Weight Watchers, Balenciaga, Edeka & Co. Scharfe Kritik an Weight Watchers und Balenciaga: Über PR-Flops

Quelle: imago images

Weight Watchers sorgt mit einer geschmacklosen Tinder-Werbung aktuell für Schlagzeilen, Balenciaga mit Teddys in Lack und Leder. Doch es gibt noch mehr krasse PR-Fails aus den vergangenen Jahren, die Unternehmen viel Aufmerksamkeit bescherten.

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Der Abnehmkonzern Weight Watchers steht aktuell in der Kritik. Der Grund: eine Werbeaktion, die man getrost geschmacklos nennen kann. Weight Watchers hat dem bekannten Fotograf Paul Ripke ein Profil auf der Datingplattform Tinder erstellt. Er stellt sich vor als angehender Meisterkoch, Fotograf und Podcaster, der „Bock auf Abwechslung“ hat, „also in der Küche natürlich“.

Wer ein sogenanntes „Match“ mit Ripke hatte, erhielt schnell eine Nachricht von ihm – besser gesagt: eine Werbebotschaft von Weight Watchers. „Ich bin schon länger dabei und habe damit endlich zu mir und meiner Mitte gefunden“, schreibt Ripke seinen Matches. Er spricht von „Inspiration und Support“, Balance und einem gesunden Lebensstil. Und dann: „Melde dich jetzt bei Weight Watchers an und komm auf den Geschmack neuer Gewohnheiten“. Direkt darunter: Der Link zum Abnehmprogramm.



Die Reaktionen: erwartbar empört. Ekelhaft und erniedrigend sei die Aktion, schreibt eine Nutzerin bei Twitter. Ob vor der Aktion das „Gehirn ausgeschaltet“ wurde, fragt ein anderer. Mittlerweile haben sich Paul Ripke und Weight Watchers entschuldigt. Am Montag veröffentlichte das Abnehm-Unternehmen ein Statement, in dem es diejenigen, die man mit der Tinder-Werbung „verletzt oder irritiert“ habe, um Verzeihung bittet – und Weight Watchers gesteht eine „grobe Fehleinschätzung“ ein.

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Weight Watchers ist damit nur ein aktuelles Beispiel. Auch Balenciaga bekommt gerade einen Shitstorm ab. Das Vorgehen kennen viele PR-Profis aus dem FF: „Man kreiert einen Schein-Aufreger, mit dem man dann die Presse als Botschafter instrumentalisiert“, sagt Uwe Kohrs, Chairman der GPRA, der Gesellschaft der führenden PR- und Kommunikationsagenturen. In der Aufmerksamkeits-Ökonomie zielen viele Marken darauf, überhaupt erst ins Gespräch zu kommen – selbst auf die Gefahr, dass sich dabei eigentlich positiv aufgeladene Marken negativ in den Köpfen der Verbraucher festsetzen. Hier neun weitere Aufsehen erregende PR-Flops der letzten Tage, Monate und Jahre.

Fall 1: Balenciaga und seine Lack-und-Leder-Teddys

Nicht nur Weight Watchers steht gerade in der Kritik. Aktuell wütet ebenfalls ein Shitstorm über dem Luxuslabel Balenciaga. Der Vorwurf: Balenciaga sexualisiere Kinder in seiner Werbung. Auf Fotos einer Frühjahrskampagne, die das spanisch-französische Modelabel mittlerweile gelöscht hat, waren Kinder zu sehen, die Plüschtiere hielten – Teddybären, die in Lack und Leder gekleidet waren. Betrachter fühlten sich an Kinderpornografie erinnert. Influencer zerschnitten daraufhin Balenciaga-Produkte und riefen zum Boykott auf. Am Sonntagabend meldete sich Kim Kardashian, die öfters für Balenciaga warb, zu Wort. Sie sei „angewidert und empört“. Sie würde die Beziehung zur Marke neu bewerten.

Balenciaga zog seine Kampagne zurück und entschuldigte sich. Außerdem verklagt das Luxuslabel Medienberichten zufolge die Kreativagentur North Six und den renommierten Set-Designer Nicholas Des Jardins: Die Schadensersatzforderung betrage 25 Millionen Dollar.

