Riedls Dax-Radar
US-Technologiebörse Nasdaq: Kursrückschläge bei Apple, Amazon und Co. bereiten den Weg für eine Fortsetzung des Aufwärtstrends - auch für den Dax. Quelle: imago images

Keine Angst vor Turbulenzen bei Apple und Amazon

Schockwellen an der amerikanischen Börse sollten den Dax nur kurzfristig bremsen, das Niveau um 13.000 Punkte dürfte weiterhin halten. Demnächst sind sogar neue Kaufsignale möglich.

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Heftige Rückschläge bei amerikanischen Technologieaktien lassen Ängste vor einem Ende des großen Aktienbooms aufkommen. Vor allem die in den vergangenen Wochen stark gestiegenen Technologiefavoriten an der Nasdaq gelten mittlerweile immer mehr als überbewertet. Besondere Nachrichten allerdings, die zu den Kurseinbrüchen geführt hätten, gibt es nicht. 

Die jüngsten Daten zur US-Wirtschaft aus Industrie, Gewerbe und Dienstleistungen entsprechen den Erwartungen. Sie signalisieren eine fortgesetzte Erholung seit dem Tiefpunkt vom April und der Wende im Mai, auch wenn die Zuwächse – etwa bei den Auftragseingängen – nicht mehr ganz so stark ausfielen wie im Juli.

Von der Zinsseite kommt sogar wieder eine Entspannung. Amerikanische Staatsanleihen mit zehnjähriger Laufzeit rentieren nur noch mit 0,63 Prozent. Damit ist die langfristige Rendite seit vergangener Woche, als Jerome Powell seine neuen Leitlinien zur Geldpolitik präsentierte, wieder ein Stück gesunken. Von einem Anstieg der Kapitalmarktzinsen aus Angst vor steigender Inflation, wie kurz nach Powells Volte spekuliert wurde, ist nichts zu sehen. Wahrscheinlich tendieren die Renditen für US-Bonds in den nächsten Wochen eher wieder in Richtung der Tiefpunkte um 0,5 Prozent als zu den mittelfristigen Hochspitzen bei 0,8 bis 0,9 Prozent. Bei Bundesanleihen pendeln die Renditen nach den heftigen Ausschlägen im Frühjahr wieder um den Mittelwert minus 0,5 Prozent. Die zuletzt erwartete Erholung des Dollars dürfte deshalb nur von kurzer Dauer sein. 

Technische Gründe für den Kursrückschlag

Der heftige Rückschlag an der Nasdaq-Börse hat weder fundamentale noch geldpolitische Gründe. Verantwortlich dafür sind zwei technische Auslöser: Zum einen hatte es wegen der Aktiensplits der Nasdaq-Aktien Apple und Tesla in den vergangenen Wochen eine massive, außergewöhnliche Hausse gegeben, die nun zum Teil korrigiert werden dürfte. Mit gut 2,2 Billionen Dollar Marktwert ist Apple um zwei Drittel schwerer als der ganze Dax – und Tesla ist mit 430 Milliarden Dollar Börsenwert auch kein Leichtgewicht. 

Der zweite Grund ist ebenfalls technischer Natur. Kurze und besonders heftige Rückschläge sind an der Nasdaq-Börse nichts Ungewöhnliches. Im April, Juni und Juli dieses Jahres kam es ebenfalls zu scharfen Einschnitten, die dann nach wenigen Tagen wieder ausgebügelt wurden. Für den großen Trend waren diese Rückschläge bisher sogar heilsam, weil sie eine Überhitzung des Marktes, einen parabolischen Anstieg der Kurse, verhinderten. Dass der aktuelle Kursschock der heftigste seit Frühjahr war, ist insofern nur konsequent, da auch die direkt vorangegangene Anstiegsphase im August besonders dynamisch verlief. 

Können Anleger also davon ausgehen, dass die Kurse der Technologiechampions nach einigen turbulenten Tagen wieder Tritt fassen und ihren langfristigen Aufwärtstrend fortsetzen – und damit letztlich auch Dow Jones und Dax weiter klettern lassen? 

