McKinsey-Studie Diese Innovationen entscheiden über Deutschlands Wohlstand

Neue Technologien schaffen Märkte und Jobs so schnell wie nie – und vernichten bestehende erbarmungslos. Wie gut ist Deutschland für den Umbruch gerüstet? Eine exklusive Studie liefert Antworten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Denkende Maschinen, totale Vernetzung, smarte Dienste
Internet der DingeDie Verknüpfung aller Gegenstände ermöglicht es, sie über Datennetze zu orten, zu kontrollieren und zu koordinierenWichtige Anwendungen: Intelligente Steuerung globaler Logistikketten und des Verkehrs; medizinische Ferndiagnosen; Gebäudeautomation; sich selbst optimierende FabrikenEinfluss auf das BIP 2025 (in Mrd. Euro), Anteil am BIP: 207 Milliarden = 4,8 ProzentEffekt auf Arbeitsplätze: 4/4Wettbewerbsstärke Deutschlands: 3/4 Quelle: Marcel Stahn
Automatisierung WissensarbeitLernende Softwaresysteme erkennen Zusammenhänge, analysieren Probleme und ziehen daraus SchlussfolgerungenWichtige Anwendungen: Erledigung von Aufgaben in Büro und Verwaltung; Abwicklung von Dienstleistungen; Erstellung von Entscheidungsvorlagen; medizinische DiagnosenEinfluss auf das BIP 2025 (in Mrd. Euro), Anteil am BIP: 207 Milliarden = 4,8 ProzentEffekt auf Arbeitsplätze: 4/4Wettbewerbsstärke Deutschlands: 3/4 Quelle: REUTERS
Fortgeschrittene RobotikRoboter bauen sich selbst, finden sich in der Umwelt zurecht und stellen sich auf den Menschen ein.Wichtige Anwendungen: Industrielle Produktion; Chirurgie; Pflege; vielseitige Helfer im Alltag, etwa beim Putzen oder RasenmähenEinfluss auf das BIP 2025 (in Mrd. Euro), Anteil am BIP: 175 Milliarden = 4,0 ProzentEffekt auf Arbeitsplätze: 3/4Wettbewerbsstärke Deutschlands: 4/4 Quelle: REUTERS
Alternative AntriebeElektro-, Brennstoffzellen- und Wasserstoffantrieb oder Hybridlösungen.Wichtige Anwendungen: Privat und gewerblich genutzte Fahrzeuge; Fuhrparks; Busse; Schiffe und FlugzeugeEinfluss auf das BIP 2025 (in Mrd. Euro), Anteil am BIP: 111 Milliarden = 2,6 ProzentEffekt auf Arbeitsplätze: 2/4Wettbewerbsstärke Deutschlands: 4/4 Quelle: dpa
Mobiles InternetSmartphone, Tablet-PC oder Datenbrille verbinden Nutzer jederzeit und überall mit dem InternetWichtige Anwendungen: E-Commerce; Online-Lernen; Telemedizin, z. B. Überwachung des Gesundheitszustands chronisch Kranker; Mobile Payment; GastronomietippsEinfluss auf das BIP 2025 (in Mrd. Euro), Anteil am BIP: 91 Milliarden = 2,1 ProzentEffekt auf Arbeitsplätze: 2/4Wettbewerbsstärke Deutschlands: 1/4 Quelle: dpa
Big DataAnalyse riesiger Datenmengen, die Sensoren, Rechner, Handys, intelligente Zähler und Autos ständig sammeln und übermittelnWichtige Anwendungen: Angebot individueller Produkte und Dienstleistungen; Börsenhandel; Marktprognosen; Entdeckung neuer GeschäftsmodelleEinfluss auf das BIP 2025 (in Mrd. Euro), Anteil am BIP: 82 Milliarden = 1,9 ProzentEffekt auf Arbeitsplätze: 3/4Wettbewerbsstärke Deutschlands: 2/4 Quelle: obs
Cloud ComputingAus der Datenwolke können Unternehmen und Private via Internet Software, Rechen-, Speicher- und NetzwerkkapazitätWichtige Anwendungen: Programme, IT-Infrastruktur und Internet-Plattformen werden gemietet statt gekauft – bedarfsgerecht und technisch auf dem neuesten StandEinfluss auf das BIP 2025 (in Mrd. Euro), Anteil am BIP: 73 Milliarden = 1,7 ProzentEffekt auf Arbeitsplätze: 3/4Wettbewerbsstärke Deutschlands: 2/4 Quelle: dpa

Bauteile wuseln über Bänder von Bearbeitungsstation zu Bearbeitungsstation – anscheinend gelenkt von einer höheren Macht. Doch in Wirklichkeit organisieren die Werkstücke ihre Herstellung zum fertigen Produkt selbst. Dazu führen sie Funkmodule, Minichips und ihren Fertigungsauftrag mit. Bei der Reise über die Bänder sprechen sie untereinander ab, welche Maschine gerade frei ist und ob diese alles Material für den nächsten Produktionsschritt parat hat. Am Ende plumpsen etwa komplette Rücklichter für Autos in die Versandkisten.

