Das Rennen um den CDU-Vorsitz hat noch gar nicht richtig begonnen, da scheint eines schon klar: Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an der Spitze der bisherigen Kanzlerpartei stehen dürfte, gilt als denkbar gering. Denn bisher werden vor allem Männer aus Nordrhein-Westfalen als Anwärter auf die Nachfolge von Parteichef Armin Laschet gesehen. Dass keine einzige prominente Frau gehandelt wird, gilt als Krisenzeichen. Aber aus ganz anderen Gründen stellt sich auch für SPD und FDP derzeit die „Frauenfrage“ – nämlich bei der Zusammenstellung eines Kabinetts der angestrebten Ampel-Koalition.
Die Spitzen der Union haben das Problem eines zu geringen Frauenanteils in der Partei und den Gremien schon länger eingeräumt – aber es bisher nicht abstellen können. Zwar verwies auch Laschet darauf, dass Angela Merkel immerhin von 2000 bis 2018 Parteichefin war. Ihr folgte für zwei Jahre Annegret Kramp-Karrenbauer. Doch nun liegt der Frauenanteil in der neuen CDU/CSU-Bundestagsfraktion erneut nur bei 23,4 Prozent. Die CDU stellt mit Tobias Hans (Saarland), Daniel Günther (Schleswig-Holstein) und nun Hendrik Wüst (Nordrhein-Westfalen) zwar eine junge Ministerpräsidenten-Riege. Aber anders als die SPD hat sie eben keine Landeschefin vorzuweisen.
Und im Rennen um den Parteivorsitz werden jetzt fünf CDU-Männer aus Nordrhein-Westfalen gehandelt – Friedrich Merz, Jens Spahn, Norbert Röttgen, Ralph Brinkhaus und Carsten Linnemann. Hinter vorgehaltener Hand räumen zumindest zwei von ihnen ein, dass dies ein Problem ist. Schon im letzten Rennen um den Parteivorsitz hatte Röttgen deshalb die rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Ellen Demuth als seine bevorzugte Generalsekretärin in seinem Team präsentiert.
Auch deshalb versuchen mögliche Kandidaten jetzt fieberhaft neue Teams zu bilden, denen nach Möglichkeit auch Frauen angehören sollen. Allerdings hat die wahrscheinliche Oppositionspartei CDU diesmal gar nicht viele Posten zu verteilen: Machtpositionen sind nur Parteivorsitz, Generalsekretär und Fraktionschef im Bundestag.
Als wahrscheinlichste Variante gilt, dass ein Mann an der Spitze dann eine Generalsekretärin vorschlagen dürfte. Gehandelt werden hier Namen wie die der aus dem Saarland kommenden CDU/CSU-Fraktionsvize Nadine Schön oder die schleswig-holsteinische Kultusministerin Karen Prien. Sollte es Röttgen werden, dürfte auch Ellen Demuth wieder im Spiel sein. Dass prominente Frauen wie Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, Integrations-Staatsministerin Annette Widmann-Mauz oder die CDU-Vize Silvia Breher nach dem Parteivorsitz greifen, gilt dagegen als eher unwahrscheinlich.
Der Vorstoß der neuen Bundestags-Vizepräsidentin Yvonne Magwas nach einer Doppelspitze auch bei der CDU verpuffte bisher. Zumindest müsste die CDU dafür ihre Satzung ändern. Dabei hatte Widmann-Mauz als Vorsitzende der Frauenunion in einem Brief an die Mitglieder erst Ende vergangener Woche gewarnt: „Hier zeigt sich erneut das strukturelle Problem der Unterrepräsentanz von Frauen in Entscheidungsfunktionen unserer Partei. Gerade zwölf Prozent der CDU-Kreisvorsitzenden sind weiblich.“
Der wahrscheinliche nächste Kanzler Olaf Scholz hat da andere Sorgen, auch wenn der Frauenanteil in der neuen SPD-Bundestagsfraktion bei 41,7 Prozent liegt. Die SPD hat zwar als potenzielle Regierungspartei mehr Posten zu vergeben – dafür aber viele ehrgeizige Männer für Top-Positionen. Als gesetzt gilt derzeit, dass sowohl der Posten des Kanzlers als auch des SPD-Fraktionschefs künftig in Männerhand liegen. Mit Generalsekretär Lars Klingbeil und Arbeitsminister Hubertus Heil stehen zwei Personen bereit, die Scholz kaum übergehen kann. Als potenzieller Kanzleramtschef gilt Finanz-Staatssekretär Wolfgang Schmidt. Zumindest ist das Amt der Bundestagspräsidentin in Zukunft durch Bärbel Bas mit einer Frau besetzt.
Scholz hat aber zugleich eine paritätische Besetzung des Kabinetts zugesagt. Immerhin gibt es mit der SPD-Doppelspitze die Garantie, dass mindestens eine Frau der Führung der SPD angehören wird. Gehandelt werden entweder die bisherige Co-Vorsitzende Saskia Esken oder die mecklenburg-vorpommersche Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. Sollte Klingbeil an die Parteispitze rücken, könnte ihm theoretisch auch eine Generalsekretärin folgen.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing wiederum verwahrt sich dagegen, dass die SPD jeder Ampel-Partei eine paritätische Besetzung vorschreiben will. Denn auch in der FDP kämpft eine ganze Gruppe von Männern um Posten – angefangen von Parteichef Christian Lindner. Sollten die Liberalen aber mehr Männer als Frauen ins Kabinett berufen, würde das Problem von Scholz noch wachsen.
Dass sich die Parteien der Problematik bewusst sind, zeigt, dass sowohl SPD als auch Union nur Kandidatinnen für das Bundestagspräsidium nominierten. Bei der Union musste dafür der bisherige Vize Hans-Peter Friedrich weichen. Da der AfD-Kandidat nicht gewählt wurde, ist der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki nun der einige Mann im Bundestagspräsidium – das allerdings nicht als zentrales Machtgremium in der deutschen Politik gilt.
Mehr zum Thema: Auch im internationalen Vergleich hinkt Deutschland hinterher. Im neuen Kabinett des kanadischen Premierminister Trudeau etwa ist jeder zweite Posten von einer Frau besetzt.