Der Motor des gut zwei Tonnen schweren Mercedes S65 AMG Coupé brummt nicht, er knurrt. Das 630-PS-Monster mit Zwölfzylinder hat großen Appetit auf Benzin und Euro. Fast eine Viertelmillion Euro muss berappen, wer das brandneue Modell des Stuttgarter Premium-Autobauers fahren will. Auf dem Moskauer Autosalon, wo der Bolide derzeit Welt-Premiere feiert, findet sich das passende Publikum – russische Milliardäre und Oligarchen.
Alles, was groß und teuer ist, rollt auf den roten Teppich. BMW zeigt den X5 mit Security-Plus Paket. Die Plus-Version ist noch stärker gepanzert, der Wagen der Schutzklasse VR 6 soll Angriffen mit einer Kalaschnikow standhalten können.
Fast schon harmlos wirkt da das Messeaufgebot von Renault. Die Franzosen, die in ihrer Allianz mit Nissan über direkte und indirekte Beteiligungen fast 50 Prozent als Russlands größtem Autobauer AvtoVaz (Lada) halten, präsentieren mit dem R.S.01 einen Supersportwagen für die mit mehr als 500 PS, den eine V6-Maschine mit zwei Turboladern und 3,8 Litern Hubraum über die Rennstrecke katapultiert.
Die stärksten Marken auf Russlands Automarkt
Mit 456.309 verkauften Fahrzeugen ist Lada die stärkste Marke auf dem russischen Markt mit einem Anteil von über 20 Prozent. Die Marke des Herstellers AvtoVaz verliert allerdings seit Jahren an Bedeutung. Im Vergleich zu 2012 wurden 2013 gut 15 Prozent weniger Ladas verkauft.
Renault-Nissan hält über direkte und indirekte Beteiligungen fast 50 Prozent an Russlands größtem Autobauer AvtoVaz (Lada). Renault verkaufte im vergangenen Jahr 210.099 Modelle in Russland (+11%) und ist damit mit einem Marktanteil von gut 8 Prozent die zweitstärkste Marke. Durch seine enge Verflechtung mit dem Lada-Hersteller hat Renault einen sehr hohen Anteil von lokalen Zulieferern. Die so genannte Sourcing-Quote liegt bei 80 Prozent.
Die Koreaner haben derzeit rund 7 Prozent Marktanteil mit 198.018 verkauften Modellen. Sechs Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Schwester-Marke von Kia kann sich ebenfalls gut behaupten. Sie verkaufte 1881.153 Autos in Russland – vier Prozent mehr als 2012.
Auch die Amerikaner machen in Russland gute Geschäfte - noch. Die Schwester-Marke von Opel verkaufte 2013 genau 174.649 Autos. 15 Prozent weniger als 2012. Mutterkonzern General-Motors hat entschieden, dass Chevrolet in Europa nur noch bis 2016 verkauft wird, dann soll Opel die Märkte übernehmen.
Diese Superlativen sind einer Klientel vorbehalten, das sich weder um einen Kraftstoffverbrauch von 20 Liter auf 100 km/h noch um horrende Importzölle schert. Die Nobelmarken Daimler, Audi und BMW können hier in Moskau mit ihren PS-Boliden für die russische Upper-Class protzen. Das Geschäft mit Premium- und Luxuskarossen läuft allen russischen Krisenherden zum Trotz noch gut.
Immer düsterer sieht es dagegen für Volumenherstellern wie Ford und General Motors aus. In den ersten sieben Monaten ging der Neuwagenmarkt in Russland um knapp 10 Prozent auf 1,41 Mio. Einheiten zurück, allein im Juli betrug das Minus 23 Prozent.
General Motors fährt wegen des Nachfrageeinbruchs die Fertigung in seinem St. Petersburger Werk drastisch zurück. Im August und September wird nur an vier Tagen gearbeitet, im Oktober an acht.
Wie es danach weitergehen soll, ist offen. Volkswagen dagegen wird dagegen trotz der Ukraine-Krise und aktueller Schwäche des russischen Marktes seine Fertigung in Kaluga und in Nishni Nowgorod vorerst nicht drosseln. Wie Marcus Osegowitsch, Generaldirektor von Volkswagen Russia, am Rande des Automobilsalons in Moskau erklärte, werde VW die Produktion bis auf weiteres in vollem Umfang aufrecht erhalten.
Eine „taktische“ Drosselung der Produktion in den kommenden drei Monaten schloss er aber nicht aus: „Wir fahren auf Sicht“, sagte er. Die Investitionen in eine neue Motorenproduktion und ein neues Ersatzteillager bleiben vollständig erhalten. Volkswagen baut derzeit an den beiden Standorten insgesamt sechs Modelle der Marken VW und Skoda.
Im Dezember soll mit dem VW Touareg ein siebtes Modell hinzukommen. Osegowitsch geht trotz der aktuellen Marktschwäche davon aus, dass der Volkswagen-Konzern seinen Marktanteil von derzeit rund elf Prozent in diesem Jahr leicht ausbauen kann. Dennoch werde der Absatz wohl geringer ausfallen als im Vorjahr: Osegowitsch rechnet für 2014 mit einer Produktion von rund 200.000 Autos in Russland – das wären sechs Prozent mehr als im Vorjahr mit 188.000.
Absatz deutscher Hersteller in Russland
Audi konnte den Absatz seiner Fahrzeuge in Russland im vergangenen Jahr um 7,9 Prozent auf 36.150 steigern.
BMW verkaufte 44.871 Fahrzeuge der BMW-Group im russischen Markt. 11,8 Prozent mehr als im Vorjahr.
Mercedes setzte 2013 in Russland 44.376 Autos ab. 19 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Wolfsburger verkauften 156.247 Fahrzeuge der Marke VW in Russland. Fünf Prozent weniger als 2012. VW ist damit aber immer noch die sechststärkste Marke auf dem russischen Markt.
Alle hoffen, dass sich die politischen Konflikte bald lösen lassen. Doch selbst wenn das der Fall ist, bleibt die traurige Erkenntnis: der russische Automobilmarkt wurde massiv überschätzt. Schon für 2013 hatten verschiedene Beratungshäuser Russland, prophezeit den deutschen Automarkt nach Volumen zu überholen. Die magische Grenze von drei Millionen abgesetzter Fahrzeuge waren zum Greifen nah. Doch dann wurden die russischen Verbraucher immer ängstlicher, wichtige Unterstützungsprogramme liefen aus und viele schoben den Kauf eines neuen Autos auf.
Die jetzigen Spannungen zwischen Russland der EU und den USA sind nur einer von vielen Faktoren für den Absatzrutsch. 15 Prozent weniger Autos in 2014. Erst in zwei oder drei Jahren wird es langsam wieder Berg auf gehen, so die Prognose des Beratungshauses PwC. Also heißt es Durchalten.
Was bleibt den Hersteller auch übrig? Sie haben Milliarden in den Aufbau von Produktionen in Russland gesteckt. VW will bis 2018 rund 1,2 Milliarden Euro investieren. Continental hat eben ein neues Werk zur Produktion von Motorsteuergeräten und Kraftstofffördereinheiten aufgebaut. Ford kündigte vor wenigen Tagen an, ein Werk des Joint-Ventures Ford Sollers für 112 Millionen Euro zu modernisieren, um dort den neuen Fiesta zu bauen.