TV-Triell der drei Kanzlerkandidaten Endlich Angriff!

Kandidaten Scholz (li.) und Laschet, Anwärterin Baerbock beim Vortrag am Sonntagabend. Wohltuend bei der Diskussion war die Konzentration auf politische Inhalte – es ging diesmal nicht um Mimik, Kleidungsfragen oder Haltungsnoten auf Social Media Quelle: dpa

Armin Laschet erinnert Olaf Scholz an seine Verantwortung bei Wirecard und Cum-Ex-Geschäften und trifft damit beim Roten ins Schwarze. Das zweite TV-Triell hält die Spannung im Endspurt des Wahlkampfs.

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Vielleicht wirkte es nicht besonders sympathisch, aber die Angriffe von Armin Laschet auf Olaf Scholz beim TV-Triell am gestrigen Abend waren aus mindestens zwei Gründen dringend erforderlich.

Zum einen steht der Kanzlerkandidat der Union angesichts der schwachen Umfragewerte enorm unter Druck. Der CDU-Vorsitzende musste einfach in die Offensive gehen, der Versuch einer weitgehend streitfreien Wahlkampfstrategie hat erkennbar nicht funktioniert.

Die Wähler wollen eben keinen freundlichen Versöhner, der geduldig alle einbindet, sondern eine starke Führungspersönlichkeit, die in Krisenzeiten die Richtung vorgibt. Auch deshalb drängen führende Leute in CDU und CSU Laschet dazu, die Rolle des netten Armin aufzugeben und seine Gegner bei ihren Schwachstellen zu packen: Endlich Angriff lautet die Devise.




Wirkungstreffer bei Scholz

Zum zweiten konnte Laschet es in dem Fernsehtriell einfach nicht weiter zulassen, dass Scholz als verantwortlicher Bundesfinanzminister so tut, als hätte er weder etwas mit der Razzia in seinem Haus zu tun noch etwas mit dem Wirecard-Skandal oder mit den Cum-Ex-Geschäften und den äußerst windigen Vorgängen rund um die Warburg Bank in der damals von ihm regierten Hansestadt Hamburg. Und siehe da: Scholz wand sich, kriegte vor Ärger rote Ohren und war trotz mehrfacher Aufforderung immer noch nicht bereit, die Akten seiner Vernehmung zu Cum-Ex für den Bundestag freizugeben oder sich zu diesen Vorgängen zu äußern.

Dass Grünenchefin Annalena Baerbock die Gelegenheit in der Diskussion der Öffentlich-Rechtlichen nutze, dem SPD-Kandidaten vorzuwerfen, als Bundesfinanzminister bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Steuerbetrug versagt zu haben, bestätigte die Strategie von Laschet bei diesem TV-Triell. Für ihn geht es auf den letzten Metern im Wahlkampf vor allem darum, die Kernwählerschaft der Union an die Urne zu bringen – und diese unverzichtbare Gruppe davon abzuhalten, aus mangelnder Begeisterung für den Unionskandidaten ihr Kreuz bei der FDP zu machen. Nur wenn die Stammwähler trotz Bauchgrimmen am 26. September geschlossen für CDU und CSU stimmen, ist der Machtverlust vielleicht noch aufzuhalten.

Entsprechend angriffslustig zeigte sich Laschet denn auch bei den anderen Themen des Abends. Seine Kritik daran, dass SPD und Grüne in NRW während der letzten Jahre gegen alle Vorhaben gestimmt hatten, die Verwaltungen zu entbürokratisieren und Verfahren etwa beim Bau von Stromtrassen zu beschleunigen, riss tiefe Löcher in die Legende von Scholz, die fehlerhaften Energieprognosen des CDU-geführten Bundeswirtschaftsministeriums behindere die Entwicklung der Industrie. Dass die Klima- und Energiepolitik der vergangenen Jahre ganz wesentlich von der sozialdemokratischen Bundesumweltministerin Svenja Schulze mitverantwortet wurde, tauchte allerdings weder bei Baerbock noch bei Laschet auf.

Inhalte statt Haltungsnoten

Wohltuend bei der Diskussion war die Konzentration auf politische Inhalte – es ging diesmal nicht um Mimik, Kleidungsfragen oder Haltungsnoten auf Social Media, sondern konkret um Themen wie Rente, Mieten, Digitalisierung und die Frage einer Impfpflicht. Auch wenn Scholz und Laschet sich um eine klare Aussage herumdrückten, ob Impfungen für bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte oder Pfleger obligatorisch sein sollten, so wurden bei der Debatte um die anderen Themen doch die Unterschiede deutlich: Keine Steuererhöhungen mit Laschet, kräftige Erhöhungen für Gutverdiener und Unternehmer bei SPD und Grünen, Umbau der Industrie mit dem Ziel der Klimaneutralität bei Union und SPD, Tempo und Beschleunigung beim Klimaschutz bei den Grünen.

Auch wenn Scholz in der Blitzumfrage der ARD bei 1500 repräsentativ ausgesuchten Zuschauern zum Sieger erklärt wurde, so nutzte Laschet doch die Möglichkeit, die aufgesetzte Chefarztaura von Scholz zu erschüttern. Dass mit der Razzia im Bundesfinanzministerium der Blick der Öffentlichkeit einmal auf die Defizite des SPD-Kandidaten bei Geldwäsche und Steuerbetrug sowie auf die Verantwortung von Scholz bei Wirecard und Cum-Ex-Skandal gelenkt wird, ist die letzte Chance für Laschet, den Vorsprung seines Rivalen zumindest wieder zu verringern.

Auch Baerbock machte ihre Punkte, weil sie sich im Gegensatz zu den beiden Männern nicht um Fragen aus der Vergangenheit stritt, sondern den Fokus auf die Zukunftsprobleme warf. Das Triell und die im Ganzen doch recht geordnete und argumentativ geprägte Diskussion hat die Spannung in diesem Wahlkampf aufrechterhalten.

Mehr zum Thema: Noch zwei Wochen bis zur Bundestagswahl und so viele drängende Probleme. Rente, Klimaschutz, Digitalisierung, China – Annalena Baerbock, Armin Laschet und Olaf Scholz müssen sich diesen Themen endlich stellen.

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