Energiekrise „Kürzer Duschen? Ich frage mich manchmal, was der Staat noch regulieren will“

Gegner der Übergewinnsteuer: FDP-Fraktionschef Christian Dürr fürchtet eine Abwanderung innovativer Unternehmen, wenn Krisengewinnler abkassiert werden.  Quelle: dpa

Während Grüne und SPD mit der Übergewinnsteuer liebäugeln, lehnen die Liberalen sie vehement ab. FDP-Fraktionschef Christian Dürr über drohende Proteste, neue Milliardenhilfen – und kalte Swimming-Pools.   

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WirtschaftsWoche: Herr Dürr, Linken-Politiker wie Sören Pellmann rufen bereits zu Montagsdemonstrationen auf, die Gasumlage sei ein „Schlag gegen den Osten“, die Menschen dort müssten sich „wehren“. Kommt es jetzt zum großen Verteilungskampf –  nicht nur auf der Straße?
Christian Dürr: Die Gasumlage von Wirtschaftsminister Robert Habeck zielt ja darauf ab, die Belastungen gerechter zu verteilen, auch, wenn das wiederum für manche Menschen zu mehr Belastungen führt. Aber gerade deshalb tun wir alles dafür, dass die Preissteigerungen im Rahmen bleiben. Deshalb fordern wir als FDP auch eine Laufzeitverlängerung für die drei verbliebenen Kernkraftwerke, damit keine weitere Knappheit auf dem Strommarkt entsteht. Das ist auch wichtig mit Blick auf die Solidarität in Europa, denn unsere Partner in der EU dürften wenig Verständnis dafür haben, wenn wir Ende des Jahres Quellen für Energieproduktion abschalten, um dann ihre Unterstützung in Anspruch zu nehmen. 

Aber drei Kernkraftwerke allein werden nicht reichen, um die Preise zu senken und mögliche Proteste abzuwenden? 
Natürlich sind viele Menschen durch die steigenden Energiepreise und die Inflation über Gebühr belastet, aber das nehmen wir als gesamte Koalition sehr ernst. Wir haben bereits zwei Entlastungspakete in Höhe von 30 Milliarden Euro verabschiedet, über das dritte Paket werden wir jetzt reden. Aber eine Voodoo-Ökonomie, wie sie der Linkspartei vorschwebt, wird sicher nicht funktionieren.

Was meinen Sie mit Voodoo-Ökonomie? 
Offensichtlich hat die Linkspartei noch immer nicht verstanden, dass der Sozialismus in jeder Hinsicht gescheitert ist. Wer glaubt, dass man durch staatliche Verteilung und möglichst viele Eingriffe alles reguliert, wird durch die Geschichte eines Besseren belehrt, denn Sozialismus und Kommunismus führen am Ende zu weniger Wohlstand. Statt über Preisdeckel zu diskutieren, sollten wir alles dafür tun, damit mehr Energie zur Verfügung steht. Dazu gehört neben dem Ausbau der erneuerbaren Quellen auch, die Laufzeiten der Meiler zu verlängern. 

In vielen EU-Ländern gibt es allerdings bereits Bremsen und Deckel für Energiepreise, Länder wie Frankreich, Spanien und Italien führen dazu eine Übergewinnsteuer ein – eine Idee, mit der auch Grüne wie Wirtschaftsminister Robert Habeck und Teile der SPD sympathisieren. Arbeiten Sie an einem Koalitionsdeal: Sie bekommen die Laufzeitverlängerung, Grüne und SPD die Übergewinnsteuer? 
Die Übergewinnsteuer wird von mancher Seite als eine Rettung dargestellt, die sie nicht sein kann. Im Gegenteil, vielmehr zahlen Bürgerinnen und Bürger am Ende sogar drauf. Denn eine solche Steuer kann dann nicht nur für die eine Branche wie Energiekonzerne gelten, für andere wie etwa Impfstoffhersteller wie Biontech aber nicht. Wer eine Übergewinnsteuer einführt, treibt innovative Firmen aus dem Land, das kostet Wohlstand und Arbeitsplätze. Auch von einer Über-Umsatzsteuer wie in Italien, mit der die Steuer nicht an der Gewinnsteigerung, sondern an der Veränderung des Umsatzes in dem jeweiligen Land bemessen wird, halte ich nichts.

Warum nicht?
Ich habe die Sorge, dass eine solche Über-Umsatzsteuer am Ende auch wieder von den Verbrauchern über höhere Preise der Unternehmen bezahlt wird. Und die privaten Haushalte sollen ja gerade entlastet und nicht weiter belastet werden.

Durch die Gasumlage werden für Haushalte ab Oktober mehrere Hundert Euro Zusatzkosten fällig, hinzu kommen steigende Preise durch die Inflation. Wie wollen Sie nun mit einem dritten Hilfspaket für weitere Entlastung sorgen – und gleichzeitig 2023 die Schuldenbremse einhalten?
Ich rate dringend von einer Linke-Tasche-Rechte-Tasche-Politik ab. Was wir als Staat tun, muss zunächst durch Steuereinnahmen gedeckt sein. Entlastung heißt für mich deshalb nicht, den Menschen zuerst ganz viel wegzunehmen, um ihnen dann etwas wiederzugeben. Die Menschen müssen mehr Geld am Ende des Monats übrig haben. Deshalb ist das geplante Inflationsausgleichsgesetz von Christian Lindner die richtige Maßnahme gegen die kalte Progression.

Warum?
Wir verhindern damit eine heimliche Steuererhöhung. Die Bürgerinnen und Bürger sollen nicht nach einer Gehaltsanpassung mehr Steuern zahlen müssen, obwohl die Kaufkraft durch die Inflation nicht größer geworden ist. Diese Entlastung zielt auf die breite Mitte der Gesellschaft ab, auf diejenigen, die hart arbeiten, die morgens aufstehen, einen 40 Stunden Job haben.

