Umbruch in Moskau Was deutsche Unternehmen in Russland bewegt

Russlands Präsident Wladimir Putin und Metro-Chef Olaf Koch Quelle: dpa

Volkswagen, Metro, Henkel, Uniper: Viele deutsche Großkonzerne spielen auf dem russischen Markt eine große Rolle. Was bedeutet für sie der Rücktritt der russischen Regierung? Und wie entwickeln sich ihre Geschäfte?

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Der Rücktritt der russischen Regierung von Ministerpräsident Dmitri Medwedew vergangene Woche kam auch für deutsche Unternehmen, die in Russland Geschäfte machen, überraschend. Doch trauen sich nur wenige, sich darüber zu äußern, welche Konsequenzen sich aus diesem Rücktritt für ihr Geschäft ergeben. Konzernlenker dürften sich auf eine weitere, langjährige Zusammenarbeit mit Wladimir Putin einstellen, dem aktuellen Präsidenten, der auch nach Ende seiner Amtszeit 2024 die Macht in Russland nicht wird abgeben wollen. Die russische Wirtschaft stagniert, seit Russland im Frühjahr 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektiert und der Westen daraufhin Sanktionen verhängt hat. Zudem sinkt der Ölpreis kontinuierlich. Kein leichtes Umfeld für Geschäftsbeziehungen – doch gerade die deutsche Wirtschaft spielt hier eine wichtige Rolle. 

Laut der deutsch-russischen Außenhandelskammer (AHK) war Deutschland in den ersten neun Monaten 2019 hinter China der zweitwichtigste Handelspartner Russlands. Aber: Deutschlands Anteil am russischen Außenhandel ist in den ersten drei Quartalen 2019 um fast einen Prozentpunkt auf 7,9 Prozent gesunken. „Das lag vor allem am gesunkenen Ausfuhrwert russischer Rohstofflieferungen“, schreibt die AHK Russland: „Während Russlands Exporte nach Deutschland um 18 Prozent schrumpften, gingen die Importe nur um 5 Prozent zurück. Russland kauft vor allem deutsche Maschinen, Autos und Chemieprodukte.“ 

Laut der deutsch-russischen Außenhandelskammer sind unter den 50 größten ausländischen Firmen in Russland neun deutsche Unternehmen. Die Liste bezieht sich auf Zahlen aus dem Jahr 2018, neuere liegen noch nicht vor. Die Rangliste der in Russland umsatzstärksten deutschen Unternehmen:

1.      Volkswagen: 4,1 Milliarden Euro Umsatz in Russland
2.      Metro Cash&Carry: 3,08 Milliarden Euro
3.      Daimler: 2,1 Milliarden Euro
4.      BMW: 1,75 Milliarden Euro
5.      Globus: 1,3 Milliarden Euro
6.      Uniper: 1,15 Milliarden Euro
7.      Henkel: 1,1 Milliarden Euro
8.      Bayer: 0,8 Milliarden Euro
9.      Obi: 0,7 Milliarden Euro

Die WirtschaftsWoche hat die neun Unternehmen um Stellungnahmen zum Regierungsrücktritt gebeten. Die Rückmeldungen waren verhalten. Der Chemiekonzern Bayer antwortete gar nicht. Der saarländische Supermarktbetreiber Globus, der Autobauer Daimler und die Baumarktkette Obi richteten aus, sich nicht zum Thema äußern zu können. Auch der Düsseldorfer Waschmittel- und Klebstoff-Spezialist Henkel, seit 1990 in Russland tätig, verweist nur auf die Bedeutung des Marktes: nach den USA und China war Russland für Henkel 2018 der drittgrößte außereuropäische Markt.

BMW (Umsatz: 97,5 Milliarden Euro) verweist statt einer Kommentierung der Politik in Russland lediglich auf einen wachsenden Markt: Die Münchner haben ihren Absatz in Russland in den vergangenen fünf Jahren von 28.800 Autos (2014) auf zuletzt 44.000 Autos (2019) gesteigert. Und ein Sprecher von Volkswagen (Umsatz: 235,8 Milliarden Euro) teilt mit: „Die Geschäftsentwicklung für den Volkswagen Konzern in Russland ist positiv. Wir haben den Turnaround geschafft.“ VW-Chef Herbert Diess erwähnte beim sogenannten Global Board Meeting vergangene Woche in Berlin: „Auch in Russland haben wir unser Geschäft gedreht.“ Von 2017 auf 2018 hat VW in Russland seine Auslieferungen um 20,6 Prozent auf 209.261 Autos erhöht. Und auch im vergangenen Jahr, teilt VW mit, sei die Entwicklung der Auslieferungen nach Russland positiv, „und so haben wir in einem rückläufigen Gesamtmarkt deutlich Marktanteile gewinnen können“.

