Es ist der erste Nato-Gipfel seit dem Überfall von Russlands Präsident Wladimir Putin auf die Ukraine und eines der wichtigsten Treffen des westlichen Verteidigungsbündnisses seit seiner Gründung. Bis Donnerstag kommen in Madrid die politischen Führungskräfte von 30 Mitgliedsstaaten und zehn befreundeten Ländern zusammen, um Putins Angriff ein Signal der Entschlossenheit entgegenzusetzen.
Das Bündnis will seine Abwehrbereitschaft demonstrieren. „Die Nato verteidigt jeden Quadratzentimeter ihres Bündnisgebiets“, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg im Vorfeld.
Nach einem Abendessen beim spanischen König am Dienstagabend beginnt am Mittwoch die inhaltliche Arbeit. Dabei wird viel von Abschreckung die Rede sein. Die Zahl der schnellen Eingreifkräfte soll auf 300.000 von derzeit 40.000 steigen. Mit ihrem neuen strategischen Konzept will die Nato beweisen, dass sie den aktuellen Herausforderungen gewachsen ist. 2019 hatte der französische Präsident Emmanuel Macron das Bündnis noch als „hirntot“ abqualifiziert.
Schneller schlau: Nato
Der Kurzname Nato steht für
North
Atlantic
Treaty
Organization
– auf Deutsch: Organisation des Nordatlantikvertrags
Die Nato ist eine Allianz von europäischen und nordamerikanischen Ländern. Grundsätzlich heißt es bei der Nato, eine Nato-Mitgliedschaft sei offen für „jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Gebiets beizutragen.“
Um Mitglied zu werden, muss man den sogenannten „Membership Action Plan“ der Nato erfüllen. Zu diesem Plan wird man von der Nato eingeladen.
Mit Schwedens Beitritt im März 2024 und dem Beitritt Finnlands im April 2023 hat die Nato aktuell insgesamt 32 Mitglieder.
Seit 1949 sind Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Kanada, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal und die USA dabei. Sie gelten als Gründungsmitglieder.
Später traten Griechenland und die Türkei (1952), Deutschland (1955), Spanien (1982), Polen, die tschechische Republik und Ungarn (1999), Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowakei, Slowenien (2004), Albanien und Kroatien (2009), Montenegro (2017) und Nordmazedonien (2020) bei.
Stand: 11. März 2024
Die Nato und all ihre Mitglieder haben sich dazu verpflichtet, dass ein Angriff gegen eines oder mehrere ihrer Mitglieder einen Angriff gegen alle darstellt. Dies ist das sogenannte Prinzip der kollektiven Selbstverteidigung. Es ist in Artikel 5 des Washingtoner Vertrags festgeschrieben und fand in der Geschichte der Nato erst einmal Anwendung: als Antwort auf die Terroranschläge des 11. Septembers 2001 in den USA.
Laut Angaben der Nato beraten sich die Mitglieder täglich zu Sicherheitsfragen. Demnach kommen hunderte Beamte sowie zivile und militärische Experten jeden Tag zusammen.
Ein Nato-Beschluss ist „der Ausdruck des kollektiven Willens aller Mitgliedsstaaten“, schreibt die Nato fest. Alle Entscheidungen werden konsensbasiert getroffen, also nach Diskussion und Konsultation zwischen den Mitgliedsländern. Bei der Nato gibt es keine Abstimmungen. Ein Beschluss ist immer das Ergebnis von Beratungen, bis eine für alle akzeptable Entscheidung getroffen ist.
Der Nato-Generalsekretär ist der höchste internationale Beamte im Bündnis. Er ist das öffentliche Gesicht der Nato, leitet den Internationalen Stab der Organisation und verantwortet die Steuerung der Beratungen und die Entscheidungsfindung in der Allianz.
Die Nato hat sich dazu verpflichtet, nach friedlichen Lösungen von Konflikten zu suchen. „Doch wenn diplomatische Anstrengungen scheitern, hat sie die militärische Macht, Operationen des Krisenmanagements durchzuführen“, heißt es bei der Nato. Diese müssen den eigenen Auflagen zufolge „im Rahmen der Beistandsklausel im Gründungsvertrag der Nato – Artikel 5 des Washingtoner Vertrags – oder mit einem Mandat der Vereinten Nationen erfolgen, entweder allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Ländern und internationalen Organisationen.“
Putin nahm vor dem Nato-Gipfel erneut die ukrainische Hauptstadt Kiew unter Beschuss und ließ eine Rakete auf ein Einkaufszentrum in der Ostukraine feuern – Russlands Präsident signalisiert so, dass er nicht nachgeben will. Vergangene Woche hatte sein Außenminister schon verbal aufgerüstet: Sergej Lawrow sprach davon, dass EU und Nato an einer Koalition arbeiteten, die Krieg gegen Russland führen wolle und scheute dabei nicht vor einem Vergleich mit Adolf Hitler zurück.
Der Westen will Russlands Aggression nicht tatenlos hinnehmen, muss aber beobachten, dass Putin im Moment gar keinen militärischen Durchbruch braucht. Putin hat andere Mittel, um den Westen unter Druck zu setzen. „Und er hat die Zeit auf seiner Seite“, sagt Bruno Lété, Sicherheitsexperte von der Denkfabrik German Marshall Fund. Der Herbst und Winter dürfte für westliche Politiker unangenehm werden. Denn Putin hat verstanden, welch machtvolle Instrumente er besitzt, um Chaos zu schüren: Energie und Weizen. Schon jetzt spürt Putin, über welchen Hebel er beim Gas verfügt, von dem Länder wie Deutschland und Österreich in hohem Maße abhängig sind.
Als Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vergangene Woche die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen hat, bereitete er Unternehmen und Bevölkerung auf steigende Preise und Lieferausfälle vor. Je niedriger die Außentemperaturen, desto mehr Unruhe dürfte ein Lieferstopp auslösen.
Indem Putin dafür sorgt, dass die Weizenernte in der Ukraine in diesem Jahr geringer ausfällt und das Land nicht verlässt, weil er Häfen blockiert, kann er sogar weltweit Hungersnöte auslösen, die wiederum Migrationswellen nach sich ziehen. Keine angenehme Aussicht für westliche Politiker. „Putin kann dagegen abwarten“, sagt Lété.
Eine Nato-Mitgliedschaft ist für die Ukraine nicht in Sicht
Hinzu kommt: Als Autokrat wird Putin hohe Truppenverluste bei einem Abnutzungskrieg in der Ostukraine hinnehmen. Bisher deutet nichts darauf hin, dass die russische Bevölkerung dagegen aufbegehrt, dass junge Männer als Kanonenfutter in die Ukraine geschickt werden.
Gleichzeitig kann der Westen der Ukraine wenig anbieten. Eine Nato-Mitgliedschaft ist nicht in Sicht, der EU-Kandidatenstatus wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Trostpreis. Der italienische Nato-Botschafter Francesco Talò behauptete gegenüber seiner ukrainischen Kollegin Natalia Galibarenko auf einer Veranstaltung in Brüssel vergangene Woche, der Ukraine stehe „die Tür zu Nato weit offen“.
Doch dies ist ein hohles Versprechen. Die Nato wird die Ukraine nicht aufnehmen, so lange Russland die Grenzen des Landes nicht respektiert. Bis das passiert, wird aber wohl noch viel Zeit vergehen. Nato-Insider rechnen nicht damit, dass die Ukraine im kommenden Jahrzehnt in das Bündnis aufgenommen wird.
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