aus seinen mehr als 750 eigenen Lagerhäusern an die Endkunden und kann auch weit abgelegene Regionen in China beliefern. Angeboten werden auf der Plattform ausschließ Waren von zertifizierten lokalen Händlern, während bei Taobao auch schon mal Fälschungen feilgeboten werden. Qualität vor Quantität lautet hier die Erfolgsformel.

Erfolgreich baut auch Pinduoduo (ISIN US7223041028) seinen Marktanteil im Onlinehandel aus. Das Geschäftsmodell dieser Plattform besteht darin, Schnäppchenjäger zusammenzuführen, die dann über Sammelbestellungen niedrigere Endpreise bei Händlern durchsetzen können. Das funktioniert. Pinduoduo, das erst im September 2015 gegründet wurde und seit Juli 2018 an der Börse New York notiert, kommt inzwischen auf rund zehn Prozent Marktanteil und hat mehr als 440 Millionen aktive Käufer, die vom  Geschäftsmodell offenbar überzeugt sind.

Gezockt wird immer, gerade in China

Auf eine ähnlich hohe Nutzerzahl wie Pinduoduo kommt auch der 2010 aus dem Zusammenschluss einer Shanghaier Restaurant-Bewertungsplattform und einer Pekinger Discount-Plattform entstandene Lieferdienst Meituan Diangping (ISIN KYG596691041). Bei Essenslieferungen liegt das Unternehmen mit einen Marktanteil von 55 Prozent vor Alibabas Lieferdienst Ele.me, der 40 Prozent des Marktes bedient. Über die App von Meituan lässt sich aber nicht nur Essen bestellen, sondern auch unzählige andere Dienstleistungen, etwa Leihfahrräder, Hotelzimmer, Reisen, Carsharing-Dienste oder Friseur-, Kosmetik- und Massage-Termine. 

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James Anderson, Partner der schottischen Vermögensverwaltung Baillie Gifford und Experte für chinesische Technologieunternehmen traut Meituan Diangping zu, bis zum Ende des Jahrzehnts in den Kreis der Internetgiganten aufzusteigen, deren Marktwert die Grenze von einer Billion Dollar übersteigt. Sollte sich das atemberaubende Wachstum fortsetzen wie bisher, könnte das auch schon früher passieren. Meituan ist mit über 170 Milliarden Dollar Börsenwert bereits das drittwertvollste Internetunternehmen Chinas hinter Alibaba und Tencent.

Wer sucht, wird fündig

Das Geschäft von Internetsuchmaschinen speist sich vor allem aus Werbeeinnahmen. Ein Selbstläufer ist dieses Geschäftsmodell nicht mehr. Baidu (ISIN US0567521085) kommt zwar auf einen hohen Marktanteil von über 60 Prozent, allerdings wächst der Konkurrenzdruck durch Apps anderer Anbieter, in denen Suchfunktionen bereits integriert sind, Anwender also nicht mehr wechseln müssen zu eigenständigen Suchmaschinen. Forciert wird diese Entwicklung, weil sich das Geschehen im Netz immer mehr vom stationären PC auf mobile Endgeräte verlagert. Baidu reagiert auf die Herausforderungen und investiert in neue Geschäftsfelder, etwa in den Bereich Künstliche Intelligenz und Autonomes Fahren. Dafür liegen immerhin noch rund elf Milliarden Dollar Nettoliquidität unangetastet in der Kasse. Diese Summe allein deckt bereits gut ein Viertel der Börsenwertes von Baidu ab. Die Aktie gehörte zuletzt nicht zu den High-Flyern. Jetzt aber könnte die Zeit gekommen sein für einen antizyklischen Einstieg. 

Dafür ist es bei Sina (ISIN KYG814771047) wohl leider ein paar Wochen zu spät. Nach zwei Jahrzehnten läuft für den Betreiber des Infotainment-Portals sina.com und des Kurznachrichtendienst Weibo die Zeit an der Börse New York allmählich ab. Unternehmenschef Charles Chao will Sina von der Börse nehmen. Die von Chao kontrollierte Holding New Wave bietet 43,30 Dollar pro Anteilsschein in bar. Der Kaufpreis von rund 2,6 Milliarden Dollar wird vor allem über Schulden finanziert. Dass Chao noch einen Aufschlag draufpackt, ist eher unwahrscheinlich. Die Mindestannahmequote für das Angebot liegt bei zwei Drittel der Stimmrechte. Gut 60 Prozent hat sich New Wave allerdings schon gesichert. Trotz über 520 Millionen Nutzer verliert Weibo für den Werbemarkt an Bedeutung durch den Wechsel der Nutzer von textbasierten Apps zu Kurzvideo-Diensten wie TikTok/Douyin von ByteDance. Um neue Nutzer anzulocken, hat Sina Oasis gestartet, ein mit Instagram vergleichbares Angebot.

