Facebook-Gründer Diese ungerechte Steuer spaltet Kalifornien – und ruft Mark Zuckerberg auf den Plan

Prominenter Unterstützer einer Grundsteuerreform: Mark Zuckerberg. Quelle: imago images

Kalifornien wirbt für eine Grundsteuerreform. Mit Mark Zuckerberg und seiner Frau Priscilla Chan unterstützen zwei der reichsten Menschen des Staates das Vorhaben. Und das sogar zum Nachteil des eigenen Konzerns.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

In Deutschland wird noch immer über die Reform der Grundsteuer gestritten. In Kalifornien auch, allerdings auf einer ganz anderen Ebene. Und wie so oft sind einflussreiche Tech-Milliardäre involviert. Der prominenteste ist in diesem Fall Facebook-Gründer Mark Zuckerberg: Er mischt über die gemeinsam mit seiner Frau Priscilla Chan aufgesetzte Chan-Zuckerberg-Initiative mit. Das Paar möchte dem kalifornischen Staat mehr Einnahmen bescheren, damit dieser es in Schulen und Krankenhäuser stecken kann. Es geht um bis zu 12 Milliarden Dollar zusätzlich pro Jahr – die über höhere Grundsteuern für Unternehmen erzielt werden sollen. Das würde neben Apple, Google und Disney auch Facebook selbst treffen. Dafür müsste jedoch eine mehr als vierzig Jahre alte Berechnung der Grundsteuer gekippt werden, die in Kalifornien als heilig gilt.

In Deutschland beträgt die Grundsteuer laut einer Studie der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young bundesweit im Schnitt 151 Euro pro Jahr. In den USA müssen Hausbesitzer dagegen mehrere Tausend oder gar Zehntausende Dollar pro Jahr berappen. In Kalifornien bemisst sich die Grundsteuer nach dem Kaufpreis des Hauses und darf dann maximal zwei Prozent pro Jahr steigen.

Die sogenannte Proposition 13 – Gesetzesvorhaben 13 – wurde nach heftigen politischen Auseinandersetzungen im Sommer 1978 von den kalifornischen Wählern abgenickt. Der von Steueraktivisten wie Howard Jarvis vorangetriebene Volksentscheid, die „Peoples Initiative to Limit Property Taxation“ (Volksentscheid für die Begrenzung der Grundsteuer), argumentierte vor allem damit, dass wegen der boomenden Grundstückspreise sich sonst viele Kalifornier im Alter die Steuer nicht mehr leisten könnten und ihre Häuser verlieren würden. Sie wurde von vielen Unternehmen unterstützt, weil Proposition 13 nicht nur für Wohnhäuser, sondern auch für gewerbliche Immobilien gilt.

von Matthias Hohensee, Daniel Goffart, Jörn Petring, Annina Reimann, Martin Seiwert

Sie diskriminiert Zugezogene gegenüber Alteingesessenen – beispielsweise Leute, die wegen ihres Jobs umziehen müssen. In Mountain View, dem Stammsitz von Google, kosten bescheidene Einfamilienhäuser um die zwei Millionen Dollar. Eine Familie, die dort neu ein Haus erwirbt, muss ein Prozent der Kaufsumme an Grundsteuer zahlen, also 20.000 Dollar. Dazu noch ihren Anteil an Schuldverschreibungen der Gemeinde, rund 22.000 Dollar. Pro Jahr. Meist kommen dann zusätzlich zwei Prozent mehr pro Jahr hinzu, da der Wert der Immobilien steigt – trotz Corona.

Der Nachbar, der seit Anfang der Achtzigerjahre dort residiert und vielleicht sogar ein größeres Haus bewohnt, bezahlt hingegen nur ein paar Tausend Dollar pro Jahr – und hat wegen der damals niedrigen Kaufsumme einen geringeren jährlichen Zuwachs. Nicht nur der ursprüngliche Besitzer kommt in den Genuss der niedrigen Grundsteuer. Sie kann in der Familie weitervererbt werden, wenn das Haus nicht verkauft wird.

Das ist ungerecht, weil Alteingesessene und Zugezogene die gleiche öffentliche Infrastruktur nutzen, die aus der Grundsteuer gespeist wird. Niemand zahlt gern Steuern. Und die Gefahr, im Alter die Grundsteuer nicht mehr aufbringen zu können, ist real. Vor allem für jene, die in den vergangenen zwanzig Jahren ein Haus in Boom-Regionen wie dem Silicon Valley erworben haben. Dort haben sich die Preise in diesem Zeitraum mindestens verdreifacht.