Zehn Milliarden Euro hat Finanzminister und FDP-Parteichef Lindner dafür eingeplant. Ihre Koalitionspartner dürften mit Ihnen jedoch noch über weiteren Milliardenhilfen sprechen wollen, auch eine Erhöhung des Bürgergelds steht etwa an. Wie wollen Sie dann trotzdem auf die Schuldenbremse pochen? 
Wir haben nicht die Option, weiter in die Verschuldung zu gehen. Wir müssen uns an den marktwirtschaftlichen Bedingungen orientieren, denn das garantiert den ökonomischen Wohlstand. Und in diesen harten Zeiten heißt das vor allen Dingen, dass sich der Staat selbst beschränkt.

Kanzler Olaf Scholz verspricht Unternehmern und Bürgern allerdings „You‘ll never walk alone“. Das klingt eher nach: Wir helfen, egal, was es kostet?
Ich hab‘ den Kanzler so verstanden, dass der Staat in diesen harten Zeiten seinen Beitrag leisten wird. Das haben wir mit den ersten beiden Hilfspaketen getan, das werden wird jetzt auch mit dem dritten Entlastungspaket tun, so dass der oder die Einzelne nicht zu stark belastet wird oder der Energiemarkt gar zusammenbricht.

Das erste Sommerzeugnis für die Bundesregierung fällt schlecht aus: Die Regierung von Kanzler Olaf Scholz hat die hohen Erwartungen bisher nicht erfüllen können, zeigt das neueste WirtschaftsWoche-Entscheiderpanel.
von Max Haerder

Es könnten wie in der Coronakrise weitere Hilfspakete folgen. Wie lange kann der Staat einen solchen Rettermodus stemmen? 

Klar ist, dass die Marktwirtschaft nicht ausgehebelt werden darf, dafür ist die FDP Garant. Der Vergleich zur Coronakrise hinkt sicher etwas, aber die alte Bundesregierung hat mit Maßnahmen wie flächendeckenden Lockdowns einen massiven wirtschaftlichen Schaden angerichtet, der dann durch den Staat ausgeglichen worden ist. Jetzt versuchen wir, diesen Schaden von vornherein zu vermeiden, etwa, indem wir die Energiequellen diversifizieren und auf Planungsbeschleunigung setzen. Wir müssen die eigenen Kräfte stärken und in Deutschland in einen Wachstumsmodus kommen.

Während Sie über Entlastungspakete diskutieren, wird die Krise für die Koalition selbst zum Belastungstest. Wie wollen Sie als Regierung selbst durch den Herbst kommen?
Wir sind drei sehr unterschiedliche Parteien, wir wussten, dass es die Coronakrise gibt, wir wussten nicht, dass der Angriffskrieg auf die Ukraine kommt. Aber wir beweisen etwa mit den Entlastungspaketen, dass wir handlungsfähig und nicht eine Koalition des kleinsten gemeinsamen Nenners sind.

Die FDP ist bei den letzten Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein abgewählt worden, nun stehen in Ihrem Heimatbundesland Niedersachsen im Oktober Landtagswahlen an. Wird die FDP zur Verliererin in der aktuellen Krise?
Nein, ich denke auch nicht in diesen Kategorien der politischen Landgewinnung, sondern darin, was das beste fürs Land ist. In Niedersachsen kandiert die FDP aus der Opposition heraus, als wir zwischen 2003 und 2013 mitregiert haben, lag das Land mit seinem Wirtschaftswachstum bundesweit an der Spitze, noch vor Bayern. Das ist eine gute Visitenkarte, um die FDP wieder in Regierungsverantwortung zu wählen. 

Ihr Parteichef Lindner macht sich gerade allerdings wenig beliebt mit seinen Aussagen zur Gratismentalität, während Robert Habeck trotz schlechter Nachrichten in den Umfragen hervorragend dasteht. 
Christian Linder spricht Wahrheiten aus, die nicht immer bequem sind.

Die ersten beiden Entlastungspakete

Und Robert Habeck etwa nicht?
Ich will nicht die Kommunikation von Kollegen aus der Koalition bewerten, aber was Christian Linder mit seiner Aussage deutlich macht: Der Staat kann nicht alles bezahlen, sondern er kann nur das ausgeben, was in Deutschland zuerst erarbeitet worden ist. Und da dürfen wir die Menschen nicht über Gebühr belasten, weshalb das Inflationsausgleichsgesetz so wichtig ist.

Teilen Sie denn immerhin Habecks Empfehlung, derzeit kürzer zu duschen? 
Ich bin kein Langduscher, aber das ist meine private Entscheidung, nicht die des Staats. Diese Diskussion um dicke Pullis und kurze Duschen wirkt auf mich aber mehr als komisch, denn es ist nicht die Aufgabe von Politik, den Menschen vorzuschreiben, wie lange sie den Wasserhahn aufdrehen oder was sie im Wohnzimmer anhaben sollten. Im Ziel sind wir uns einig: Unser Job ist es, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen und sich nicht moralisch über die Bürgerinnen und Bürger zu erheben. Aber das tut Robert Habeck auch nicht.

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Dann halten Sie auch wenig von Habecks Pool-Heiz-Verbot?
Ich frage mich manchmal, was der Staat noch regulieren will. Ich halte die Menschen für wesentlich klüger als es manche Aussagen aus den letzten Wochen vermuten lassen. Die Bürgerinnen und Bürger wissen sehr genau, dass die Preise steigen und dass sie aufs Portemonnaie achten müssen und reduzieren ihren Energieverbrauch bereits von sich aus.

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