Fundamental wie kurstechnisch sprechen derzeit mehr Argumente für ein positives Szenario als für einen Abbruch der großen Trends. Allerdings, die Heftigkeit des jüngsten Einschlags und die Tatsache, dass einige der Favoriten theoretische Kursziele erreicht hatten, könnte die Korrektur dieses Mal etwas länger ausfallen lassen. Apple, die Protagonisten-Aktie der weltweiten Hausse, erlebte in den vergangenen zwei Jahren vier scharfe Rückschläge: Zwei dauerten jeweils nur vier Tage, zwei dauerten drei Wochen. Gut möglich, dass Anleger auch dieses Mal eher einige Wochen als einige Tage warten müssen, bis sich der große Aufwärtstrend wieder fortsetzt. 

Diese Entwicklung dürfte dann auch für den Dax den Weg vorgeben. Dabei kommt dem deutschen Aktienbarometer etwas zugute, das lange Zeit als Nachteil galt: Der geringe Anteil von Technologieaktien – neben den Pure Plays SAP und Infineon lassen sich hier allenfalls noch Teile von Siemens zuordnen. 

Insgesamt waren die Kursverluste im Dax beim Schwächeanfall an der Nasdaq nur ein Drittel so groß wie in den USA. Und bei allen drei Technologieaktien stimmt die langfristige Aufwärtsentwicklung. SAP erzielt große Fortschritte im Cloud-Geschäft und holt zunehmend ansehnliche Margen herein. Die bisherigen Kursspitzen bei 143 Euro dürften nur eine kurzfristige Verschnaufpause sein, spätestens bei 130 Euro sollten die Käufer wieder kommen. 

Siemens hat in den vergangenen Wochen eine enorme Erholung geschafft und bei 120 Euro genau den Kurs aus der Zeit vor Corona erreicht. Der aktuelle Konzernumbau ist vielversprechend, die Führungsübergabe bis Anfang nächsten Jahres auf den Weg gebracht. Ein eventueller Rückgang der Aktie in den Bereich 110 bis 105 Euro wäre eine Kaufgelegenheit. 

Infineon hat mit Notierungen bis zu 24 Euro das Niveau vor Corona sogar leicht überschritten – ein Zeichen von Stärke; spätestens zwischen 22 und 20 Euro sollte die Aktie sich wieder stabilisieren. Der weltweite Halbleiterboom ist ungebrochen, Infineon hat mit seinen Schwerpunkten Chips für Mobilität, Sicherheit und Energieeffizienz eine gute Marktstellung. 


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Fazit für den Dax: Die weltweite Konjunkturerholung läuft, die Zinsen bleiben extrem niedrig oder negativ, die großen Trends in der Technologiebranche sind ungebrochen. Nach den starken Kursgewinnen der vergangenen Monate kann die Korrektur bei den High-Tech-Favoriten zwar etwas länger dauern, dafür kommt dem Dax das schrittweise Comeback seiner eigenen Branchen zugute: Unter den Fahrzeugwerten gewinnen Daimler, BMW und Continental zunehmend an Statur, bei den Energiewerten ist RWE der Favorit – und die besondere Stärke von Vonovia und Deutsche Wohnen zeigen, dass der Immobilienboom im Wohnungsbau und bei der Vermietung noch nicht beendet sein dürfte. 

Dem Dax sollte es weiterhin gelingen, das Niveau um 13.000 Punkte zu verteidigen. Dabei wird es im Dax in den nächsten Tagen wahrscheinlich sogar zu einem vielversprechenden, klassischen Kaufsignal kommen, wenn die Durchschnittslinie der vergangenen 100 Börsentage diejenige der vergangenen 200 Börsentage von unten nach oben schneidet. Letztmals kam es im Juni 2019 und im September 2016 zu einem solchen mittelfristigen Kaufsignal – und danach zu deutlich steigenden Kursen. 

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