Streit um das Gasprojekt Mit einem Abschaltmechanismus droht Nord Stream 2 das Aus

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Diplomatisches Desaster

Auch die FDP fordert ein Moratorium, in der CDU gibt es ebenfalls prominente Kritiker von Nord Stream 2 wie den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen. SPD und Linke sind dagegen für eine Vollendung der Pipeline. 

Vor dem Hintergrund der Inhaftierung des russischen Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hatte sich Anfang der Woche auch Frankreich auf die Seite der Pipeline-Gegner gestellt. Das Europaparlament hatte sich unlängst für einen sofortigen Stopp von Nord Stream 2 ausgesprochen. 

Der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff hat die zunehmende Ablehnung des Gasprojekts Nord Stream 2 in Europa als diplomatisches Desaster der Bundesregierung bezeichnet. „Polen, Balten, Skandinavien, USA, Ukraine, Europaparlament, jetzt auch Frankreich - alle sind gegen NordStream2“, schrieb Lambsdorff auf Twitter. „Objektiv betrachtet, ist Deutschland energie- und außenpolitisch vollkommen isoliert“, kritisierte Lambsdorff.

Wachsender Widerstand freut die Amerikaner

Der Widerstand gegen die Gaspipeline hat zuletzt noch einmal zugenommen. Doch trotz US-Sanktionen und des Widerstands von Umweltschützern werden jetzt wieder Rohre verlegt – und Altmaier setzt auf Differenzierung.

Der wachsende Widerstand gegen die Gaspipeline Nord Stream 2 in Deutschland und Europa kommt den USA sehr gelegen, trotz der Ankündigung mit den Deutschen über eine Lösung des Konflikts sprechen zu wollen. „Wir freuen uns über die zunehmenden Stimmen in Deutschland und aus anderen europäischen Partnerländern, die eine Aussetzung dieses vom Kreml unterstützten Projekts fordern“, sagte ein Sprecher der US-Botschaft in Berlin. „Unsere Gegnerschaft zu Nord Stream 2 wegen Bedenken hinsichtlich der Energiesicherheit und des bösartigen Verhaltens Russlands ist wohlbekannt.“ Man sei aber immer gerne bereit, mit Deutschland über diese oder ähnliche Bedenken zu reden.

Nach Angaben des russischen Energiekonzerns Gazprom als Hauptinvestor von Nord Stream 2 sind 94 Prozent der Leitung bereits fertiggestellt. Sie besteht aus zwei Strängen mit einer Länge von jeweils rund 1230 Kilometern und soll pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland befördern können.

Wie ein Auto ohne Zulassung und Versicherung

Das russische Schiff „Fortuna“ hat vor der dänischen Küste der Insel Bornholm immerhin die technischen Tests erfolgreich absolviert. Die Russen hatten ein eigenes Schiff in die Ostsee geschickt, nachdem die Schweizer Allseas ihr Schiff wegen drohender Sanktionen der USA abgezogen hatte. Die Fortuna ist viel kleiner als das Schiff der Schweizer und verfügt nicht über dieselben technischen Möglichkeiten. 

Trotz der drohenden US-Sanktionen und Protesten von Umweltschützern bauen die Russen die Leitung nun weiter. Es fehlen noch rund 160 Kilometer, wie die Projektgesellschaft mitteilte. Alle Arbeiten erfolgten in Übereinstimmung mit den vorliegenden Genehmigungen, teilte das Unternehmen mit. „Zum Bauablauf und den weiteren Planungen werden wir entsprechend informieren“, hieß es.

Die US-Regierung hatte kurz vor dem Ende der Amtszeit von Präsident Donald Trump konkrete Strafmaßnahmen gegen das russische Unternehmen KVT-RUS verhängt und erklärte deren Verlegeschiff „Fortuna“ zu „blockiertem Eigentum“.

Es blieb aber unklar, welche Auswirkungen das auf das Schiff außerhalb von US-Hoheitsgewässern hat. Russland, das etwa auch über das Verlegeschiff „Akademik Tscherski“ verfügt, kritisiert die US-Strafmaßnahmen als Verstoß gegen internationales Recht.

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Sind die letzten Stahlrohre in der Ostsee verlegt hat die Projektgesellschaft Nord Stream 2 aber noch ein Problem. Denn westliche Zertifizierer und Versicherer haben sich wegen der drohenden US-Sanktionen von dem Projekt zurückgezogen. Wie bei dem Verlegeschiff, müsste Nord Stream 2 russische Partner finden, die sich auf das Risiko gegen US-Sanktionen zu verstoßen einließen.  Ohne Zertifizierer und Versicherung können die Russen die internationale Pipeline nicht betreiben. Das sei so, als würde ein Auto ohne Zulassung und Versicherung auf Europas Autobahnen herumfahren, heißt es in der Energiebranche


Mehr zum Thema: Der polnische Politiker Radek Sikorski warnt vor den Gefahren des umstrittenen Pipeline-Projekts und hofft, dass die neue CDU-Spitze ihren Kurs wechselt.

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