
Jahrzehntelang schien es, als könnten all die Erschütterungen in der Chemieindustrie dem Branchenprimus BASF nie etwas anhaben. Der Hoechst-Konzern in Frankfurt wurde zerschlagen, ein Opfer rigoroser Shareholder-Value-Ideologie, die kurzfristig das Maximale für die Aktionäre herausholen will. Degussa ging im Essener Spezialchemiekonzern Evonik unter. Und Bayer verstieß seine Chemiesparte als Lanxess und Covestro aus dem Konzern. Nur in Ludwigshafen am Rhein, bei der 150 Jahre alten BASF, blieb alles ruhig. Umsatz und Gewinn stiegen meist, die Aktie galt als sicherer Hafen.
Damit ist es erst mal vorbei. Der noch weltgrößte Chemiekonzern mit rund 70 Milliarden Euro Jahresumsatz und weltweit 113.000 Mitarbeitern ist dabei, den Ruf des Unantastbaren zu verlieren. Während Konkurrenten wie Evonik und der jüngste Bayer-Ableger Covestro prosperieren, schwächelt BASF. Im Gesamtjahr 2015 sackte der Umsatz um fünf Prozent und der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 18 Prozent ab. Die BASF-Aktie befindet sich seit dem Frühjahr auf Talfahrt. Nähere Angaben zur Bilanz macht der Konzern am 26. Februar.
Das haben die einzelnen BASF-Sparten 2015 erwirtschaftet
Mit der Chemikalien-Sparte hat der Industriekonzern in den ersten neun Monaten des Jahres 2015 20 % des Gesamtumsatzes von 56,6 Milliarden Euro erzielt. Das macht 23 % des operativen Ergebnisses (Ebit) aus, welches im gleichen Zeitraum bei 5,9 Milliarden Euro lag.
Zeitraum: Januar bis September 2015
Quelle: Unternehmen
Katalysatoren, Lacke und andere Industrieprodukte haben 2015 25 % des Umsatzes ausgemacht. Der Anteil am Gewinn vor Zinsen und Steuern lag allerdings nur bei 22 %.
Durch Performance Products aus der Spezialchemie wurden im vergangenen Jahr 21 % des Gesamtumsatzes erzielt. Der Anteil am operativen Ergebnis lag bei 20 %.
22 % des Umsatzes von BASF gehen auf die Sparte Öl und Gas zurück. Das macht 21 % des operativen Ergebnisses aus.
Immerhin 8 % des Umsatzes des Industrieriesen gehen auf die Sparte Pflanzenschutz zurück. Der Anteil am operativen Ergebnis liegt damit bei 16 %.
Sonstige Sparten von BASF erzielten 4 % des Gesamtumsatzes für das Unternehmen. Dadurch ging das operative Ergebnis 2014 um 12 % zurück.
Der Gigant aus Ludwigshafen leidet unter dem Ölpreisverfall, der Chinakrise und eigenen Fehlern. Konzernchef Bock hat gegen absehbare Widrigkeiten nicht rechtzeitig gegengesteuert und auf Trends nicht ausreichend reagiert. Derweil haben die US-Konkurrenten Dow Chemical, unter anderem Erfinder des Plastik-Gefrierbeutels, und DuPont (Teflon, Nylon, Neopren) angekündigt, dieses Jahr zu einem Riesen mit etwa 90 Milliarden Dollar Umsatz zu fusionieren. In einem zweiten Schritt sollen sich aus diesem heraus je ein selbstständiger Pflanzenschutz-, Kunststoff- und Spezialchemiehersteller bilden.
Das BASF-Rohstoffgeschäft leidet
„Jeder dieser Teilkonzerne zielt auch auf die BASF“, sagt Oliver Schwarz, Analyst beim Bankhaus Warburg, „jedes der neuen Unternehmen ist schlagkräftiger als zuvor DuPont und Dow Chemical alleine.“ BASF-Chef Bock hat die Zeit des billigen Geldes nicht genutzt, um sich durch Zukäufe zu stärken. Nun muss er reagieren, statt agieren zu können.





Ausgerechnet mit Blick auf die US-Attacke präsentiert sich der amtierende Weltmeister in schwacher Verfassung. Besonders das Rohstoffgeschäft der Ludwigshafener leidet. „Mineralwasser ist derzeit teurer als Rohöl“, sagt Mario Mehren, Chef der BASF-Tochter Wintershall, die im Konzern für die Öl- und Gasförderung zuständig ist und jeweils gut ein Fünftel zum Jahresumsatz und -gewinn beiträgt. Ein Barrel Öl (159 Liter) ist am Weltmarkt für gut 30 Dollar zu haben – damit hat sich der Ölpreis gegenüber dem schwachen Vorjahr noch einmal halbiert.
Lange hatten die BASF-Manager mit Ölpreisen von 60 bis 70 Dollar je Barrel kalkuliert. Inzwischen haben sie entsprechende Wertberichtigungen vorgenommen – vor allem deswegen sinkt nun im Konzern das Ebit für 2015 im Vergleich zum Vorjahr um 18 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro. Besserung ist nicht in Sicht; 2016 sollen die Ölpreise weiter niedrig bleiben.
Auch die Chinakrise trifft BASF mit Wucht. Hunderte Millionen Euro hat der Konzern in den vergangenen Jahren etwa an den Standorten Nanjing in Ost- und Chongqing in Zentralchina investiert. Im dritten Quartal stürzte das Ebit in der Region Asien – im Wesentlichen China – jedoch um 60 Prozent von 173 auf nur noch 70 Millionen Euro. Den Gewinnabsturz muss sich Konzernchef Bock, der seit 2011 am Ruder ist, mit anrechnen lassen. BASF habe im Reich der Mitte zu wenig auf Konsumgüter gesetzt, kritisierte kürzlich BASF-Vorstand Sanjeev Gandhi, der seit gut einem Jahr für die Region zuständig ist. „Wir müssen ein möglichst breites Spektrum von Produkten im Portfolio haben und schneller in der Lage sein, unsere Schwerpunkte zu verlagern“, fordert Gandhi.