Eurowings Discover Der bewaffnete Arm der Lufthansa

Neuer Look: So sehen die Discover-Flugzeuge künftig aus. Quelle: dpa

Die Lufthansa stellt ihre Billigtochter Discover zwei Jahre nach dem Start neu auf. Ein Blick auf ihr Schweizer Vorbild zeigt: Das allein wird wohl nicht reichen, um sie erfolgreich zu machen.

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Bei seiner jüngsten Marke mochte es Lufthansa-Chef Carsten Spohr von Anfang an etwas mehrdeutig. Mit dem Namen Discover versprach der Ferienflieger nicht nur Kunden die Gelegenheit, neue Ziele zu entdecken. „Auch die Lufthansagruppe erkundete auf diesem Weg neues Terrain“, heißt es aus Aufsichtsratskreisen.

Denn als die neue Tochter im Juli 2021 mit einem Flug von Frankfurt nach Mauritius den Betrieb aufnahm, war bei Discover für Lufthansa-Verhältnisse vieles ungewöhnlich: für Passagiere die Preise der Fernflüge sowie der Magerservice im Standardtarif – und für die Beschäftigten die Arbeitsbedingungen als Start-up: ohne den gelben Konzernausweis, der unter anderem Tickets zum Mitarbeiterrabatt verspricht.

Heute macht Discover den nächsten Schritt. In einem Raum neben der hippen Firmenzentrale am Frankfurter Flughafen präsentierte Firmenchef Bernd Bauer ein neues Firmendesign und das erste neugestaltete Flugzeug. Die sichtbarste Veränderung: In der Darstellung verschwindet bei Discover mehr oder weniger der Zusatz „Eurowings“ nebst der Farbelemente in Lila.

Die Gesellschaft startet mit ihren derzeit 22 Maschinen in Deutschland ausschließlich von den Lufthansa-Drehkreuzen Frankfurt und München. Discover-Chef Bauer kündigte für das kommende Jahr sechs neue Flugzeuge an. Davon sollen fünf Kurzstrecken-Jets vom Typ Airbus A320 in München stationiert werden. Ein A330-Langstreckenjet kommt in Frankfurt hinzu, wo mit 23 Flugzeugen der Kern der Flotte stationiert sein wird. Ab 2025 will Discover auch Fernflüge ab München anbieten.

Eurowings Discover soll mit günstigen Tickets locken

Auch die vergleichsweise kleine Veränderung hat eine doppelte Bedeutung: „Discover wird unabhängig“, sagt ein Aufsichtsratsmitglied. „Zumindest hat die Linie jetzt endlich eine faire Chance dazu.“ Als eigene Marke neben Lufthansa soll Discover mit günstigen Tickets und schneller Reaktion auf Kundenwünsche zwei Dinge erreichen: dem Konzern eine neue Klientel erschließen, der die Kranichangebote bisher zu teuer waren – und gleichzeitig Konkurrenten im Zaum halten, damit diese nicht mit zu viel Angebot die derzeit rekordhohen Preise am wichtigsten Lufthansadrehkreuz ins Rutschen bringen. „Quasi als der bewaffnete Arm gegen Condor, wie zuvor Eurowings gegen Easyjet“, sagt das Aufsichtsratsmitglied.

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Für die Rolle ist ein Neustart bitter nötig. Denn bislang bleibt Discover aus Sicht der Lufthansaführung noch unter den Möglichkeiten. Viele im Aufsichtsrat, die Konzernchef Spohr jahrelang mangelnde Risikobereitschaft und fehlende Innovation vorwarfen, kritisieren nun, dass die neue Linie finanziell nicht so recht Höhe gewann. Sie schrieb im vorigen Jahr dem Vernehmen nach mit 170 Millionen Euro einen kaum geringeren Verlust als die deutlich größere klassische Eurowings. Das lag nicht an zu viel, sondern an zu wenig Risikobereitschaft. Denn das Management beugte sich im Auf und Ab der zwei Gründerjahre zu oft beim Flugplan oder der Arbeitsweise der Konzernraison. Hinzu kam: Kunden fanden die vermeintlichen „Eurowings“-Tickets nicht auf der Website von Eurowings – denn sie waren zu Beginn nur bei der Lufthansa direkt zu buchen.

Ferienlinie wie Swiss-Tochter Edelweiss

Gedacht war das mal anders, als der Aufsichtsrat dem Gründungsgeschäftsführer Wolfgang Raebiger im Herbst 2019 das Okay für das damals noch „Project Ocean“ genannte Vorhaben gab. Weil das Kerngeschäft des Konzerns Premiumverkehr und Geschäftsreisen bereits seit der Finanzkrise ab 2008 lahmte, wollte die Gruppe stärker im verlässlich wachsenden Urlaubsverkehr Fuß fassen.

