Maut, Raser, Bahn Die fünf größten Baustellen des Andreas Scheuer

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Die Mammutaufgabe: Die Klimakrise wartet nicht

Auf der Prioritätenliste eines Verkehrsministers im Jahr 2020 sollte die Klimakrise mit großem Abstand an der Spitze stehen. Denn kein anderer Politikbereich ist so stark gefragt, endlich zu liefern – sollte Deutschland seine Klimaziele irgendwann einhalten wollen. Bis 2030 müssten dazu die CO2-Emissionen im Verkehr um 40 Prozent zurückgehen. Zuletzt lag der Ausstoß bei etwa 170 Millionen Tonnen pro Jahr.

Damit das gelingt, lässt sich Scheuer von den Experten, Umwelt- und Industrielobbyisten der Nationalen Plattform Mobilität (NPM) beraten – mal mehr, mal weniger. Als einige NPM-Mitglieder etwa ein Tempolimit auf eine Ideenliste setzten, pfiff das Verkehrsministerium seine Berater in aller Öffentlichkeit zurück. Die Vorschläge der NPM, die die Bundesregierung schließlich in ihr Klimapaket aufgenommen hat, werden nach jetzigem Stand nicht ausreichen, die Ziele zu erreichen.

Scheuer mag keine Verbote, das Ordnungsrecht tastet er nicht gerne an. Untätig ist er aber dennoch nicht. Ein Förderprogramm nach dem anderen schickt er zur Genehmigung nach Brüssel. Milliardensummen aus dem Staatshaushalt sollen so den Weg ebnen für E-Autos und Wasserstoff-Lkw, für eine „Zukunft der Mobilität, die Spaß macht“, wie Scheuer gerne sagt.

Der Behördenausbau: Infrastruktur nach Plan

Von seinem Vorgänger Alexander Dobrindt (auch CSU) hat Scheuer ein gebrochenes Versprechen geerbt. Bis 2018 wollte Dobrindt die letzten Funklöcher in Deutschland schließen – ohne Erfolg. Jetzt muss es Scheuer richten und gründet dafür extra eine neue Behörde: die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft, kurz MIG. Mit mehr als 90 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Budget pro Jahr ausgestattet, soll sie Fördermilliarden verteilen und Kommunen unterstützen, die „weißen Flecken“ zu schließen. Die SPD hat ihren Widerstand gegen die MIG zwar aufgegeben, befürchtet aber eine neue Mega-Behörde, die kommt, um für immer zu bleiben. Und die Opposition kritisiert: alles überflüssig und viel zu teuer. Mobilfunkausbau in wenig besiedelten Gebieten müsse auch effizienter gehen.

So wie zum Beispiel beim Breitbandausbau. Da funktioniert der flächendeckende Ausbau auch ohne extra gegründete Behörde ganz ordentlich. Dass mittlerweile in vielen ländlichen Regionen Glasfaserleitungen verlegt werden, ist auch Scheuers Verdienst. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit ließ er die entsprechende Förderrichtlinie vereinfachen, was Kreisen und Kommunen Bürokratie und unnötigen Zeitaufwand erspart. Dennoch hinkt Deutschland im internationalen Vergleich weiter hinterher. Die Coronarezession könnte aber dafür sorgen, dass sich die Auftragslage in der Baubranche entspannt – und staatlich geförderte Projekte dann schneller vorankommen.

Mit einer anderen Behördenreform ist Scheuer bei der Mutter aller Infrastrukturthemen konfrontiert: beim Fernstraßennetz. Eine neue Autobahn-GmbH des Bundes soll ab 2021 von den Ländern die Verantwortung für Planung, Bau, Finanzierung und Verwaltung deutscher Autobahnen übernehmen. Wie häufig im Verkehrsministerium wird diese Reform von externen Beratern begleitet, was vor allem hohe Kosten und zusätzliche Kritik verursacht. Ob die Autobahn GmbH ab Januar wirklich schon all jene Aufgaben übernehmen kann, die ihr zugedacht sind? Eher unwahrscheinlich.

Die Altlasten: Ist die Bahn noch zu retten?

Und falls all diese Baustellen noch nicht leidig genug klangen, nun, dann wäre da zum Abschluss noch die Deutsche Bahn. Die Coronapandemie hat den Staatskonzern noch tiefer in die Krise gedrückt: in Sparzwänge bei zugleich ambitionierten Passagierzielen. 5,5 Milliarden Euro will die Bahn bis 2024 sparen, so hat sie es der Bundesregierung zugesagt. Die will im Gegenzug den gleichen Betrag an frischem Kapital bereitstellen. Mit den insgesamt elf Milliarden Euro will Scheuer den Corona-bedingten Einbruch ausgleichen.

Eine erfolgreiche Bahn ist wichtig, wenn der Klimaschutz gelingen soll. Bis 2030 will das Unternehmen das Passagieraufkommen verdoppeln, hat daher gerade 30 neue ICE-Züge bestellt. Der Umstieg von der Straße auf die Schiene muss jedoch auch und insbesondere im Güterverkehr gelingen. Da aber sieht es düster aus. Die Bahn-Tochter DB Cargo ist vielleicht der größte Problemfall von allen. Und auch im Verkehrsministerium selbst läuft in dieser Hinsicht nicht alles nach Plan. Beachtliche Fördertöpfe für Unternehmen, einen eigenen Gleisanschluss zu reaktivieren oder neu zu bauen, werden kaum nachgefragt. Das viel zitierte „Comeback der Schiene“ hat Scheuer bislang bestenfalls angestoßen.

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