Es ist der Testlauf in eine neue Ära der Industrieproduktion – mit Mitteln und Methoden des Internets. Und deutsche Unternehmer und Forscher sind ganz vorn beim Eintritt in diese digitale Fabrikwelt, bei der alles mit jedem vernetzt ist – der größten Umwälzung seit Erfindung des Fließbands vor gut 140 Jahren.

Siemens beispielsweise erprobt die sich selbst optimierende Produktion in seinem Vorzeigewerk im bayrischen Amberg, in dem rund 1000 Beschäftigte elektronische Steuerungen für Getränkeabfüllanlagen, Skilifte oder Müllwagen herstellen. Der baden-württembergische Mittelständler Wittenstein tastet sich bei der Produktion von Zahnrädern an die Prinzipien der Selbstorganisation heran. In Bremen sammeln Ingenieure des Instituts für Produktion und Logistik der dortigen Universität in Deutschlands derzeit wohl modernster Modellfabrik neue Erkenntnisse zu dem Thema.

Wahre Wunder

Vordenker wie der frühere SAP-Chef Henning Kagermann, heute Präsident der Technikakademien in Deutschland (Acatech), erwarten von der digitalen Fabrik wahre Wunderdinge. Seine Prognose: In ihr sollen selbst Einzelstücke eines Tages nicht mehr kosten als heutige Massenware – dank Produktivitätssprüngen von 50 Prozent und ebenso großen Material- und Energieeinsparungen.

Damit ist klar: Das Land, das als erstes erfolgreich Internet-Technologien in die Produktion integriert, hat allerbeste Wachstumsperspektiven. Deutschland befindet sich – so die frohe Botschaft – bei der Perfektionierung des Internets der Dinge, wie Fachleute die Vernetzung aller Gegenstände und Geräte miteinander nennen, in einer aussichtsreichen Startposition.

Das größte Potential

Zu diesem Ergebnis kommen jedenfalls die Experten der global tätigen Unternehmensberatung McKinsey. Exklusiv für die WirtschaftsWoche haben sie analysiert, bei welchen Technologien wir stark sein müssen, um auch im nächsten Jahrzehnt vielen Millionen Menschen Arbeit bieten und unseren Wohlstand mehren zu können. Und da hat das Internet der Dinge, das etwa auch die intelligente Steuerung von Logistikketten und Verkehrsströmen umfasst, das größte Potenzial.

Gelänge es der deutschen Wirtschaft, auf diesem Gebiet Standards zu setzen und umsatzstarke Geschäftsmodelle zu entwickeln, dann könnte das unser Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2025 um gleich 207 Milliarden Euro oder umgerechnet fast fünf Prozent nach oben treiben. Das sind noch einmal gut 20 Milliarden Euro mehr, als die chemisch-pharmazeutische Industrie heute jährlich hierzulande umsetzt.

Parallel entstünden viele neue Jobs. Davon ist Andreas Tschiesner überzeugt, Direktor und führender Kopf bei McKinsey Deutschland für die Bewertung fortschrittlicher Technologien. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch: Misslingt der Umstieg, geht im Extremfall ebenso viel Wirtschaftsleistung verloren – mit allen negativen Folgen für die Beschäftigung.

Das Spiel um die Neuverteilung der Welt hat begonnen. Jetzt entscheidet sich, ob wir auch in den nächsten Jahrzehnten eine führende Wirtschaftsnation bleiben.

„Würde Deutschland bei der Vernetzung aller Dinge versagen, wäre unsere gute Wettbewerbsposition massiv erschüttert“, warnt Tschiesner. Die Gefahr hält er aber für gering. „Alle maßgeblichen Akteure haben die Wichtigkeit des Wandels erkannt und kämpfen um eine Führungsrolle.“

Technologien waren zu allen Zeiten Treiber gesellschaftlichen und ökonomischen Fortschritts. Doch nur wenige haben die Sprengkraft, Spielregeln komplett über den Haufen zu werfen und die Machtverhältnisse auf den Märkten zu erschüttern. Ökonomen bezeichnen sie als disruptiv. Auf sie haben sich die Berater konzentriert. Und auch Reporter und Redakteure der WirtschaftsWoche sind ausgeschwärmt, um der Nation den Puls zu fühlen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%