Fall 2: Edeka und die Ukraine

Es war ein deutliches Statement – die Kritik daran war es ebenfalls. Zu Beginn des russischen Angriffskriegs veröffentlichte das Handelsunternehmen Edeka ein Statement, um seine Solidarität zur Ukraine zu zeigen. „Freiheit ist ein Lebensmittel“ lautete die Botschaft. Im Hintergrund die blau-gelbe Flagge, unten – passenderweise im gleichen Farbschema – das Edeka-Logo. Einige lobten Edeka dafür, Haltung zu zeigen. Doch von vielen hagelte es Kritik: Dreiste Werbung und ein geschmackloses Vermischen der eigenen Marke mit der ukrainischen Flagge, lautet der Vorwurf. Krieg sei kein Anlass für Marketingaktionen.

Dann folgte im Laufe des Jahres eine zweite, von vielen als misslungen bewertete PR-Aktion im Umgang mit dem Ukraine-Krieg: Edeka benannte im Sommer eine Eiscreme von „Moskauer Art“ in „Kiewer Art“ um. Der alte Namen: Mit Rotstift demonstrativ durchgestrichen. Im Gegensatz zur Aktion „Freiheit ist ein Lebensmittel“ war der Shitstorm zwar deutlich kleiner. Dennoch spotteten viele Nutzer in sozialen Medien über das „Rebranding“.

Fall 3: Strenger als die deutschen Behörden

Der Schokoladenhersteller Ritter Sport verbot sich selbst, seine neue Kreation „Cacao y Nada“ Schokolade zu nennen und transportierte das Thema mit einem großen Bericht der „Bild“-Zeitung in die Öffentlichkeit. Den gewollten Aufreger griffen prompt Nachrichtenagenturen und Medien in ganz Deutschland auf. Der Haken an der Sache: Es hatte keine Behörde in Deutschland Ritter Sport jemals verboten, eine Schokolade mit Kakaozucker zu süßen – auch die Schokoladenverordnung schließt diese Zuckerart nicht aus. Schließlich erklärte Bundes-Ernährungsministerin Julia Klöckner höchstselbst die Kreation zur Schokolade. So entstand ein veritabler PR-Wirbelsturm um ein Produkt, von dem Ritter Sport nur 2300 Tafeln überhaupt zum Verkauf stellte. Schade nur: Die eigentliche Innovation – einen Teil der Kakaofrucht zu nutzen, der bislang meist weggeworfen wird – ging in dem selbst kreierten Trubel völlig unter.

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Fall 4: Schlüpfrige Früchtchen

Eigentlich verkauft die Bonner Firma True Fruits ein ganz harmloses Getränk – Frucht-Smoothies, umweltfreundlich abgefüllt in Glasflaschen. Doch rund um Banane, Orange oder Apfel basteln die drei Gründer immer wieder reichlich provokante Werbekampagnen. Für einen Saft aus Chiasamen werben sie etwa auf Plakaten mit dem schlüpfrigen Spruch: „Bei Samenstau schütteln“. Für eine schwarze Flasche wählten sie den Slogan: „Unser Quotenschwarzer“ und ernteten Kritik. Im Sommer 2019 gab es dann einen wahren Shitstorm, als True Fruits für einen neuen Smoothie einer Frau mit Sonnencreme einen stilisierten Penis auf den Rücken zeichnen ließ. Es hagelt Proteste und Boykottaufrufe, Ladenketten sollten die Früchtchen aus Bonn aus dem Programm nehmen. Als auch noch ihr Hauptquartier mit Farbbeuteln attackiert wurde, ruderten die True Fruits-Macher zurück und entschieden, künftig auf die gröbsten PR-Provokationen verzichten zu wollen. Wobei – ganz lassen können sie es dann doch nicht: Im Januar brachten sie einen „Menthol-Shot“ ins Kühlregal, der aussieht wie ein Kinderhustenbonbon. Dessen Werbefigur zeigt der Erkältung den Mittelfinger: „Husten? Fuck off“.

Fall 5: Rasurbrand bei Gillette

Jahrzehntelang konzentrierte sich die Firma Gillette auf nichts anderes als ihre Rasierklingen. Die Werbung altbacken bis rätselhaft – was „das Beste im Mann“ sein soll, erschloss sich im Zusammenhang mit Gesichtsbehaarung nicht jedem. Dann schlug es 2019, und Gillette ging auch im Zuge der MeToo-Debatten plötzlich neue Werbe-Wege. In einem Spot der australischen Regisseurin Kim Gehrig prangerte die Marke Männlichkeits-Stereotype an – Männer, die Frauen hinterherpfeifen; Jungs, die sich prügeln, und Väter, die ihnen wohlwollend dabei zusehen: „Boys will be boys.“ Viele Stammkunden reagierten empört, Rasierer landeten im Klo, in kurzer Zeit wurde der Spot bei YouTube 30 Millionen Mal angesehen – zwei Drittel der Betrachter lehnten ihn ab. Ein gutes halbes Jahr nach der ersten Ausstrahlung des Spots nahm Konzernmutter Procter & Gamble wegen Gillette eine Abschreibung in Höhe von acht Milliarden Dollar vor.


