Erderwärmung Klimaforscher korrigieren ihre Prognosen

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Welche Rolle spielt die Natur bei der Erderwärmung?

Mit den Augen eines Astronauten
Seit Dezember schickt der kanadische Astronaut Chris Hadfield regelmäßig Bilder aus dem All. Hier geht der Mond über der Erde auf. Quelle: Chris Hadfield/NASA
Über Belfast - die nordirische Küste zeichnet sich ab. Quelle: Chris Hadfield/NASA
Das schottische Glasgow liegt vor den verschneiten Bergen des Loch Lomond. Quelle: Chris Hadfield/NASA
Eine spektakuläre Aufnahme der Stadt St. John im kanadischen Neufundland. Der Astronaut Hadfield ist gebürtiger Kanadier. Quelle: Chris Hadfield/NASA
Der kanadische Astronaut Chris Hadfield wurde in Sarnia in der Ontario geboren. Diese Stadt sieht man hier im Bild. Seit Ende Dezember ist er erst im All - im März wird er als erster Kanadier das Kommando an Bord der ISS übernehmen. Quelle: Chris Hadfield/NASA
1978 trat Hadfield der kanadischen Luftwaffe bei, die er 2003 wieder verließ. Derzeit ist er als "ziviler" Astronaut bei der kanadischen Luftwaffe. Quelle: Chris Hadfield/NASA
Die chinesische Stadt Hangzhou liegt im Osten der Volksrepublik und hat über sieben Millionen Einwohner. Doch aus dem All sieht auch die Millionen-Metropole winzig aus. Via Twitter grüßte Hadfield die chinesischen Astronauten und würdigte ihre Leistungen. Quelle: Chris Hadfield/NASA

Ein weiteres Problem für die Forscher auf der Suche nach der fehlenden Erwärmung ist, menschengemachte von natürlichen Ursachen zu unterscheiden. So bringt eine schwankende Witterung etwa Pazifikanrainern abwechselnd Dürre und Überflutungen. Zudem verändern diese auch El Niño und La Niña genannten Schwankungen weltweit Luft- und Meerestemperatur.

Wie extrem diese Phänomene sind, erlebte die Welt 1998. Damals führte Rekordhitze in den USA zu Ernteausfällen und Schäden in Höhe von zehn Milliarden Dollar. Ein starkes El-Niño-Ereignis machte das Jahr zum heißesten seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Seitdem aber dominierten La-Niña-Phasen, in denen die Lufttemperatur weltweit sinkt.

Hat also eine atypische Häufung natürlicher Ereignisse die Wärmepause ausgelöst? Klar zu beantworten ist das derzeit nicht. Denn chaotische Kurzfristphänomene und langfristige Schwankungen überlagern sich. Zum Beispiel die sogenannte „Atlantische-Multidekaden Oszillation“, eine Meeresströmung, die auf der Nordhalbkugel die Temperatur stark beeinflusst. Diese Klimaschaukel dauerte im vergangenen Jahrhundert rund 70 Jahre. In diesem Takt nahm die Temperatur im Nordatlantik zu und wieder ab.

Die letzte atlantische Erwärmung begann etwa 1965. Das habe zum globalen Temperaturanstieg bis 2000 beigetragen, glauben zum Beispiel die Forscher Ka-Kit Tung und Jiansong Zhou von der University of Washington in Seattle. Seit 2005 aber geht es mit der Atlantischen Oszillation wieder bergab. Auch das könnte die Aufheizung des Weltklimas durch menschengemachte Treibhausgase gebremst haben.

Jenseits der natürlichen Phänomene gibt dem Hamburger Klimaforscher Jochem Marotzke vor allem eines zu denken: „Von der Energie, die in Form von Sonnenstrahlen in die Erdatmosphäre eindringt, geht nicht alles wieder hinaus“, sagt er. Das hätten viele seiner Kollegen mit Messungen in den vergangenen Jahren nachgewiesen. Nur wo diese Hitze im Treibhaus geblieben ist, weiß derzeit niemand.

Deshalb vermuten einige Forscher, dass in jüngster Zeit weniger Sonnenlicht auf die Erde gelangt ist. Als Ursache kommen sogenannte Aerosole infrage – feine Partikel in der Luft, die das Sonnenlicht wie ein Spiegel abschirmen. Ulrike Lohmann von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich glaubt, dass Aerosole den Temperaturanstieg um bis zu einem Drittel gebremst haben könnten.

Unklar ist allerdings, wo genau die kühlenden Teilchen herkommen. Lohmann hat vor allem asiatische Kohlekraftwerke im Verdacht. Die stoßen riesige Mengen schwefliger Partikel aus. Andere Forscher verweisen auf eine Reihe von Vulkanausbrüchen in den vergangenen Jahren. Auch deren Schmutzwolken könnten Sonnenstrahlung reflektiert haben. Aber ob Kohlekraftwerke oder Vulkane: Werden die spiegelnden Aerosole in der Luft weniger, nimmt die Erwärmung wieder zu.

Die ernüchternde Bilanz, die Jochem Marotzke aus dem Forscherstreit zieht: „Es passiert da etwas sehr Spannendes, aber wir verstehen es derzeit nicht wirklich.“

Bei allem Rätseln um die Ursachen der fehlenden Erwärmung sind sich fast alle Forscher in einem einig: Zwar strahlt die Sonne aktuell schwächer als in den Jahrzehnten zuvor. Doch der Effekt ist so gering, dass er nur einen Bruchteil zur aktuellen Erwärmungspause beigetragen hat.

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