BMW 7er Fahrbericht: Das kann der elektrische Luxus-BMW

BMW 760i - in der siebten Generation kriegt jetzt das Flaggschiff der Münchner einen elektrischen Bruder Quelle: BMW

Auch 45 Jahre nach Debüt ist der 7er BMW das Flaggschiff des Münchner Konzerns. Nun startet der Verkauf der neuesten Generation, die mit dem i7 erstmals eine elektrische Version offeriert. Erste Fahreindrücke aus Palm Springs.

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Für Frank Weber hat dieser Oktobertag mehr als 24 Stunden. Am Vormittag hat der BMW-Entwicklungschef noch an einer Vorstandssitzung in München teilgenommen, ist dann gegen Mittag mit dem Firmenflieger nach Kalifornien gedüst. Er will der internationalen Presse die neue 7er Reihe von BMW vorstellen, diesmal mit Serienfahrzeugen. Präsentiert wurde sie bereits im April, im November beginnt nun der weltweite Marktstart. „Ich wollte das unbedingt persönlich tun, um direktes Feedback zu bekommen“, erklärt Weber, als er in Palm Springs, zwei Autostunden östlich von Los Angeles Innenstadt gelegen, eintrifft. Hier herrschen noch sommerliche Temperaturen, vor allem sind die Straßen frei von Verkehr.

Die 7er-Reihe ist, 45 Jahre nach ihrer Premiere, in ihrer nunmehr siebten Generation immer noch das Flaggschiff des Münchner Autobauers. Eine schwere Luxuskarosse, bei Konzernchefs, Außendienstlern mit Statusanspruch und Spitzenpolitikern gleichermaßen beliebt, eine gepanzerte Version wird es auch in der siebten Generation geben. Erstmals gibt es den 7er BMW auch in einer elektrischen Variante – den i7 –, was in München in dieser Klasse einem Kulturschock nahekommt. BMW war bei der elektrischen Revolution zwar mit dem i3 früh dabei, doch zögerte lange mit weiteren reinen Elektroautomodellen.

Nicht nur die Motorisierung, auch der Absatzmarkt hat sich über die Jahrzehnte drastisch verändert, genau wie die Weltwirtschaft. Europa, so stellt die BMW-Marktforschung fest, ist für die 7er Reihe mit neun Prozent ein eher kleiner Absatzmarkt. Weit wichtiger sind mit 20 Prozent Nordamerika und – natürlich – mit 26 Prozent der Mittlere Osten. Aber niemand reicht ans Reich der Mitte heran. Aus China erwartet man 45 Prozent der Nachfrage, also fast die Hälfte des Marktes. Und eine drastisch jüngere Klientel. In China ist es der 38-jährige aufstrebende Unternehmer. In Nordamerika und Europa haben die Käufer mit 56 Jahren beziehungsweise 57 Jahren ihre Midlife-Krise bereits hinter sich. Die Entwickler der neuesten Generation müssen also nicht nur zwei Jahrzehnte Unterschied überbrücken. Sondern neben einem anderen Lebensgefühl auch die unterschiedliche Nutzung berücksichtigen. In Europa wird vornehmlich der Käufer die „Freude am Fahren“ empfinden. In den staugeplagten chinesischen Metropolen wird es oft der Chauffeur sein, während der Besitzer der Limousine es sich hinten auf einer „Executive Lounge“ bequem macht, einem Liegesessel mit Beinablage, fast wie in der Business Class von Flugzeugen. Um das Raumgefühl auszureizen ist die neueste Generation – anders als die Vorgänger – nur mit langem Radstand erhältlich.

BMWs Flaggschiff ist schwer gewachsen
Das BMW-Flaggschiff 7er wird seit den Neunzigerjahren turnusgemäß alle sieben Jahre neu aufgelegt. Quelle: BMW
Riesig ist auch der Kühlergrill des neue 7er, der von schlitzartigen Leuchteinheiten flankiert wird Quelle: BMW
Ebenfalls deutlich größer geworden sind die Bildschirme im Cockpit des neuen 7er Quelle: BMW
Der neue BMW 7er 2022 bietet ein Entertainment-System mit einem aus dem Dachhimmel ausfahrenden „Theatre Screen" Quelle: BMW
Die Türgriffe sind beim neuen 7er bündig mit der Blechhaut Quelle: BMW

Auch bei BMW ist die „Zukunft elektrisch“, allerdings nicht so schnell

Es ist kurz vor 20 Uhr, als Weber auf eine kleine Bühne im Luxushotel Ritz Carlton in Rancho Mirage springt. Links flankiert vom Star des Abends, einem schwarzen BMW 760i, mit einer beleuchteten Doppelniere aus LED-Lichtern als Kühlergrill, hergestellt in Dingolfing. Rechts von ihm ein graublauer BMW X7 SUV, gefertigt in Spartanburg, South Carolina, vor allem für den US-Markt gedacht. „Die Zukunft ist elektrisch“, sagt Weber. Das hat eine gewisse Ironie, denn beide Fahrzeuge neben ihm sind Verbrenner.

