Ausbildungsmarkt „Zugang zu den Fachkräften von morgen“ bleibt zunehmend verwehrt

Auszubildende in der Steuerkabine eines Lastenkrans. Die Besetzung aller Ausbildungsplätze wird immer schwieriger – sogar für die großen Konzerne. Quelle: dpa

Die Wirtschaft hat zunehmend Probleme, offene Ausbildungsstellen zu besetzen. Selbst große Konzerne konnten noch nicht für alle Stellen des gerade gestarteten Ausbildungsjahrgangs geeignete Bewerber einstellen – darunter Continental, Deutsche Bank und Commerzbank. Das zeigt eine Umfrage der WirtschaftsWoche unter großen Unternehmen. 

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Die Bundesagentur für Arbeit fasste das große Problem am Mittwoch in eine große Zahl: Insgesamt waren am 30. September noch 68.900 der von Firmen angebotenen Ausbildungsstellen unbesetzt – 5700 mehr als im Vorjahr. Die gravierendsten Schwierigkeiten machte die Arbeitsagentur in Branchen wie Lebensmittel, Hotel- und Gaststätten oder in Bau- und Baunebenberufen, im Berufskraftverkehr sowie in Metallberufen aus.

Doch eine Umfrage der WirtschaftsWoche unter großen Konzernen vor allem aus dem Dax zeigt: Auch Dickschiffe wie Continental, Deutsche Bank und Commerzbank konnten nicht alle Ausbildungsstellen besetzen. Bei Continental dauert die Rekrutierung zwar noch an – und doch wurden erst rund 480 von mehr als 530 verfügbaren Ausbildungsplätzen besetzt. Deutsche Bank und Postbank haben in diesem Jahr rund 600 Plätze für Ausbildung und das duale Studium angeboten. „Hiervon konnten wir rund 80 Prozent besetzen“, heißt es bei der Deutschen Bank. In das aktuelle Ausbildungsjahr sind folglich am 1. August nur 418 Auszubildende und 80 dual Studierende gestartet.

Bei der Commerzbank haben am 1. August zwar rund 190 Auszubildende und dual Studierende angefangen. Doch „in diesem Jahr erleben wir erstmalig einen Rückgang“, hieß es bei den Frankfurtern. Man habe die Ausbildungsplätze „nicht voll umfänglich besetzen“ können. Insgesamt bietet die Commerzbank acht Berufsausbildungen und duale Studiengänge an, darunter auch Ausbildungen zum Fachinformatiker der Anwendungsentwicklung oder Systemintegration.

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Immer mehr junge Menschen entscheiden sich für das Abitur oder für ein Studium  

Die Deutsche Bank spricht nun von „spürbare Herausforderungen“. Die Banken führen ihre Probleme wie viele andere Firmen auch auf die demografische Entwicklung und den Rückgang der Zahl der Schulabgänger zurück. „Als Gründe für den allgemeinen Rückgang sehen wir die demografische Entwicklung und den Umstand, dass sich immer mehr junge Menschen für das Abitur und/oder für ein Studium entscheiden“, heißt es etwa bei der Commerzbank. Das habe zur Folge, dass die Bewerbungen, vor allem seit der Coronakrise, stark zurückgegangen seien. 

Doch man packt sich auch an die eigene Nase: „Infolge der Finanzmarktkrise hat die Attraktivität der Bankausbildung abgenommen“, so die Deutsche Bank. Viele Firmen sehen zudem einen Trend zu höheren Bildungsabschlüssen. Das wirke sich „stark bei Ausbildungsberufen wie dem Bankkaufmann/der Bankkauffrau aus, die auch Abiturienten ansprechen sollen“, meint die Deutsche Bank. Besonders bei den angebotenen Berufen im IT-Bereich sehen viele Firmen zudem einen harten Wettbewerb mit anderen Unternehmen, die angesichts der zunehmenden Digitalisierung ebenso um Talente kämpfen. 

Hinzu kommt: Manch ein Angebot für einen Ausbildungsplatz lehnt der Bewerber doch noch ab. Solche Nichtannahmen würden laut Deutscher Bank „häufig mit der derzeitigen Lage in der Finanzwirtschaft oder den öffentlich bekannten Restrukturierungen (Personalabbau) begründet und nehmen weiter zu“. 

„Bewerbermangel in produktionsnahen Ausbildungsberufen“

Während die anderen ihre Suche nun abgeschossen haben, will Continental die offenen Stellen weiter besetzen: Doch ein „deutschlandweiter Bewerbermangel in fast allen Berufsgruppen, besonders aber in produktionsnahen Ausbildungsberufen“, erschwere die angedachte Besetzung der noch offenen Plätze, heißt es aus Hannover. 

Auch andere Autozulieferer melden Probleme: Mahle etwa konnte für den Ausbildungsstart am 1. September und 1. Oktober nur 109 der geplanten 124 Ausbildungsplätze besetzen. Offene Stellen seien „eher regional statt fachspezifisch begründet“, heißt es bei Mahle. Insbesondere der fehlende Zugang zu Schülern während der Coronazeit habe „das Erleben von Berufsmöglichkeiten durch Praktika erschwert“. Mahle sei bei Schülerpraktika „sehr aktiv“.

Der Autozulieferer Bosch hingegen hat für das Ausbildungsjahr 2022 alle Ausbildungs- und dualen Studienplätze besetzt. Rund 1400 junge Menschen haben in diesem Herbst eine Ausbildung oder ein duales Studium bei Bosch in Deutschland aufgenommen – zugleich „spüren auch wir gegenüber den Vorjahren einen deutlicheren Wettbewerb um junge Talente, vor allem in den Ausbildungsrichtungen Informatik, Elektrotechnik und Mechatronik“, heißt es bei Bosch.

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