Roboter-Start-up: „Der Markt für Roboter wird größer als der für Autos sein“
Haben Großes vor mit Robotern: David Reger, Gründer und CEO von Neura Robotics (rechts), und Chief Growth Officer Bernd Heinrichs
Foto: PRSieht so der Dienstbote von morgen aus? Unten Rollen, oben ein Roboterarm und zwei leuchtende Augen: Der menschenähnliche Roboter Mipa kann Lebensmittel auf einem Tablett servieren, Gegenstände greifen, Rollwagen hinter sich herziehen.
Geht es nach David Reger, werden solche Roboter in Zukunft massenhaft in Fabriken, Großküchen oder gar in Haushalten zum Einsatz kommen. „Die Robotik steht vor dem Sprung in den Massenmarkt“, sagt Reger, Gründer und CEO des Start-ups Neura Robotics aus Metzingen.
Mipa ist einer von vier Robotern, die das vier Jahre junge Unternehmen im Angebot hat – darunter Roboterarme und eine autonome Transportplattform. Mit Sensoren, Kameras und einer künstlichen Intelligenz an Bord sollen sie ihre Umgebung wahrnehmen und autonom agieren können wie wenige andere Maschinen. „Unsere Roboter können sehen, hören und tasten“, verspricht Reger.
„Kognitive Roboter“ nennt der Gründer seine Schöpfungen. Um sie ganz groß rauszubringen, hat Neura Robotics jetzt weiteres Wagniskapital eingesammelt, wie die WirtschaftsWoche exklusiv erfahren hat: Mit 15 Millionen Euro beteiligt sich die US-amerikanische Private-Equity-Gesellschaft InterAlpen Partners an Neura Robotics. Es ist die zweite große Finanzierungsrunde dieses Jahr – im Juli hatte das Start-up bereits 50 Millionen Euro Wagniskapital erhalten.
5000 Roboter als Küchenhelfer
Damit will Neura Robotics nun die nächsten Schritte finanzieren: Den Ausbau der Fertigung und die weitere Expansion ins Ausland. „Wir wollen noch dieses Jahr in die USA expandieren“, sagte Reger. Dabei dürfte der neue Investor hilfreich sein, um die richtigen Kontakte aufzubauen. InterAlpen-Gründer Stephen George habe frühzeitig in Unternehmen wie Tesla, SpaceX und Twitter investiert, sagt Reger.
Zu den bisherigen Kunden von Neura Robotics gehören Unternehmen aus der Automobilbranche, Hersteller von Schweißgeräten, der japanische Roboterhersteller Kawasaki Robotics – und auch ein Kunde in China, der die Roboter für Arbeiten in Küchen einsetzen will. 5000 Stück habe das Unternehmen dafür geordert, sagt Reger.
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Insgesamt summierten sich die Vorbestellungen bei Neura Robotics auf mindestens 450 Millionen Euro, sagt Reger. Mehr als 100 weitere Verträge seien in Verhandlungen. Um die Nachfrage zu bedienen, will das Start-up jetzt seine Fertigungskapazität ausbauen und weiteres Personal anheuern. 160 Mitarbeiter sind aktuell bei dem Roboterhersteller beschäftigt.
Als neuen Chef fürs Wachstum („Chief Groth Officer) hat Reger nun einen erfahrenen Manager anwerben können: Bernd Heinrichs, bisher Co-CEO des Robotik-Unternehmens Wandelbots und bis 2021 bei Bosch als Executive Vice President für die digitale Transformation verantwortlich.
Sensor erkennt Menschen
Weltweit wuchs der Markt für Roboter in den vergangenen Jahren stetig. Allein in der Automobilbranche sind weltweit rund eine Millionen Einheiten im Einsatz, meldet der Branchenverband International Federation of Robotics (IFR). Ein Trendthema laut IFR: Roboter, die leichter zu bedienen sind.
Hier will Neura Robotics punkten. Mit Kameras, Sensoren und KI sollen die Roboter aus Metzingen schnell neue Aufgaben lernen – so etwa der Roboterarm Maira: „Sie stellen eine Kiste mit Bauteilen vor Maira hin“, sagt Reger. Maira frage dann: Wie kann ich helfen? Ein Sprachbefehl reiche, um dem Roboter den Auftrag zu geben, die Teile aus der Kiste zu nehmen und etwa in ein Regal zu legen.
Die meisten bisherigen Roboter mussten für jeden Einsatz umständlich programmiert werden. Modernere Roboterarme können immerhin Bewegungsabläufe lernen, die Arbeiter ihnen per Hand vorführen. Maira und Co. sollen noch schneller lernen: „Als Trainer können Sie etwa mit den Fingern auf die Stelle zeigen, an denen der Roboter die Teile greifen soll“, sagt Reger. Wie ein Teil von A nach B kommt, soll der Roboter von selbst berechnen. „Der Roboter programmiert sich selbst“, sagt der Neura-Robotics-Manager.
Dabei erkenne ein eigens entwickelter smarter Sensor sehr zuverlässig, wenn sich Menschen nähern – und sorge dafür, dass sich Mensch und Maschine nicht in die Quere kommen. Das soll die Maschinen aus Metzingen auch reif für den Einsatz in bisher kaum automatisierten Lebensbereichen machen – etwa in Großküchen, im Büro oder im Haushalt. So arbeitete das Start-up daran, dass sein Roboter ein Spülmaschine ausräumen könne, erzählt Reger.
Roboter im Massagesalon
„Wir können in kurzer Zeit komplette Räume scannen“, sagt der Gründer. „Der Roboter erkennt Objekte, die neu dazu kommen, und kann dann auch viele bisher undefinierte Gegenstände aufheben“. Das sind Themen, an denen unter anderem auch Tesla mit seinem Roboter Optimus arbeiten. Allerdings haben Hersteller schon oft den ultimativen Haushalts-Helfer versprochen – und bisher nicht zustande gebracht.
Doch Reger ist überzeugt, dass die Technik inzwischen viel weiter entwickelt ist. „Wir glauben, dass wir einige Probleme gelöst haben.“ In China würden Roboter aus Metzingen etwa bereits in Massagesalons eingesetzt. In Zukunft könnten die Maschinen auch in Küchen Pommes aus der Fritteuse holen, bevor sie anbrennen.
„Die Welt in Zukunft wird ziemlich perfekt sein“, verspricht Reger. „Wir bringen KI in Maschinenkörper und lassen sie Dinge tun, auf die wir keine Lust haben.“ Sein Ziel sei es, dass solche smarten Helfer nicht mehr teurer seien als ein E-Bike. „Der Markt für Roboter wird größer als der für Autos sein."
Ein kühne Prognose aus heutiger Sicht. Immerhin: Auch das Geschäft mit Autos hat ja mal klein angefangen.
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