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„Made in Germany“ 2.0: Kommt das erste Datenschutz-Unicorn aus Deutschland?

In den Fünfzigern war „Made in Germany“ das Qualitätssiegel der aufstrebenden Wirtschaftsnation. Was bedeutet es noch in der digitalen Welt? Viele glauben, dass Datenschutz zum nächsten Exportschlager werden kann.

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„Made in Germany“ hat eine fast mythische Bedeutung für die Industrienation Deutschland, denn im kollektiven Gedächtnis spielt diese zum Qualitätssiegel gereifte Produktkennung eine große Rolle beim Wiederaufbau des Landes in den Fünfzigerjahren. Aber diese Welt war analog und ist inzwischen gefühlte Jahrhunderte von unserer digitalen Gegenwart entfernt. Viele weisen heute auf das Thema Datenschutz, bei dem Deutschland und die EU eine starke Rolle spielen, wenn sie den nächsten Exportschlager der deutschen Wirtschaft nach Maschinen, Autos und Chemie identifizieren wollen. Die ehemalige Bundesbeauftragte für Datenschutz, Andrea Voßhoff fragte ganz offensiv: Warum machen wir aus Datenschutz nicht ein Geschäftsmodell?

In der analogen Welt waren die größten Erfinder auch oft die größten Unternehmer: Auf den Entwicklungen von Werner von Siemens basiert die Siemens AG. Gottlieb Daimler und Karl Benz patentierten das Auto, woraus die Daimler AG entstand. In der digitalen Welt ist die Erfolgsliste nicht ganz so beeindruckend: Das mp3-Format wurde beispielsweise am Fraunhofer Institut erfunden, die Übersetzung in ein Geschäftsmodell fand aber in den USA statt.

Ohne Frage geht Deutschland einen eigenständigen Weg beim Thema Datenschutz - sollten wir also nicht die berechtigte Erwartung haben, dass in München, Köln oder Berlin ein deutsches Gründer-Team gerade am nächsten Datenschutz-Unicorn sitzt, dass so groß wird wie Google, Facebook oder Apple? Wer folgt auf Werner von Siemens, Gottlieb Daimler und Karl Benz?

Vielleicht baut Mathias Klenk gerade dieses Unicorn für Datenschutz. Klenk stammt aus Schwaben, studierte an der TU München und im kalifornischen Stanford und ist ein echter Seriengründer. Die Liste seiner Ideen ist lang: ein KI-gesteuerter medizinischer Ratgeber, eine App, die jedem erlaubt, sein Auto zu vermieten, wenn man es gerade nicht braucht, eine Wallet für Kryptowährungen und vieles mehr. Sein Drang nach Unternehmertum war so groß und sein Budget in den Anfangstagen in San Francisco so klein, dass er sich wochenlang nur von billigen Ramen-Nudeln ernährte und unter dem Bett seines Mitgründers geschlafen hat, um über die Runden zu kommen. Die Zeiten haben sich geändert: jetzt ist er CEO von Passbase, einem der ambitioniertesten Start-ups zum Thema Datenschutz und wurde neulich von „Forbes“ in die Liste der 30 erfolgreichsten Gründer under 30 Jahren gewählt. Das volle Interview mit Mathias Klenk finden Sie hier im Podcast „Digitale Optimisten“.

Passbase ist eine Art „PayPal für Datenschutz“ und greift ein Problem auf, das viele internetbasierte Unternehmen haben: Wer ist eigentlich der Kunde oder Partner, der online einen Vertrag abschließen will - oder anders, wie können sie Missbrauch durch Identitätsbetrug verhindern? Weil sich nicht zuletzt durch Covid-19 immer mehr Prozesse ins Internet verlagern, haben nicht nur Versicherungen und Finanzdienstleister dieses Problem, sondern auch immer mehr Teilnehmer der Gig-Economy, Behörden und Gesundheitsanbieter. Genau wie der Bezahldienstleister PayPal ein ehrlicher Mittler für monetäre Transaktionen ist, schaltet sich Passbase zwischen Kunde und Website, automatisiert den Verifizierungsprozess und reguliert den Austausch von personenbezogenen Daten. Klenk hat eine große Vision: Er möchte mit Hilfe von Passbase allen Internetnutzern die Kontrolle über ihre Daten zurückgeben - langfristig will er Passwörter im Internet komplett abschaffen und damit zumindest diese Rolle von Facebook und Google übernehmen.

Gründer Klenk setzt voll auf „Made in Germany“ - und wirbt mit deutschen Standards im Datenschutz und der Tatsache, dass ein großer Teil seiner Firma in Berlin sitzt, sehr erfolgreich um Kunden in der ganzen Welt. Der Standort zahlt sich aus für sein junges Unternehmen, denn viele Kunden - insbesondere in Europa - fragen immer genauer nach, wo die Daten eigentlich gespeichert werden. Passbase hat seinen Kundenstamm in der Corona-Zeit vervierfacht. Rosige Aussichten also für Deutschland? Nicht ganz - der andere Teil von Klenks Firma sitzt in New York, denn ganz ohne die Nähe zum Risikokapital in den USA lässt sich so ein ambitioniertes Projekt derzeit nur schwer realisieren.
Vielleicht zeigt dieses Beispiel, dass deutsche Gründer noch viel mehr Gas im Tank haben, um auch in der digitalen Welt die nächsten Weltkonzerne zu bauen und „Made in Germany“ zu neuem Glanz zu verhelfen. Ohne Frage gibt es in Deutschland viele hungrige Unternehmer, die den Herzschlag technologischer Innovationen in erfolgreiche Start-ups verwandeln können - Werner von Siemens wäre stolz.

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