Doch die Proposition 13 gilt in Kalifornien als heilig. Jeder Politiker, der sie ändern wollte, hat sich daran die Finger verbrannt. Nun versuchen es die regierenden Demokraten in diesem November erneut. Corona und die Waldbrände haben ein Loch in die Staatskasse gerissen, mindestens 55 Milliarden Dollar. Das Geld wird an relevanten Stellen gebraucht. Die Einnahmen aus der Grundsteuer speisen vor allem öffentliche Einrichtungen, Schulen und Straßen, es ist eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes. Seit Ende der Siebzigerjahre sind ihm nach Schätzungen durch Proposition 13 mehrere hundert Milliarden Dollar durch die Lappen gegangen.

Der Trick der Demokraten: Weil eine Reform der gesamten Grundsteuer politisch chancenlos ist, wird sie gesplittet.



Es trifft zunächst die Unternehmen. Im November werden die kalifornischen Wähler über Proposition 15 abstimmen, welches die Grundsteuer von gewerblichen Immobilien neu regelt. Die sollen ab 2025 aufgrund des aktuellen Verkehrswertes besteuert werden und nicht mehr anhand des letzten Kaufpreises. Damit es keinen Aufstand unter Kleinunternehmern und vor allem der mächtigen kalifornischen Agrarlobby gibt, sind Gewerbeimmobilien unter einem Wert von drei Millionen Dollar und mit weniger als 51 Mitarbeitern sowie landwirtschaftliche Flächen allgemein von der neuen Regelung ausgeschlossen. Mietshäuser ebenfalls.

Für die Tech-Giganten geht es derweil um richtig viel Geld – und Ärger mit den eigenen Aktionären. Alphabet, der Mutterkonzern von Google, ist mittlerweile einer der größten Eigentümer von Gewerbeimmobilien im Silicon Valley. Der Konzern hat in den vergangenen 15 Jahren ganze Straßenzüge rund um die Zentrale in Mountain View und den Highway 101 gekauft. Ebenso wie Apple: Der iPhone-Konzern hat sich von seiner Keimzelle in Cupertino mittlerweile über die ganze Stadt ausgebreitet. Gerade ist der gigantische Apple Campus, wegen seiner ringförmigen Form auch UFO genannt, entstanden.

Zuckerberg gegen den Rest des Silicon Valleys

Alteingesessene Unternehmen wie HP Inc., die schon seit Jahrzehnten im Silicon Valley residieren, haben noch mehr zu verlieren. Weiter südlich, in Los Angeles, bangt Disney. Das Studiogelände in Burbank wird mit rund 50 Cent pro Quadratmeter besteuert, auf Basis des Wertes von Mitte der Siebzigerjahre. Nach Verkehrswert könnten es künftig zwischen 14 und 18 Dollar sein. Facebook, das einen riesigen Campus in der Nähe von Menlo Park errichtet hat, müsste ebenfalls mehr bezahlen. Aber weil das erst in der letzten Dekade passierte und zu damals schon hohen Grundstückswerten, wird der Aufschlag nicht so heftig ausfallen wie etwa bei Hewlett Packard oder Google.

Öffentlich hielten sich die Hightech-Unternehmen im Silicon Valley bislang aus der Debatte raus. Sie verstecken sich hinter der kalifornischen Handelskammer, die den Vorschlag scharf ablehnt. Klar: Öffentliches Aufbegehren gegen höhere Budgets für Schulen, Feuerwehren und Hospitäler ist schlecht fürs Image.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und seine Ehefrau aber mischen mit in der Diskussion – und stellen sich gegen die Interessen der anderen Silicon-Valley-Konzerne. Die Chan-Zuckerberg-Initiative unterstützt den Volksentscheid und Proposition 15. Zuckerberg und seine Partnerin, die als Kinderärztin praktiziert, konzentrieren sich bei ihren Spenden vor allem auf das Gesundheitswesen – Krankenhäuser aber auch medizinische Forschung – und eben Schulen. Es ist also wie maßgeschneidert für das Reform-Vorhaben.

Das Paar selbst hat sich bislang öffentlich nicht zu ihrer Wahl geäußert. An der Haltung ihrer Wohltätigkeitsorganisation gibt es aber keinen Zweifel: „Proposition 15 schließt Steuerlücken für Unternehmen, um damit bis zu 12 Milliarden Dollar jährlich für öffentliche Dienstleistungen in Kalifornien wie Schulen, Hospitäler und Kliniken einzusammeln“, begründet Andrea Collier von der Chan Zuckerberg Initiative.

