Landtagswahlen in Bayern „Das ist für die CSU eine schwere Niederlage“

Bayern-Wahl: Niederlage für die CSU, Erfolg für die Grünen Quelle: dpa

Jubel bei AfD und Grünen, Blamage für CSU und SPD. Die Bayernwahl wirbelt die Politik mächtig durcheinander. Nicht nur im Freistaat, auch im Bund. Alle fragen sich: Wie reagiert jetzt die CSU?

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Solche Sätze hat es in Bayern von der CSU eigentlich noch nie gegeben: „Die CSU ist nicht nur stärkste Partei geworden, sie hat auch den klaren Regierungsauftrag erhalten“, sagt ein sichtlich geknickter Markus Söder am Sonntagabend bei seiner ersten Wahlanalyse als bayerischer Ministerpräsident. Kein Zweifel, so hat er sich bei seinem Amtsantritt vor sieben Monaten seine Wiederwahl nicht vorgestellt. 13 Mal holte die CSU die absolute Mehrheit im Freistaat, nun braucht sie bei rund 37 Prozent für eine Regierung einen Koalitionspartner – zum zweiten Mal nach 2008. Schon alleine dies darf getrost als Zeitenwende gesehen werden.

Keine Frage, nach diesem Wahlsonntag ist der Freistaat ein anderer. Die Kurzfassung: Die Volksparteien stürzen ab, die CSU landet unsanft rund zehn Prozentpunkte tiefer als 2013 bei rund 37 Prozent, die SPD halbiert ihr 2013er-Ergebnis gar in den einstelligen Bereich und ist nur noch fünftstärkste Kraft. Die Grünen verdoppeln dagegen ihre Stimmen, sind ab sofort die größte Fraktion hinter der CSU. „Diese Landtagswahl hat Bayern schon jetzt verändert, mit mehr Herz statt Hetze“, sagt die Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze.

„Natürlich ist das heute kein einfacher Tag für die CSU“, sagt Söder. Es sei ein zum Teil schmerzhaftes Ergebnis, dennoch nehme er es mit Demut an. „Wir werden unsere Lehren daraus ziehen müssen“. Hauptaufgabe sei es nun, eine stabile Regierung zu stellen.

Doch auch das ansonsten von der CSU gerne nach außen getragene Selbstgefühl, andere nennen es Arroganz, ist mit dem Wahlergebnis wie weggeblasen. Obwohl sich die Partei monatelang dank zahlreicher Hiobs-Umfragen auf das Debakel vorbereiten konnte, oder besser gesagt musste, sitzt der Schock tief. Im proppevollen Fraktionssaal herrscht nicht nur um 18.00 Uhr absolute Stille, als die erste Prognose angezeigt wird. Ein bisschen Applaus gibt es erst beim schlechten Ergebnis der Linken, die den Einzug in den Landtag verpassen dürften - und noch etwas mehr, als eingeblendet wird, dass es für eine Koalition von CSU und Freien Wähler reichen könnte.

Es überwiegt bei der CSU der Frust: Denn jetzt ist der zweite Verlust der absoluten Mehrheit seit 2008 nicht mehr nur eine große Befürchtung, jetzt ist es offiziell. Und nicht nur das: Denn anders als vor zehn Jahren wird das Debakel in der CSU längst nicht mehr als (erneuter) einmaliger Ausrutscher interpretiert. Vielmehr sehen viele Christsoziale die Zahlen als neuen Maßstab für die bayerische Weltordnung. Und diese löst Schmerzen aus. Immerhin hat sich mit der AfD direkt vor der Haustür der Christsozialen eine Partei rechts der CSU etabliert, die mit mehr als 10 Prozent nun auch im Landtag sitzt.

Während sich die Basis noch mit dem zweitschlechtesten Ergebnis der CSU nach 1950 (27 Prozent) bei einer Landtagswahl befasst, dürften die Gedanken der Funktionäre schon weiter gehen. Was bedeutet das Wahlergebnis für die Zukunft von Parteichef Horst Seehofer? Kann sich Markus Söder im Amt halten? Mit wem kann die CSU eine Koalition bilden? Was bedeutet der dramatische Stimmverlust von CSU (und SPD) für die große Koalition in Berlin und für Kanzlerin Angela Merkel (CDU)?

„Das ist für die CSU eine schwere Niederlage“, sagt ein prominentes CSU-Vorstandsmitglied, spricht von einem „Schock“. Ein anderer CSU-Mann sagt zu den ersten Prognosen: „Das ist eine herbe Klatsche.“ Die Partei werde nun ganz grundsätzlich über ihre Strategie, ihre politischen Schwerpunkte, ihren politischen Stil diskutieren müssen.

Einen Hauptschuldigen hat man in der Partei längst ausgemacht: Horst Seehofer. An der Basis machten 70 bis 80 Prozent der CSU-Anhänger den Parteichef für den dramatischen Absturz verantwortlich, heißt es.

