Übernahmeschlacht um Video-App Warum TikTok für Oracle völlig nutzlos wäre – ein Gebot aber nicht

Milliardär und Trump-Fan: Larry Ellison, Gründer der Software-Firma Oracle. Quelle: Bloomberg

Mit Oracle soll der nächste US-Tech-Konzern an TikTok interessiert sein. Dabei gibt es kaum einen rationalen Grund für einen Kauf. Außer der Politik.

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Neben Microsoft und dem Kurznachrichtendienst Twitter soll sich nun auch der US-Technologiekonzern Oracle für eine Übernahme der chinesischen Video-App TikTok interessieren. Dabei arbeite Oracle mit amerikanischen Investoren zusammen, die ihrerseits am TikTok-Eigner Bytedance beteiligt sind, darunter General Atlantic und Sequoia Capitalberichtete die „Financial Times“. Das löste in der Technologiewelt großes Stirnrunzeln aus. Denn eigentlich gibt es kaum schlüssige Argumente für einen solchen Einstieg.  Weder kennt Oracle das Geschäft, noch gibt es nennenswerte Synergien. Wer dennoch ein Argument für die Übernahme sucht, der muss den Boden der harten betriebswirtschaftlichen Fakten verlassen. Was alles gegen den Kauf spricht - und was dafür. 

von Nele Husmann, Peter Steinkirchner, Jörn Petring

1. Oracle hat keine Erfahrung im Endkunden-Geschäft

Die Mehrzahl der Menschen rund um den Globus dürfte noch nie von Oracle gehört haben. Das hat einen einfachen Grund: Das vom charismatischen Larry Ellison gegründete Unternehmen aus der Nähe von San Francisco ist ein lupenreiner Anbieter von Business-to-Business-Software. Oracle ist Hauptkonkurrent des deutschen Software-Konzerns SAP im Geschäft mit Unternehmenssoftware – angefangen vom Finanzwesen über Personalwirtschaft bis hin zur Buchhaltung. Darüber hinaus sind die Kalifornier Weltmarktführer für Datenbanken.

Alle Geschäftsfelder mit irgendeinem Bezug zum Endkundengeschäft, die Oracle im Zuge früherer Zukäufe erworben hatte – darunter das Office-Paket „Open Office“ des deutschen Unternehmens Star Division – hat der kalifornische Konzern längst abgestoßen. Wie ein vor allem bei Teenagern und jungen Erwachsenen beliebtes soziales Netzwerk wie TikTok hier ins Portfolio passen soll, erschließt sich auch auf den zweiten oder dritten Blick nicht.

2. Oracle spielt bei der globalen Cloud-Infrastruktur keine Rolle

Soziale Netzwerke wie Facebook, LinkedIn oder eben auch TikTok sind – technisch betrachtet – im Grunde gigantische Datenbanken, bei denen ausgefeilte Algorithmen entscheiden, welche Nutzer, welche Inhalte zu sehen bekommen. Und solche Datenbanken, könnte man also argumentieren, gehören ja zum Geschäft von Oracle. 

Doch das sind ganz andere, als es für den Betrieb einer Plattform wie TikTok braucht. Denn um hunderten Millionen von Nutzern weltweit in Sekundenbruchteilen Bilder- oder Videoinhalte auf die Smartphones übertragen zu können, braucht es nicht bloß eine Datenbank, sondern zudem ein weltweites Netzwerk von Cloud-Rechenzentren, die die Inhalte vorhalten und verteilen.

Genau das besitzt Microsoft, das mit seiner Software-Plattform Azure und dem globalen Netz an Rechenzentren inzwischen weltweit zweitgrößter Anbieter von Cloud-Infrastruktur ist. Knapp ein Fünftel des globalen Geschäfts hat sich Microsoft inzwischen gesichert, hinter Amazon, das mit seinem Cloud-Dienst AWS ein Drittel Marktanteil hat.

Oracle dagegen spielt mit gerade mal zwei Prozent Umsatzanteil im globalen Geschäft keine Rolle – und hat schlicht nicht die Kapazitäten, TikTok auf einer eigenen Plattform zu betreiben.