Zwar sind Facebook und die Chan-Zuckerberg-Initiative unterschiedliche Unternehmen, aber die Wohltätigkeitsfirma würde es ohne das soziale Netzwerk nicht geben. Über Mehrfachstimmrechte kontrolliert Zuckerberg Facebook unangefochten. Und bislang nutzt sein Konzern wie auch Apple oder Google jede Lücke, um möglichst wenig Steuern zu zahlen. Deshalb wurde dem Facebook-Schöpfer schon oft Scheinheiligkeit vorgeworfen. Während er sich privat dafür einsetzt, dass die Bildung verbessert wird, hat der Staat Schwierigkeiten, seine Schulen zu finanzieren. Nun versucht Zuckerberg zumindest, diesen Widerspruch etwas aufzulösen. Aus unternehmerischen Gründen kann Facebook nicht gut von sich aus mehr Steuern zahlen. Es ginge zwar, weil Zuckerberg das Unternehmen kontrolliert. Aber es würde eine Welle von Aktionärsklagen auslösen und die Aktie abstürzen lassen. Eine Grundsteuerreform ist hingegen für alle Unternehmen verpflichtend.

Die Chan-Zuckerberg-Initiative hat für die Werbekampagne für die Grundsteuerreform bislang 10,6 Millionen Dollar springen lassen. Das sind ungefähr zwanzig Prozent der 50 Millionen Dollar, die bislang an Spenden gesammelt wurden. Neben den Zuckerbergs stammen die vor allem von Gewerkschaften. Der Lehrerverband hat 12 Millionen Dollar gestiftet.

Die Gegenseite – vor allem die kalifornische Handelskammer und die Immobilienbranche – hält nichts von einer Grundsteuerreform. Sie hat etwa 80 Millionen Dollar gesammelt. Der Immobilienarm des New Yorker Beteiligungsunternehmen Blackstone zahlte allein sieben Millionen Dollar.

Drei Wochen vor der Wahl tobt vor allem im Fernsehen ein Werbekrieg um die Stimmen. Mit klar verteilten Rollen: Die Lehrergewerkschaft warnt, dass die ohnehin stiefmütterlich behandelten Schulen sonst noch weiter verfallen. Der Unternehmerverband beklagt sich derweil darüber, dass die Steuern in Kalifornien ohnehin schon so hoch seien und so noch mehr Firmen das Land verlassen würden. Es würde zudem weitere Bürokratie entstehen, um die Gelder einzutreiben.


Das interessiert WiWo-Leser heute besonders


Douglas ist kein Einzelfall

So schummels sich Ikea, Karstadt & Co. am Lockdown vorbei


„Doppelt so lang schwätzen, halb so viel verdienen“

Warum VW-Händler keine E-Autos verkaufen wollen


Curevac-Gründer Ingmar Hoerr

„Ich dachte, der KGB hätte mich entführt“


Was heute wichtig ist, lesen Sie hier



Auch auf den Tech-Milliardär Zuckerberg wird eingeprügelt: Er könne ja sein gesamtes Vermögen spenden und so die kalifornischen Schulen für mindestens ein Jahrzehnt subventionieren. Zugleich warnen die Gegner von Proposition 15, dass die Reform nur der Auftakt des nimmersatten Staates sei und es in der nächsten Runde dem kleinen Hausbesitzer an den Kragen gehe.

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom taktiert derweil zwischen den Fronten. Einige seiner Parteifreunde wollen Sonderabgaben für besonders reiche Kalifornier beschließen, die bis zu zehn Jahre nach ihrem möglichen Wegzug erhoben werden sollen. Die Begründung: Das Vermögen sei ja in Kalifornien geschaffen worden. Newsom hat zugesagt, solche rechtlich ohnehin bedenklichen Pläne zu unterbinden.

Ohne Corona und die Wirtschaftskrise wäre eine Grundsteuerreform ohnehin undenkbar. Laut einer Umfrage der Universität Berkeley unterstützen nun allerdings 49 Prozent der kalifornischen Wahlberechtigten die Reform. Aber nur, wenn ihnen die ganzen Ausnahmen erklärt werden und der Empfängerkreis der zusätzlichen Einnahmen. Trotzdem wird es knapp.

Und Mark Zuckerberg? Ob zumindest sein Ruf profitiert, wenn die Grundsteuer reformiert wird, ist fraglich. Zuckerbergs Image ist wegen der Fake-News-Auseinandersetzung mittlerweile so stark lädiert, dass es Jahrzehnte dauern wird, es zu reparieren.

Mehr zum Thema: Das Silicon Valley droht Deutschland auch noch in seiner Kerndisziplin zu düpieren: dem Automobilbau.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%