Doch alle Versuche mit vorhandenen Konzerntöchtern scheiterten. Zum einen flog selbst die Billigtochter Germanwings wegen hoher Gehälter und zunehmend komplexer bürokratischer Abläufe teurer als etwa Condor und erst recht die überdies staatlich unterstützten Wettbewerber wie Turkish Airlines oder Qatar Airways. Dazu fremdelte der Vertrieb mit den Ansprüchen der bei Überseeferien dominanten Reiseveranstalter wie Tui oder die Rewe-Tochter Dertour.

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Also ersannen Konzernchef Spohr und Vorstand Detlef Kayser, damals Strategiechef, eine reine Ferienlinie. Sie sollte sein: kunden- und veranstalterorientiert wie die Swiss-Tochter Edelweiss, aber zugleich wie ein Startup tarifvertragsfrei im Großraumbüro mit niedrigeren Gehältern, flexiblen Arbeitsstrukturen und schnellen Entscheidungen.

Als „Euro-Disco“ veralbert

Doch so recht kam das „Project Ocean“ nicht vom Fleck. „Wir können unser Produkt weitgehend autonom gestalten und integrieren dabei aus dem Lufthansa-Konzern nur die Komponenten, die zur Zielgruppe der Urlaubsreisenden passen“, sagte Raebiger zwar beim Start. Doch stattdessen wurden er und sein Team in ihrer „The Bay“ genannten Bürofläche im Frankfurter Flughafenbahnhof zunehmend ferngesteuert. Sie mussten auf Druck der nahen Zentrale ihr unerprobtes Langstrecken-Konzept gleich zu Beginn verwässern mit zusätzlichen Kurzstreckenverbindungen und aufgenötigten Tarifregeln. Als der Hauptmarke Lufthansa Jets fehlten, strich der Neuling gar Flüge und gab den Standort München auf.

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Dazu stieß die intern als „Euro-Disco“ veralberte Tochter in den eigenen Reihen auf Widerstand. Denn ein Erfolg, so die Befürchtung, könnte die ganze eingefahrene Arbeitsweise des Konzerns entzaubern. „Darum waren die immer das ungeliebte Kind“, so ein führender Gewerkschafter.

Das soll nun anders werden, verspricht der neue Chef Bauer. Er führt bereits seit neun Jahren die Swiss-eigene Ferienlinie Edelweiss, intern das Vorbild von Discover. Zwar gibt sich der seit 30 Jahren in der Swiss-Gruppe aktive Manager konzernfreundlich. „Das Markenbild muss zur Lufthansa passen“, sagt er und machte lange Zeit kostenpflichtige Extras wie Decken oder Sitzplatzreservierungen wieder gratis. Doch gleichzeitig setzt der gelernte Netzplaner auf Abgrenzung. „Wir wollen eigenständig unser Geschäft betreiben“, so Bauer, denn erfolgreich sei eine Airline nur, „wenn die Ausrichtung klar ist und wenn man weiß, was man erreichen möchte.“

Und das sind keine hohlen Worte, so ein Insider. Anders als sein Vorgänger Raebiger wisse Bauer, wie er den Konzerneinfluss abperlen lassen kann. „Er kennt die Gesetze des Machtapparats aus dem Effeff, muss nichts mehr beweisen und kann sich durch Opposition keine Karriere mehr verbauen, weil er der Lufthansa-internen Altersgrenze recht nahe ist.“



Die Konzernmutter Lufthansa im Nacken

Ob das Discover so erfolgreich macht, dass es ihr besser geht als den vielen Billiglinien vor ihr? Denn bei aller Ähnlichkeit und gleichem Chef bleiben doch entscheidende Unterschiede. Edelweiss ist das wohl profitabelste Feld das Konzerns, weil die Ferientochter im Service statt global ungeniert eidgenössisch ist und sich damit eine treue Kundschaft aufbaut, die gerne einen Aufpreis zahlt. Gleichzeitig füllt sie ihre Maschinen fast ohne teure Zubringer und hatte in der Heimat das Feld mindestens 20 Jahre lang für sich allein. Die Mutter Swiss interessierte sich kaum für den Ferienverkehr, und es gibt vor allem in Zürich kaum Konkurrenz.

Discover hingegen sitzt die Konzernmutter im Nacken, die auf jede halbwegs erfolgreiche Strecke Anspruch erheben dürfte. Dazu gibt es mit Condor einen effizienten und vor allem erfahrenen Wettbewerber. „Die beherrschen den Markt wie kein zweiter“, so ein Insider. „Der neue Condor-Chef Peter Gerber weiß als Ex-Lufthanseat wie sein alter Arbeitgeber reagiert, noch bevor die erste Vorstandsvorlage geschrieben ist.“

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Aber vielleicht bekommt der Markenname Discover ja noch eine dritte Bedeutung: Vielleicht entdecken Mitarbeiter und Wettbewerber, dass die Lufthansa eine neue Tochter auch mal ein paar Jahre in Ruhe arbeiten lassen kann.

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