Fall 6: Buchstabensalat bei Mattel

Das Gesellschaftsspiel Scrabble gehört mit einiger Sicherheit zu den meistverkauften in Deutschland. Aus willkürlich verteilten Buchstaben Wörter zu bilden, hat für viele seinen eigenen Reiz. Komplett irritierte Spielehersteller Mattel die Scrabble-Gemeinde jedoch im Herbst 2018. Da verkündete der Konzern von einem Tag auf den anderen, Scrabble heiße angeblich jetzt „Yolo“. Das „Jugendwort des Jahres“ 2012 (!) steht für „You only live once“ und galt schon bei seiner Wahl sechs Jahre zuvor als hoffnungslos peinlich. Ein paar Tage später klärte Mattel dann auf: Die Pressemitteilung war nur ein kalkulierter Scherz, der Protest sollte für preiswerte PR sorgen. Fanden nicht alle lustig – der Deutsche Rat für Public Relations brauchte für seine Bewertung der missratenen Fake-Meldung nicht mehr als vier Buchstaben: R, Ü, G, E.

Fall 7: Aus Zitrönen Limonade gemacht

Der französische Autohersteller Citroën fand die Idee von Scrabble offenbar so genial, dass er die Masche zum 100ten Geburtstag kopierte: „Zitrön“ sollte seine Marke „ab jetzt in deutsch“ heißen, verbreitete die Marke im Juli 2019 auf Twitter und anderen Social-Media-Kanälen: „Das Ende einer Ära“. Im Sommerloch stieß die Kampagne im Netz heftige Diskussionen an, ob es sich wohl um einen Scherz handele und sogar andere Markenartikler stiegen wohlwollend darauf ein. Letztlich entschied sich der Deutsche Rat für Public Relations diesmal gegen eine Rüge – einerseits hatte Citroën ihren Stunt schneller aufgelöst als Scrabble – andererseits wollte der Rat selbst wohl auch nicht als Spaßbremse gelten.

Fall 8: Pistenraupe auf angeblicher Irrfahrt

Im November 2016 hatten einige Medien von „Spiegel Online“ über „Bild“ und „FAZ“ bis zum NDR Seltsames zu berichten. Ein Lkw-Fahrer hatte eine 200.000 Euro teure Pistenraupe vom Hersteller in Baden-Württemberg nicht in den österreichischen Skiort Seefeld, sondern ins 800 Kilometer entfernte Schleswig-Holstein gekarrt. Dort trägt ein Ortsteil von Bad Oldesloe denselben Namen. Angeblich war es ein Versehen, der Fahrer habe zu sehr dem Navigationsgerät vertraut. Trotz skeptischer Nachfragen blieb auch der Tourismusverband Seefeld einige Tage lang bei der skurrilen Geschichte – bis sie sich als inszenierter PR-Gag entpuppte. Der Deutsche PR-Rat fand das weniger amüsant und erteilte den Alpenländlern daraufhin eine Rüge.

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Gründlich daneben griff auch Autobauer Mercedes. Der spielte im Sommer 2019 mit einem reichlich unsensiblen Tweet für einen SUV der Tuning-Tochter AMG daneben und spielte den um Greta Thunberg organisierten Klimaschützern direkt in die Hand: „Wenn dieser Sommer noch nicht heiß genug war, heizt der Mercedes-AMG GLA 45 4Matic ihn mit diesem glühenden Finish noch weiter auf“. Dazu weiter: „Kraftstoffverbrauch 8,5 Liter pro 100 Kilometer und CO2-Emissionen von 193 Gramm pro Kilometer.“ Als ob Menschen mit Umweltbewusstsein die SUV-Fahrer nicht ohnehin schon mit Inbrunst gehasst hätten. Mercedes-Benz redete sich mit „Ironie“ heraus – entschuldigte sich dann aber immerhin in aller Form: „Leute, das war richtig daneben.“

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Februar 2021. Wir haben ihn aktualisiert und neu veröffentlicht.

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