Bewegte Bilder werden in China vermehrt auch zur Verkaufsförderung im Onlinehandel eingesetzt. Über Livevideos geben ausgesuchte Meinungsführer oder Promis, so genannte Key Opinion Leader, kurz KOP, ihre Empfehlungen ab. Schroders-Analyst Pun beschreibt dieses im Westen noch kaum verbreitete Konzept als Mischung aus Social-Media-Influencing und Home-Shopping-TV. 

Aussichtsreiche chinesische Technologiekonzerne

Aufholen mit Abos im Reich der Spieler

Gezockt wird immer, gerade in China. Rund 600 Millionen aktive Online-Spieler machen das Land zu einem Reich der Spieler. Etabliert, erfolgreich und profitabel auf diesem Spielfeld ist Netease (ISIN KYG6427A1022). Zum Konzern gehört auch der beliebte Musikstreaming-Dienst NetEase Cloud Music mit mehr als 800 Millionen registrierten Nutzern. Bei der Nutzerzahl liegt Netease etwa gleichauf mit Tencent Music Entertainment (ISIN US88034P1093), dem Streamingdienst des Internetgiganten Tencent (ISIN KYG875721634). Bei Onlinespielen hat Tencent mit einem Marktanteil von 55 Prozent die Nase vorn. Zum Tencent-Imperium gehören auch WeChat, der mit einer Milliarde Teilnehmer meistgenutzte Messenger-Dienst des Landes, sowie der hinter Alipay zweitgrößte Onlinebezahldienst Tenpay/WeChat Pay. Obendrauf erhalten Anleger mit der Tencent-Aktie noch ein breit gefächertes Beteiligungsportfolio mit aussichtsreichen Start-up-Unternehmen und bereits etablierten, an der Börse notierten Gesellschaften. Zu diesen gehören etwa JD.com und Meituan Diangping. 

Wo Chinas Internetsektor gegenüber anderen Ländern tatsächlich noch Aufholbedarf hat, ist der Aufbau rentabler Abo-Modelle. Stärker noch als anderswo auf der Welt haben sich chinesische Verbraucher daran gewöhnt, kostenlose Dienste zu erhalten. So greifen erst fünf Prozent der Nutzer zu auf die zahlungspflichtigen Inhalte von Tencent Musik Entertainment. Zum Vergleich: Bei Spotify liegt die Abo-Quote bei 45 Prozent. Für den Online-Video-Streaming-Anbieter Iqiyi (ISIN US46267X1081) erschwerend hinzu kommen noch die stark steigenden Kosten für die Produktion eigener exklusiver Serien und Filme. Ein Problem, das auch der US-Streaming-Pionier Netflix zunehmend spürt.

Allmählich legen die Abonnentenzahlen für zahlungspflichtige Inhalte aber auch in China zu. Sollten die frei verfügbaren Haushaltseinkommen im Land weiter steigen, dann sollten sich auch immer mehr Abo-Modelle verbreiten und behaupten können. 


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Sturm im Wasserglas

Anleger, die auf einen Wahlsieg von Donald Trump bei der US-Präsidentschaftswahl setzen, sollten mit großen Käufen chinesischer Internetaktien vielleicht erst die Reaktion der Börse auf die Wahl abwarten. Trump wird nach einer Bestätigung im Amt den chinesischen Unternehmen vermutlich noch mehr Schwierigkeiten machen. Das könnte zwischenzeitlich für Kursturbulenzen sorgen. Mit Blick auf die starken Kursanstiege in diesem Jahr wäre dann zu befürchten, dass Anleger auf Nummer sicher gehen und ihren hohen Gewinne mitnehmen. Doch auch diese Korrektur wäre vermutlich nur ein Sturm im Wasserglas. Denn der heimische Markt und die mit China eng  verflochtenen asiatischen Nachbarländer bieten den chinesischen Tech-Giganten auf lange Sicht weitaus höhere Wachstumsmöglichkeiten, als ihnen auf dem US-Markt womöglich verloren gingen.  

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