Autoverkäufe Tesla trotzt dem Branchentrend

Tesla-Chef Elon Musk verneigt sich bei einer SpaceX-Veranstaltung vor dem Publikum. Quelle: ddp images

Verkehrte Welt: Ob BMW, Audi oder Ford – in Nordamerika ist der Autoabsatz im zweiten Quartal heftig eingebrochen. Außer bei Tesla. Das lange Jahre verfemte Unternehmen ist plötzlich der Hoffnungsträger der Autobranche.

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Elon Musk kann sich nicht beherrschen. Mehrfach hatte der Tesla-Chef schon angekündigt, die Finger vom Kurznachrichtendienst Twitter zu lassen. Nicht zuletzt, weil die Börsenaufsicht SEC ihm dazu geraten hatte. Am Donnerstagmittag, die Tesla-Aktie hatte gerade wieder einen neuen Höchststand erreicht und den Vorsprung als „wertvollster Autohersteller der Welt“ ausgebaut, goss Musk über den Kurznachrichtendienst Öl ins Feuer. Er machte sich über die Leerverkäufer lustig, die wegen Teslas Höhenflug Milliarden von Dollar verloren haben. Und flachste über das SEC-Kürzel als „Shortseller Enrichment Commission“, also Leerverkäufer-Bereicherungskommission.

Freunde hat er sich in Washington bei der Behörde damit keine gemacht. Anderseits hat Musk von dort wegen seiner Respektlosigkeit ohnehin keine Liebe zu erwarten. Dafür fliegen ihn nun an der Wall Street die Herzen zu, ist das lange Jahre verfemte Tesla plötzlich der neue Hoffnungsträger der Autobranche.

Am Donnerstag hat Musk jedenfalls seine Wettbewerber vorgeführt. Die leiden heftig unter Absatzproblemen in Nordamerika. Bei BMW ging der Absatz im zweiten Quartal um knapp 40 Prozent in den Keller, bei Audi 35 Prozent, bei Nissan fast 50 Prozent und Ford 33 Prozent. Volkswagen schlug sich hingegen fast wacker, mit einem Minus von 29 Prozent, besser als der Branchenschnitt. Negativ-Spitzenreiter ist Mitsubishi mit 58 Prozent.

Die meisten US-Autohändler mussten im April und Mai ihre Pforten schließen. Die verheerenden Zahlen liegen auch an der Kaufzurückhaltung der Kunden. Ford offeriert seit Kurzem die Rücknahme eines Neuwagens, wenn der Käufer seinen Job kurz darauf verliert.

Und Tesla? Der Elektroautohersteller lieferte im zweiten Quartal 90.605 Fahrzeuge aus. Damit liegt er nur knapp fünf Prozent unter dem zweiten Quartal des Vorjahres, für das Tesla 95.200 Fahrzeuge vermeldete.

Zwar sind das weltweite Zahlen und nicht nur Nordamerika. Tesla schlüsselt nicht nach Regionen auf. Doch selbst wenn der Absatz in China maßgeblich dazu beigetragen haben sollte, diese Zahl ist beachtlich. Eins ist klar: Tesla hat wesentlich besser als die Branche abgeschnitten. All das, obwohl der Großteil der Subventionen im Heimatmarkt USA weggefallen ist und mit Preisen von jenseits 30.000 Dollar ein Tesla für viele Käufer immer noch unerschwinglich ist.

Andererseits leidet die Tesla-Klientel weniger unter Jobverlust, weil dieser in den USA vornehmlich Leute getroffen hat, die ohnehin gerade so über die Runden kommen. Zumindest war das bislang so. Nun trifft es zunehmend die Mittelschicht, was die Autoverkäufe im dritten Quartal weiter drücken dürfte. Allerdings hätten dann Premiummarken wie BMW oder Audi im zweiten Quartal nicht so schlecht abschneiden dürfen. Wahrscheinlich hat das Vertriebsnetz eine Rolle gespielt. Bei Tesla macht sich bezahlt, dass das Unternehmen kein eigenes Händlernetz unterhält und seine Autos direkt über das Internet vermarktet.

