SPD-Chef Sigmar Gabriel hat in einem Rundumschlag mit der Haltung von Kanzlerin Angela Merkel und der Union in der Flüchtlingspolitik abgerechnet. Der Vizekanzler warf CDU und CSU zum Abschluss einer Klausur der SPD-Spitze im brandenburgischen Nauen vor, die Sozialdemokraten bei der Integration von über einer Million Flüchtlingen alleinzulassen: „Es kann nicht so sein, dass die einen die Flüchtlinge einladen und die SPD für die Integrationsaufgabe zuständig ist.“ Prüfsteine für Merkel seien greifbare Ergebnisse auf EU-Ebene. Die offenen Grenzen will die SPD unbedingt erhalten.
Gabriel ermahnte die Union, die Bewältigung der Krise sei „eine Gemeinschaftsaufgabe aller in Deutschland“, auch aller Parteien. Merkel habe sich für ihr „Wir schaffen das“ feiern lassen. Nun solle die SPD nach dem Motto „Ihr schafft das schon“ für sie die Suppe auslöffeln.
Die Geschichte der SPD
Ferdinand Lassalle gründet am 23. Mai den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) in Leipzig, der Vorläufer der SPD. Das Datum gilt als Geburtstag der deutschen Sozialdemokratie.
Auf einem Parteitag in Erfurt gibt sich die SPD ein neues Programm und wird zur Massenpartei - für die Rechte von Arbeitern.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ruft der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 9. November in Berlin die Republik aus. SPD und USPD bilden für kurze Zeit eine Revolutionsregierung.
Nach den Wahlen zur Nationalversammlung wird der Sozialdemokrat Friedrich Ebert Reichspräsident.
Mit der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar endet die Weimarer Republik. Die Sozialdemokraten lehnen am 23. März das Ermächtigungsgesetz ab, im Juni verbietet Hitler die SPD. In der Folge werden zahlreiche Sozialdemokraten verfolgt, ermordet und in Konzentrationslagern eingesperrt.
SPD und KPD werden in der sowjetischen Besatzungszone unter Druck zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vereint.
Mit dem Godesberger Programm wandelt sich die SPD im Westen von einer Klassen- zu einer pluralistischen Volkspartei.
Zum ersten Mal ist die SPD in der Bundesrepublik an einer Regierung beteiligt: der Großen Koalition mit der CDU/CSU.
Willy Brandt ist Bundeskanzler der SPD/FDP-Koalitionsregierung. Nach seinem Rücktritt wegen der Affäre um den DDR-Spion Günter Guillaume folgt ab 1974 Helmut Schmidt als Kanzler (bis 1982).
West- und Ost-SPD vereinigen sich zu einer gesamtdeutschen SPD.
Dritter SPD-Bundeskanzler wird Gerhard Schröder (bis 2005). Die SPD regiert mit den Grünen. Mit dem Namen Schröder sind auch die umstrittenen Arbeitsmarktreformen der „Agenda 2010“ verbunden.
Die SPD kommt mit Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier auf nur 23 Prozent der Stimmen und verliert ihre Regierungsbeteiligung. Nach der Wahlniederlage wird Sigmar Gabriel zum neuen Parteivorsitzenden gewählt.
Wenn CDU und CSU ausschließlich darüber nachdächten, wie sie vor den Landtagswahlen im März Stimmung machen könnten, verlasse der Koalitionspartner die gemeinsame Position in der Bundesregierung. „Ich glaube, dass das dem Land nicht guttut und die Bevölkerung von uns gemeinsames Handeln erwartet“, betonte Gabriel, der „chaotische Zustände“ bei Aufnahme und Asylverfahren beklagte.
Beim nächsten Bund-Länder-Gipfel am 28. Januar will die SPD nun ein Fünf-Milliarden-Paket durchsetzen. Damit sollen mehr Sozialwohnungen gebaut sowie Tausende neue Polizisten, Lehrer und Erzieher eingestellt werden. Die „schwarze Null“ im Haushalt dürfe dabei kein Dogma sein.
Nach den Worten von Parteivize Ralf Stegner will die SPD mit ihrer Kritik Alarm schlagen, der Kanzlerin aber keineswegs in den Rücken fallen. „Die SPD ist Teil der Bundesregierung und macht sich nicht vom Acker. Wir sind aber nicht der Arbeitsesel.“
Gabriel verlangte von Merkel erneut, dass sie in der EU eine Gesamtlösung mit sicheren EU-Außengrenzen, Kontingenten zur Verteilung von Flüchtlingen und Hilfen für Flüchtlingslager in Jordanien, der Türkei und im Libanon erzielt. Derzeit seien die EU-Außengrenzen löchrig wie ein Schweizer Käse. „Das ist der Prüfstein für unsere gemeinsam erfolgte Flüchtlingspolitik. Und dafür muss sie als Kanzlerin zuallererst sorgen.“
An eine faire Lastenteilung in Europa glaubt aber selbst Gabriel derzeit nicht. „Ich habe inzwischen die Hoffnung aufgegeben, dass es schnell zu einer Übernahme größerer Flüchtlingskontingente in der Mehrzahl der europäischen Mitgliedsstaaten kommen wird.“
Verärgert zeigte sich die SPD in Nauen über Ideen von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für eine Benzin-Steuer zur Finanzierung von Flüchtlingskosten in Europa. Auch räsonierte Schäuble über einen Einsatz der Bundeswehr im Inland, was Gabriel als verfassungswidrig ablehnt. „Ich würde raten, dass auch der Kollege Schäuble die Geschwindigkeit neuer Vorschläge ein bisschen reduziert.“
Gabriel warf der Spitze der Unionsfraktion vor, eine endgültige Einigung über das Asylpaket II zu blockieren. Es gebe eine klare Verabredung mit Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer, dass der Familiennachzug für syrische Familien nicht eingeschränkt werden solle. In Nauen verabschiedete die SPD Konzepte für mehr Frauenrechte und den Kampf gegen Rechts. Wer nächster Kanzlerkandidat wird, soll erst Anfang 2017 entschieden werden. Alle Finger in der Partei zeigen aber auf Gabriel.