SPD Nahles will sich bei Europawahl entschiedener gegen Rechtspopulisten stellen

SPD-Chefin Andrea Nahles will eine andere Asylpolitik und sich entschlossener gegen Rechtspopulisten stellen. Hartz IV-Debatten seien indes unnötig.

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Die SPD-Vorsitzende will einen Spurwechsel in der Asylpolitik. Quelle: dpa

Berlin Die SPD will nach den Worten ihrer Fraktions- und Parteichefin Andrea Nahles bei der kommenden Europawahl entschiedener gegen antieuropäische und rechtspopulistische Tendenzen auftreten. Nahles sagte im Sommerinterview der ZDF-Sendung „Berlin direkt“: „Wir müssen deutlicher machen, um was für Werte es geht. Es gibt viele Regierungschefs in Europa, die Europa zerstören wollen.“

Nahles nannte unter anderem Italiens Innenminister Matteo Salvini und Ungarns Regierungschef Victor Orban. „Wir sind umzingelt von Antieuropäern“, sagte sie und räumte zugleich ein, dass ihre Partei es den Rechtspopulisten im vergangenen Wahlkampf leicht gemacht habe.

In der Flüchtlingspolitik verlangte Nahles mehr Realismus und Klarheit, ohne Ressentiments. Sie wies den Vorwurf ihres Berliner Landesverbandes zurück, mit Äußerungen wie, Deutschland könne nicht alle Flüchtlinge aufnehmen, rechte Argumente zu bedienen. „Wir brauchen in Deutschland ein Einwanderungsgesetz.“ Dafür habe die SPD 20 Jahre lang gekämpft.

Nahles erklärte ihre Entschlossenheit, für abgelehnte oder geduldete Asylbewerber einen Weg in den deutschen Arbeitsmarkt zu erschließen. „Wir werden den Spurwechsel durchsetzen“, sagte Nahles im Sommerinterview der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ am Sonntag. Zurzeit würden die falschen Leute abgeschoben. „Wir wollen, dass gut integrierte Menschen hier bleiben.“

Fachkräftemangel gehöre zu den erheblichen Risiken der deutschen Wirtschaft. „Wir wollen ordnen und steuern.“ Und zugleich das Asylrecht verteidigen. Es bedürfe klarer Regeln: „Wer Schutz braucht, bekommt ihn. Wer den Schutz nicht braucht, der muss auch schneller, als das bisher üblich ist, wieder zurückgeführt werden.“

Der sogenannte Spurwechsel bedeutet im Grundsatz, dass es Asylbewerbern, die abgelehnt und nur geduldet, aber gut integriert sind und einen Arbeitsplatz haben, über ein Einwanderungsrecht ermöglicht wird, in Deutschland zu bleiben. Gerade aus der Wirtschaft kommt immer wieder die Klage, dass Asylbewerber ausgebildet und gut integriert seien, und dann abgeschoben würden. Angesichts des Fachkräftemangels sei dies kontraproduktiv.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall befürchtet nun aber, dass die Diskussion über eine Arbeitsperspektive für geduldete Asylbewerber das Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz insgesamt gefährden könnte. „Wenn wir künftig erlauben würden, dass ein abgelehnter Asylbewerber über die Hintertüre des Fachkräfte-Zuwanderungsgesetzes bei uns bleiben darf, würde der Eindruck entstehen, dass es völlig egal ist, ob ein Asylbewerber abgelehnt wird oder nicht“, sagte Hauptgeschäftsführer Oliver Zander der „Augsburger Allgemeine“.

Streit um mögliche Fluchtanreize

Er kritisierte den Vorstoß des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU). Dieser hatte vorgeschlagen, Asylbewerbern ohne Bleiberecht einen Spurwechsel vom Asyl- ins Zuwanderungsrecht zu ermöglichen, wenn sie gut integriert und qualifiziert sind, Deutsch sprechen und eine Arbeit haben. In der CSU und überwiegend auch der CDU stößt er damit auf Ablehnung, weil befürchtet wird, dass eine solche Regelung einen zusätzlichen Anreiz zur Flucht bietet.

SPD, Grüne und FDP fordern jedoch eine solche Regelung. Die SPD hat inzwischen eine Stichtagsregelung vorgeschlagen, um Fluchtanreize zu vermeiden. Für bereits in Deutschland Geduldete soll demnach die Lockerung gelten, für künftige Asylbewerber nicht.

Auch die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die Christdemokratin Annette Widmann-Mauz, ist für die Stichtagsregelung. „Es würde niemand verstehen, dass wir im Ausland Fachkräfte anwerben und die Menschen, die schon im Land als Fachkräfte arbeiten oder eine Beschäftigung haben und integriert sind, wieder nach Hause schicken“, sagte sie dem ZDF.

Arbeitsminister Hubertus Heil zeigte sich im ZDF zuversichtlich, mit der Union eine Regelung zu finden. In den Eckpunkten des Innenministeriums für ein Zuwanderungsgesetz sei festgehalten, dass die Potenziale der Flüchtlinge genutzt werden sollten. „Die Ausgestaltung werden wir miteinander besprechen.“

Nahles verteidigt Hartz IV-Regelungen

Heil bezog sich besonders auf Auszubildende. Für diese gibt es bisher eine Ausnahmeregelung, die es ihnen ermöglicht insgesamt fünf Jahre zu bleiben: für drei Jahre Ausbildung und zwei Jahre Anschlussbeschäftigung.

Das Innenministerium von Horst Seehofer (CSU) bekräftigte zwar seine Ablehnung eines Wechsels vom Asyl- ins Zuwanderungsrecht. Für Änderungen an der 3+2-Regelung zeigte sich sein Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) aber aufgeschlossen: „Ich halte angesichts des Fachkräftemangels im Pflegebereich weitere Lockerungen für überlegenswert“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.

Desweiteren verteidigte Nahles die heutigen Hartz IV-Regelungen. Es müsse zwar einiges geändert werden wie ein verbesserter, unbürokratischerer Zugang zu Leistungen. Aber mit Hartz IV biete Deutschland eine Existenzminimum, wie es viele andere Länder, auch in Europa, nicht hätten. Vergangenheitsdebatten brächten die SPD nicht weiter, fügte Nahles hinzu.

Sie räumte ein, dass sich die SPD bisher zu wenig um Arbeitnehmer in der Dienstleistungsbranche gekümmert habe. Die SPD habe Dienstleistungsberufe wie Erzieherinnen und Erzieher bisher zu wenig unterstützt, sagte sie.

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