3. Oracle hat keine Synergien bei der Vermarktung von TikTok-Inhalten

Größter Umsatzbringer bei Sozialen Netzwerken ist der Verkauf von Werbung. Hier dominieren Facebook und Google den weltweiten Online-Werbemarkt. Oracle fehlt sowohl die Kompetenz als auch das Personal, um dieses Geschäft nach einer möglichen Übernahme von TikTok selbst betreiben zu können.

Auch hier steht Microsoft deutlich besser da. Mit der Suchplattform Bing und den daran angebundenen News-Portalen besitzt der Windows-Konzern sowohl das Know-how auch die Kanäle zum Endkunden, die eine Vermarktung der TikTok-Inhalte auch über andere Kanäle erlauben würden. Durch die zusätzlichen Werbeerlöse, die Microsoft dabei generieren könnte, könnte sich auch ein milliardenschwerer Zukauf in China rechnen.

Wie dagegen Oracle einen Einstieg bei dem Unterhaltungsportal refinanzieren sollte, ist völlig unklar.

4. Oracle wäre Beelzebub statt Teufel

US-Präsident Donald Trump begründet die Aufforderung an die chinesische TikTok-Mutter ByteDance, das US-Geschäft zu verkaufen, mit der Sorge um die Datensicherheit der amerikanischen Nutzer. Aus europäischer Perspektive allerdings würde die Übernahme des Dienstes durch Oracle gewissermaßen nur den Teufel durch den Beelzebub ersetzen.


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Der Grund: Oracle hat mit seiner Tochter BlueKai ein Unternehmen, das ein umfangreiches Tracking-Netzwerk im weltweiten Web betreibt. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit verfolgt BlueKai weltweit Spuren von Online-Nutzern, wenn diese im Netz unterwegs sind.

Erst Ende Juni dieses Jahres wurde dieser Umstand durch eine Datenpanne mit Milliarden Einträgen publik, bei der auch persönliche Daten von deutschen Internetusern offen im Netz standen. Auch amerikanische Konzerne gehen also mit persönlichen Daten relativ lax um. Mehr Datensicherheit für Endnutzer (amerikanische wie internationale) würde ein Einstieg von Oracle also auch nicht bringen.

5. Oracle könnte ein Interesse haben, Trump zu helfen

Dass Oracle in den Bieterwettlauf einsteigt, könnte aber auch politische statt wirtschaftliche Gründe haben und das Unternehmen macht nur US-Präsident Donald Trump zuliebe bei TikTok mit. Denn Oracle-Gründer Larry Ellison ist ein deklarierter Trump-Anhänger: „Ich unterstütze ihn und will, dass er vorn liegt“, sagte Ellison im April gegenüber dem US-Magazin Forbes. 

Im Februar lud Ellison seine Freunde zu einem hochkarätigen Fundraiser auf sein privates Anwesen mit Golfplatz in Kalifornien ein. Und Safra Catz, die Vorstandschefin bei Oracle, arbeitete 2016 nach Trumps Wahlsieg sogar in dessen Übergangs-Team mit.

Wenn also Oracle in einem Bieter-Wettstreit mit Microsoft den Preis für TikTok hochtriebe, könnte das Trump nur sehr recht sein – er hatte bereits Anfang August angeregt, dass dem amerikanischen Staat eine Art Vermittlerprämie zustünde, wenn ein Deal zustande kommt. 

Er nannte das „Schlüsselgeld“ – ein altmodischer Begriff aus dem Immobiliengeschäft, wenn ein Mieter seinem künftigen Vermieter ein Bestechungsgeld zusteckt, um den Zuschlag zu erhalten. Oracle könnte dafür sorgen, dass die Kasse fürs Steuergeld klingelt. 

Im Gegenzug erhielten Ellison und Catz mit den US-Aktivitäten von TikTok den Zugriff auf ein komplett neues und potenziell lukratives Geschäftsfeld

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