„Das Wahlergebnis hat Bayern jetzt schon verändert“
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder Quelle: REUTERS
Das Landtagswahlergebnis hat Bayern „jetzt schon verändert“, sagt Grünen-Spitzenkandidatin Katharina Schulze Quelle: dpa
Der Spitzenkandidat der Freien Wähler, Hubert Aiwanger Quelle: REUTERS
Die bayerische SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen Quelle: REUTERS
Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner Quelle: REUTERS
Ex-CSU-Chef Erwin Huber Quelle: dpa
CSU-Parteichef Horst Seehofer Quelle: dpa

Der Gescholtene weist die alleinige Verantwortung aber von sich. „Da können wir gerne drüber diskutieren“, sagt Seehofer auf die Frage nach der Personaldebatte. Er werde das jedoch nicht an diesem Abend tun. „Natürlich habe ich als Parteivorsitzender auch Mitverantwortung für dieses Wahlergebnis.“ Priorität habe jetzt die Regierungsbildung.

Als die ersten Prognosen und Hochrechnungen im Landtag in München auf den Wahlpartys der Parteien über die Bildschirme flattern, sind die CSU-Anhänger sozusagen unter sich. Die beiden Alphatiere Söder und Seehofer sind nicht im Saal. Wie schon bei der Bundestagswahl 2017 haben sich mit ihren engsten Vertrauten zurückgezogen. Seehofer mit seinen Stellvertretern in der CSU-Zentrale, Söder mit seinen engsten Vertrauten in der Staatskanzlei. Nur knapp fünf Kilometer trennen die beiden Machtzentralen voneinander, und doch ist es ein bezeichnendes Bild der CSU im Jahr 2018: Die Doppelspitze der Partei findet selbst an einem so wichtigen Tag keinen Draht zueinander. Erst um 19.13 Uhr treffen sie aufeinander. Zufällig.

Alles, was Sie zum Ergebnis der Wahl wissen müssen

Einen Draht zueinander finden müssen bald aber wohl CSU und die Freien Wähler. Für die CSU ist die Partei, die sie gerne abfällig als „Fleisch aus unserem Fleische“ bezeichnet, sicherlich der zunächst einfachste Koalitionspartner. „Meine Priorität ist natürlich ein stabiles bürgerliches Bündnis“, sagt Söder, kündigt aber Gespräche mit allen demokratischen Parteien an, also auch den Grünen. Doch Seehofer lässt erkennen, wie erfolgversprechend diese sein werden, die „Sympathien“ der CSU für ein Bündnis mit den Freien Wählern seien kein Geheimnis. Inhaltlich gibt es nur wenige Unterschiede zwischen CSU und Freien Wählern, insbesondere im Vergleich zu den Grünen – neben der AfD die eigentlichen Gewinner der Bayern-Wahl.

Und die Kanzlerin? Sie dürfte nach dem Ergebnis der bayerischen Schwester erstmal durchatmen. Der Druck auf die Union in der Bundesregierung wäre bei einem schlechteren CSU-Ergebnis sicher ungleich größer gewesen. Auch die Machtbalance in der großen Koalition dürfte erstmal eine weitere Schonfrist bekommen. Denn neben der CSU ist ja die SPD in Bayern die große Wahlverliererin. Für den Bund bleibt aber dennoch viel Druck auf dem Kessel: Schon in zwei Wochen wird in Hessen ein Landtag gewählt. Dann werden die Karten wieder neu gemischt - mit sehr ungewissem Ausgang für CDU und SPD. Und spätestens wenn die CSU im November eine Koalition zustande gebracht hat, wird auch die Personaldebatte wieder hoch kommen.



Doch zurück zur CSU: Anders als beim überraschenden Verlust der absoluten Mehrheit 2008 wird dieses Mal aber nicht damit gerechnet, dass es binnen Stunden eine Personaldebatte und reihenweise Rücktrittsforderungen auf oberster Funktionärsebene gibt. Zu groß ist offenbar bei manchen die Angst, in einen Strudel hineingezogen zu werden. Auch Söder habe ja Fehler gemacht, räumen sogar Wohlmeinende aus seinem Lager ein. Der Franke sei eben kein Sympathieträger. Sein Image als Hardliner habe er nicht glaubwürdig ablegen können. Dennoch sitze Söder wohl fest im Sattel, heißt es am frühen Abend.

Andere Söder-Anhänger gehen sogar noch weiter: Ohne das Engagement des 51-Jährigen wäre die CSU noch viel weiter abgerutscht. Letztlich halte er den Laden längst alleine zusammen, da Seehofer sich nur noch um seine „Mission“ in Berlin kümmere. „Die Partei ist dem doch schon lange völlig egal“, schimpft ein Vorstand. Letztlich sei das Wahlergebnis auch eine Verkettung vieler Fehleinschätzungen und -entscheidungen. Nach der Pleite bei der Bundestagswahl habe man es etwa versäumt, sich personell anders aufzustellen.

Auch wenn also das große Beben zunächst ausbleibt und eher eine unheilvolle Stille die CSU ausfüllt – so gänzlich auszuschließen ist es nicht, dass doch noch Köpfe rollen. Keiner vermag vorherzusagen, welche Dynamik es in den kommenden Tagen geben könnte. Intern soll es sogar klare Ansagen gegeben haben, sich mit Rücktrittsforderungen an Seehofer am Sonntag und Montag zurückzuhalten. Am Dienstag tagt die neue, dezimierte Landtagsfraktion – der wohl entscheidende Termin für Söder. Nicht ausgeschlossen wird in der CSU, dass es aus den Orts- und Kreisverbänden heraus eine Bewegung geben könnte mit dem Ziel, Seehofer zum Rücktritt zu drängen. Alles scheint offen.



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