Besonders eindrucksvoll ist jedoch, dass im zweiten Quartal 82.272 Teslas gefertigt wurden, obwohl das Stammwerk in Fremont wegen Covid-19 am 23. März schließen musste und erst Mitte Mai nach einem Showdown mit der örtlichen Gesundheitsbehörde seine Produktion wieder startete. Das spricht dafür, dass das neue Werk in Shanghai stark zur Produktion beigetragen hat.



Die nächste Etappe ist nun die Vorlage der Quartalszahlen Ende des Monats. Gelingt es Tesla, dieses besonders herausfordernde Quartal mit einem Gewinn abzuschließen, wäre es der vierte Quartalsgewinn in Folge. Und hätte damit auch einen psychologischen Wert für Anleger. „Es sieht eng aus“, teilte Musk seinen Mitarbeitern in einer geleakten E-Mail mit.

Das Tesla im zweiten Quartal 8000 Fahrzeuge verkaufen und verbuchen konnte, die im ersten Quartal gefertigt wurden, gibt zumindest schon mal Rückenwind. Mit dem Model Y hat Tesla zudem ein neues Angebot im besonders populären SUV-Segment, das wesentlich weniger als sein Flaggschiff Model X kostet und mehr Nutzwert bietet.

Seine Model S und Model X-Reihe ist jedoch in die Jahre gekommen, von ihr wurden nur 10.600 Stück im zweiten Quartal verkauft. Im zweiten Quartal des Vorjahres waren es noch 17.650. Sie muss dringend auch äußerlich überholt werden.

Tesla muss zudem bei der Qualität nachbessern. Die hatte der Autohersteller im vergangenen Jahr nach vielen Problemen mit dem Model 3 besser in den Griff bekommen. In diesem Jahr scheint Tesla jedoch wieder zu schludern.

Bei der jüngsten Studie des Beratungsunternehmens J.D. Power, die US-Kunden regelmäßig nach ihren Erfahrungen mit ihren Neuwagen befragt, landete Tesla mit 250 Problemen pro 100 Fahrzeugen auf dem letzten Rang. Der Branchenschnitt ist 166. Befragt wurden Kunden, die ihren Wagen im Februar und März erworben beziehungsweise geleast hatten.

Zwar kooperiert Tesla im Gegensatz zum Rest der Branche nicht mit J.D. Power. Daten können so mit dem Hersteller nicht abgeglichen und diskutiert werden. Dass Tesla jedoch auch bei seinem neuen Model Y Probleme hat, zeigen die vielen Beschwerden in Tesla-Foren, die sich über mangelhafte Verschraubung von Sitzen oder schludrige Lackierung ärgern. Zwar ist Tesla dafür bekannt, dass es solche Fehler relativ schnell behebt oder aber die Autos in den USA innerhalb von sieben Tagen auch zurücknimmt. Doch das kostet natürlich.

Allerdings profitiert Tesla ähnlich wie lange Jahre Apple vom guten Willen seiner Fans. Bei der US-Verbraucherzeitschrift „Consumer Reports“ führt Tesla stets bei Kundenzufriedenheit vorn, trotz aller Mängel.

Nichts scheint Musk derzeit stoppen zu können. Auch nicht die Konstruktion seiner ersten europäischen Fabrik nahe Berlin, wo weitergebaut wird, obwohl die endgültige Genehmigung noch nicht vorliegt. Zudem will Tesla nun mehr Bäume abholzen, um Platz für eine Teststrecke zu schaffen. Falls das auf Widerstand stoßen sollte, hat Musk sicherlich noch den einen oder anderen Tweet im Ärmel. Deutsch soll er nach eigener Auskunft auch etwas beherrschen.

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