Patrick Graichen, Chef des Energiewende-Thinktanks Agora, hält es für möglich, dass am Ende doch der Steuerzahler für die Abwicklung der Atomkraft aufkommt. „Ein öffentlich-rechtlicher Fonds hätte Charme“, meint Graichen. „Dann wandert zwar das Risiko von Kostenexplosionen beim Rückbau zum Staat. Dafür läuft er aber nicht mehr Gefahr, dass die Rückstellungen in den kommenden Jahren langsam aufgefressen werden.“
Diesen Pragmatismus den Politikern zu vermitteln, dürfte nicht einfach werden. Denn dass es E.On schlecht wie nie geht, liegt nur zum Teil an der Energiewende und der vorfahrtsberechtigten Ökostromflut. Die 32 Milliarden Euro Nettoschulden, die in den Büchern stehen, hat E.On zum einen Teyssens Vorgänger Wulf Bernotat zu verdanken.
Der war 2007 schmählich beim Versuch gescheitert, den spanischen Stromversorger Endesa zu übernehmen, und hatte daraufhin wie berauscht Kraftwerke im Ausland von Südeuropa bis Brasilien geschluckt, die bis heute die Bilanz belasten.
Zudem hatten zuerst Bernotat und dann Teyssen gemeinsam mit den anderen damaligen Chefs der drei Stromgiganten bewusst entschieden, ihre Milliardenprofite aus dem Atomstrom nicht in erneuerbare Energien zu investieren. Zwar hatte die rot-grüne Koalition unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) 2002 die Laufzeit der Atommeiler verkürzt. Gleichzeitig erlaubte sie den Konzernen aber ausdrücklich, von nun an ebenfalls den vorfahrtsberechtigten Grünstrom zu produzieren und dafür die Ökostromzulage zu kassieren.
Konzerne setzten aufs falsche Pferd
Doch statt sich auf dieses Geschäft zu stürzen, setzten die großen Versorger mit dem damaligen RWE-Chef Jürgen Großmann vorweg erfolgreich darauf, der schwarz-gelben Koalition eine Laufzeitverlängerung der Atommeiler abzuringen. Umso härter traf sie der Beschluss von Kanzlerin Angela Merkel nach der Havarie des Kernkraftwerks in Fukushima 2011, das Atomkapitel in Deutschland 2022 zu beenden.
Dass E.On und Co. sich nun auf alles werfen, was nach sauberer, moderner Energieversorgung und dazugehörigen Dienstleistungen klingt, ist kein Wunder, sondern später Einsicht geschuldet. So hat EnBW inzwischen herausgefunden, dass der europäische Markt für dezentrale Energieerzeugung im Jahr 2020 rund 80 Milliarden Euro betragen wird, viermal so viel wie heute.
Abschied von der Größe
Konzernchef Frank Mastiaux will darum mit Langzeit-Dienstleistungsverträgen Mittelständler und Kommunen an sich binden. Und RWE-Chef Peter Terium verkündet stolz, an virtuellen Kraftwerken zu arbeiten, die mittelständische Kunden miteinander vernetzen.
Doch ihre bisherige Größe dürften die Konzerne damit nicht halten. „Unser Neugeschäft kann niemals das wegbrechende Altgeschäft mit der flächendeckenden Stromversorgung durch Großkraftwerke ersetzen“, sagt Michael Stangel, Leiter des Geschäfts mit Unternehmen bei RWE.
Energieexperte Leprich zieht daraus für E.On nur einen Schluss. „Ich halte es für Pfeifen im Walde, wenn Herr Teyssen erklärt, E.On sei in diesem Bereich der große neue Player.“ Da lüge er sich selbst in die Tasche. „In 20 Jahren werden E.On und RWE keine große Rolle mehr spielen.“