Russland-Geschäft belastete Metros Bilanz

Der zweitgrößte deutsche Russland-Umsatzbringer ist die Düsseldorfer Großhandelskette Metro (Umsatz: 27 Milliarden Euro). Für sie war das Russland-Geschäft in den vergangenen Jahren vor allem „herausfordernd“, wie Metro-Chef Olaf Koch im Dezember einräumte. Für das Geschäftsjahr 2019/2020 (Oktober 2019 bis September 2020) rechne Koch mit einem Ergebnisrückgang zwischen 20 und 30 Millionen Euro; im vergangenen Jahr waren es fast 40 Millionen Euro. In Russland erwirtschaftete Metro im vergangenen Geschäftsjahr rund 2,7 Milliarden Euro; im Jahr davor waren es noch etwas mehr als 2,8 Milliarden Euro. Auf WirtschaftsWoche-Nachfrage teilt Metro nun mit: „Für unser Geschäft in Russland sind Politikinhalte sowie stabile politische und rechtliche Rahmenbedingungen verständlicher Weise bedeutender als Personalentscheidungen.“ Auf die Frage, was Metro sich von einer neuen russischen Regierung erhofft, antwortet ein Konzernsprecher: „Wir wünschen uns eine konsequente praktische Umsetzung der gesetzten politischen Prioritäten, darunter Stärkung des Wirtschaftswachstums, weniger bürokratische Barrieren, Entwicklung des kleinen und mittleren Unternehmertums.“ 

Die Konzentration auf den russischen Markt ist auch auf die früheren Metro-Chefs Hans-Joachim Körber (2001 bis 2007) und Eckhard Cordes (2007 bis 2011) zurückzuführen. Eckhard Cordes war Vorsitzender des Wirtschaftsverbandes Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft (wo er heute noch neben dem derzeitigen Metro-Chef Koch im Präsidium sitzt) und engagierte sich im Verein Petersburger Dialog. Den ersten Metro-Großmarkt in Russland eröffnete Körber 2001. Heute betreibt Metro in Russland 94 Märkte, allein zwölf davon in der Hauptstadt Moskau. Den neuesten eröffnete der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin im Juli 2019. Damit ist Russland hinter Frankreich (98 Standorte) Metros zweitwichtigster Auslandsmarkt. 

In den vergangenen Jahren hatte Metro in Russland an Umsatz stark eingebüßt. Heute allerdings sei das Russland-Geschäft profitabel, bekräftigt der Konzern. Man erkenne „in jüngster Zeit eine Trendwende“. Für das laufende Jahr rechne man damit, „die beginnen Maßnahmen zur Trendverbesserung konsequent weiterführen zu können“. Russland bleibe für Metro ein „wichtiger, wenn auch herausfordernder Markt. Wir unterstützen insbesondere die kleinen Händler mit Beratung, Service, Produktqualität und unserem Franchise-Konzept Fasol dabei, sich in einem dynamischen Einzelhandelsmarkt erfolgreich behaupten zu können. Wir erhoffen uns, dass auch die Regierung insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmer wie Händler oder Gastronomen stärkt und das Land wieder von einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung profitieren kann.“

Energieversorger Uniper vor feindlicher Übernahme

Der Düsseldorfer Energieversorger Uniper (78 Milliarden Euro Umsatz), einst vom Energiekonzern Eon abgespalten, ist in Russland vor allem über seine Mehrheitsbeteiligung am Stromversorger Unipro aktiv. Die Stromerzeugung erfolgt über fünf Kraftwerke: ein Braunkohle- sowie vier Erdgas- und Steinkohle-Kraftwerke. Damit deckt Uniper nach eigener Aussage rund fünf Prozent der gesamten russischen Stromproduktion ab. Uniper finanziert in Russland unter anderem auch die umstrittene Ostsee-Gasleitung Nord Stream 2, „von deren energiewirtschaftlicher Logik wir überzeugt bleiben“, wie Uniper mitteilt. Den Regierungsrücktritt kommentiert ein Uniper-Sprecher wie folgt: „Im Rahmen unseres langjährigen Russland-Engagements haben wir stets vertrauensvoll mit der jeweiligen russischen Regierung zusammengearbeitet.“

Zwei Jahre lang hat der Düsseldorfer Energiekonzern Uniper um seine Unabhängigkeit gekämpft – jetzt scheint er verloren zu haben. Denn der finnische Versorger Fortum hat sich mit zwei Fonds geeinigt.
von Katja Joho

Die Zusammenarbeit mit der russischen Wettbewerbsbehörde dürfte Uniper allerdings eine Spur kritischer betrachten: Diese hatte dank einer Auflage lange Zeit eine feindliche Übernahme Unipers durch das finnische Energieunternehmen Fortum blockiert, Ende vergangenen Jahres aber eine Gesetzesänderung ins Spiel gebracht, die Investitionen ausländischer Staatskonzerne in Russland betrifft. Fortum ist solch ein Staatskonzern. Im Mittelpunkt des Übernahmeversuchs steht eine Wasseraufbereitungsanlage in Russland, die Uniper gehört, und die Russland lange Zeit als strategisch bedeutend eingestuft hat. Anlagen von solcher Bedeutung durften nach der alten Gesetzeslage nicht mehrheitlich in den Besitz ausländischer Staatskonzerne gelangen. Doch Fortum-Chef Pekka Lundmark konnte die Lage offenbar lösen: Im vergangenen November erlaubte Russland Fortum grundsätzlich die Übernahme. Lundmark hatte am Rande eines Wirtschaftskongresses in Sankt Petersburg mit Wladimir Putin darüber gesprochen – dem alten und wohl auch zukünftigen Herrscher Russlands.

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