Peer Steinbrück zur Bankenkrise „Das war Frau Merkel und mir damals sehr deutlich bewusst“

Quelle: dpa

Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück warnt im Interview vor „Erregungszuständen“ und weist den Vorwurf zurück, die Politik habe aus der damaligen Krise nicht genug Konsequenzen gezogen.

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WirtschaftsWoche: Herr Steinbrück, sehen Sie in der aktuellen Bankenkrise in den USA und der Schweiz Parallelen zur Finanzkrise 2009?
Peer Steinbrück: Nein, ich glaube nicht, dass das vergleichbar ist und ich finde im Moment auch manche Äußerung viel zu dramatisch. Richtig ist, dass bisher drei mittlere beziehungsweise kleinere Banken in den USA über ihre Geschäftsmodelle in Schwierigkeiten gekommen sind. Aber weder die Situation in den USA noch in der Schweiz lassen erkennen, dass sich eine Krise in der Dimension 2008/2009 erneut anbahnt.

Das Vertrauen der Anleger scheint aber doch nachhaltig erschüttert zu sein, weil immer mehr Kunden Geld von ihren Konten abziehen?
Es stimmt, dass die Nervosität groß ist. Natürlich verbinden die Bürgerinnen und Bürger die aktuelle Situation immer mit der Lage während der Finanzkrise 2008/ 2009. Ich will das nicht verharmlosen, meine aber, dass das Krisenmanagement insbesondere der Zentralbanken das Problem im Griff hat.

Braucht es wieder eine neue Garantie der Spareinlagen, um die Stimmung zu beruhigen?
Der amerikanische Präsident Joe Biden hat ja so etwas in den USA schon geäußert. Und auch Olaf Scholz hat hier in Deutschland ähnliche Bemerkungen gemacht. Das soll meiner Einschätzung nach allerdings eher psychologisch dazu dienen, die Wogen ein wenig zu glätten und die Erregungszustände nicht wachsen zu lassen.

Zur Person

Während die US-Banken eher kleinere bis mittlere Institute sind, trifft es in der Schweiz gleich die beiden größten Banken. Gibt es da mit Blick auf die Finanzmarktstabilität eher Grund zur Sorge?
Der Fall Credit Suisse hat sich in meinen Augen seit langem angebahnt, seit mindestens drei oder vier Jahren. Denken Sie an die Milliardenverluste, die bei dem Engagement mit dem Fonds Archegos gemacht worden sind. Da muss man sich eher fragen, wo denn die Schweizer Bankenaufsicht in den letzten Jahren geblieben ist. Aber das Krisenmanagement auch in der Schweiz ist ja am letzten Wochenende sehr klar gewesen. Die UBS und die Schweizer Nationalbank sind eingesprungen und insofern ist das erforderliche Krisenmanagement zunächst einmal richtig in Gang gekommen.

Das heißt, Sie sehen auch keine Gefahr für ein Übergreifen auf die Realwirtschaft?
Da muss man vorsichtig sein. Ich glaube, dass die Realwirtschaft im Augenblick unter mehrfachem Druck steht und deshalb besonders nervös reagiert – nicht nur mit Blick auf die Inflation, die Lieferkettenprobleme und die Auswirkungen des Ukrainekriegs. Ungelöst sind ja auch politische Probleme im asiatisch-pazifischen Raum, was bei den dort engagierten Unternehmen zu Nervosität und Unsicherheit führt.

Die Schweizer Nationalbank musste mit über 100 Milliarden Franken eingreifen, um Schlimmeres zu verhindern. Wenn jetzt der Staat und am Ende der Steuerzahler erneut einspringen muss, stellt sich doch die Frage, ob man aus der letzten Bankenkrise nichts gelernt hat?
Die Frage ist berechtigt, aber es wäre nachweislich falsch jetzt zu behaupten, dass nichts gemacht wurde und dass man aus dem damaligen Schaden nicht klug geworden sei. Es ist vielmehr aus der Krise einiges gelernt worden. Die Eigenkapitalanforderungen sind deutlich verschärft worden, es wurden Liquiditätspuffer eingezogen und es gibt eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht. Zwei von den drei geplanten Säulen wurden also errichtet …

… aber die dritte Säule fehlt immer noch.
Das ist richtig, aber eine gemeinsame europäische Einlagensicherung ist nicht nur aus deutscher Sicht aus guten Gründen umstritten. Was wirklich fehlt, ist die Regulierung des sogenannten Schattenbankensektors. Und ich bin nach wie vor ein großer Anhänger des Trennbankensystems. Also der ganz klaren Trennung der Banksparte, die Investmentbanking betreibt und dem Teil, der sich mit dem klassischen Kreditgeschäft beschäftigt. Das ist übrigens ja auch eines der Probleme, das die Credit Suisse mit ihrem Investmentbanking in die Schieflage gebracht hat.

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Es gibt jetzt Spekulation und Debatten darüber, wie die EZB jetzt reagieren soll: Soll sie die Zinsen eher anheben oder doch wieder senken? Und wäre eine Senkung in der aktuell angespannten Lage eher kontraproduktiv?
Ich sehe mit Erstaunen, wie rasant sich die Gefühlslagen ändern. Bis vor kurzem waren alle der Auffassung, dass die EZB sich den Auftrag der Inflationsbekämpfung ganz groß auf die Fahnen schreiben sollte. Ich kenne kaum jemanden, der in Deutschland nicht für eine Zinswende gewesen wäre; eine Entwicklung übrigens, von der die Banken ja massiv profitiert haben.



Das bedeutet?
Die Entscheidung für die Zinswende war nicht falsch, weil jetzt einige Banken in Verlegenheit gekommen sind. Sie haben halt in der Niedrigzinsphase sehr niedrig verzinste Anleihen mit einer sehr langen Laufzeit gekauft, mit denen sie jetzt vor dem Hintergrund der Zinswende enorme Kursverluste realisieren.

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