Was man beim 7er BMW jedoch nicht auf den ersten Blick erkennt. BMW hat sich entschieden, die elektrische Version der 7er Reihe auf der gleichen Plattform und im gleichen Gewand wie Diesel und Benziner Verbrenner sowie Hybrid-Antrieb zu entwickeln. Eine umstrittene Entscheidung, die Weber wortgewandt verteidigt. Für ihn, so sagt er, „dreht sich alles um Flexibilität.“ Elektrisch werde sich durchsetzen, aber eben mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit in den verschiedenen Märkten. BMW kann dank der einheitlichen Plattform so Verbrenner, Hybride und vollelektrische Versionen auf einer Produktionsstraße fertigen und der Nachfrage anpassen.

„Der Kunde entscheidet“, erklärt Weber. Der Hersteller hat mehr Freiheiten, falls Komponenten für elektrische Fahrzeuge – wie Akkus – mal knapp werden sollten. Oder die Nachfrage einbricht. Wobei Fördergelder bei einem Einstiegspreis jenseits der 130.000 Euro ohnehin keine Rolle spielen.

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Mit diesem Universal-Ansatz ist BMW einzigartig. Fast alle anderen Hersteller – allen voran Erzkonkurrent Mercedes – haben elektrische Fahrzeuge entwickelt, die sich nicht nur beim Antrieb, sondern auch optisch deutlich vom Verbrenner absetzen. Und Freiheiten beim Design genutzt. Der direkte Konkurrent Mercedes EQS hat den durch weniger Komponenten möglichen Raum für mehr Akkukapazität genutzt, er kommt laut Hersteller auf bis zu 770 Kilometer pro Ladung. Die Reichweite vom i7 wird mit 625 Kilometer angegeben. Beides nach WLTP-Norm. Ob der BMW vielleicht im Alltag mehr schafft, müssen unabhängige Tests zeigen.

BMW hat beim i7 auf einen vorderen Kofferraum verzichtet

Wobei auch Mercedes bei seinem EQS nicht die Möglichkeiten ausgeschöpft hat, die ein elektrisches Fahrzeug bietet. Einen vorderen Kofferraum sucht man dort vergeblich. Genauso wie beim BMW i7. Das machen Tesla, Lucid und Audi anders. Den sogenannten Frunk würden die Leute doch ohnehin nicht nutzen, winkt ein BMW-Ingenieur ab.

Trotzdem, Weber nimmt man das Bekenntnis zum elektrischen Fahren ab. Der jungenhaft wirkende, 56jährige Maschinenbauingenieur, ist ein Pionier des elektrischen Fahrens. Ausgebildet wurde er an der TU Darmstadt. Bei General Motors war er von 2007 bis 2010 für die Entwicklung der Hybride Chevrolet Volt und Opel Ampera zuständig, bevor er 2011 zu BMW wechselte.

Webers Vorgänger Klaus Fröhlich ist hingegen für seine Leidenschaft für Verbrennungsmotoren berüchtigt, was ihm in der Branche den Spitznamen Kolben Klaus einbrachte. Als Weber ihn vor zweieinhalb Jahren ablöste, war die Entscheidung, den elektrischen 7er im gleichen Gewand wie Verbrenner und Hybride zu offerieren, schon getroffen. Zweifel sucht man bei Weber jedoch vergebens. Ganz im Gegenteil: Selbst zu später Stunde verteidigt er beim Abendessen leidenschaftlich den Kurs.

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Richtig oder nicht – auf Weber wird es zurückfallen. Die 7er Reihe ist das Produkt, an dem der Entwicklungschef gemessen wird. Vielleicht ist auch ein behutsames Übergleiten ins elektrische Zeitalter der bessere Ansatz für die eher als konservativ geltende Klientel vom BMW.

Beim sportlichen Fahren kann allerdings auch das Topmodel des i7 mit der BMW typischen kryptischen Bezeichnung i7 M70 xDrive den Flaggschiffen von Tesla und Lucid nicht das Wasser erreichen. Der i7 M70 XDrive ist zwar laut Hersteller „das stärkste jemals für die Straße zugelassene BMW-Modell“, welches in „weniger als vier Sekunden von null auf 100 Kilometer beschleunigt.“ Teslas Flaggschiff Model S Plaid schafft das in 2,1 Sekunden, der Lucid Air in 2,7 Sekunden.

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