Innovationen Die Zukunftsmacher: Hightech aus Deutschland

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Revolution per Zufall

Klemens Massonne ist BASF-Chemiker

Mit Flüssigsalzen lassen sich bessere Solarzellen, rostfreie Windanlagen und billigere Stoffe herstellen.

Wer ein Wasserstoffauto betanken will, muss sich bislang oft 20 Minuten und mehr gedulden. Brennstoffzellenfahrzeuge, die am Stuttgarter Flughafen aufgetankt werden, sind schon nach wenigen Minuten wieder startklar. Das ermöglicht eine neue Pumpe aus dem Hause Linde, die gasförmigen Wasserstoff mit einem Druck von 700 bar in die Tanks der Fahrzeuge presst. Das ist 350-mal mehr als der Druck in einem Autoreifen.

Bisher ließ sich solch ein Druck nur mit mehreren Pumpen erreichen, weil die beim Verdichten entstehende Wärme nicht schnell genug abgeführt werden konnte. Ihre spektakuläre Leistung verdankt die Linde-Pumpe einer neuartigen Flüssigkeit, die den Wasserstoff in einem Arbeitsgang auf den extrem hohen Druck verdichtet. Ihr Arbeitsmedium ist eine Salzmischung, die bei Zimmertemperatur flüssig ist und beinahe wundersame Eigenschaften hat: Sie brennt nicht, sie verdampft nicht, sie leitet elektrischen Strom, ist chemisch stabil und zudem ein exzellentes Lösungsmittel. In dieser Kombination ist das einmalig.

Deutschland wird am meisten profitieren

Experten nennen diese flüssigen Salze ionische Flüssigkeiten. Und sie sehen in dem neuen Material eine Art Plattformchemikalie, die unzählige Produktionsprozesse vereinfachen und verbilligen wird. Die flüssigen Salze ermöglichen zum Beispiel eine neue Generation von Solarzellen, salzwasserresistente Windgeneratoren auf hoher See, und sie vereinfachen sogar die Produktion des glänzenden Innenfutters von Jacketts.

Innerhalb von zehn Jahren könne der Umsatz mit ionischen Flüssigkeiten weltweit auf einige Milliarden Euro wachsen und Tausende Arbeitsplätze schaffen, heißt es in der Branche. Und Deutschland wird davon voraussichtlich am meisten profitieren. „Ionische Flüssigkeiten sind eine fast rein deutsche Angelegenheit“, sagt Klemens Massonne, der bei BASF in Ludwigshafen für die Weiterentwicklung dieser Chemikalie zuständig ist.

Mit Know-how auf die Spitzenposition

Ein Grund für die Spitzenposition in diesem Sektor ist das Know-how von Menschen wie Massonne. Vor 19 Jahren stieß der heute 48-jährige Chemiker zur BASF. Er entwickelte zunächst Fotoinitiatoren, die Lacken zugesetzt werden, damit diese unter ultraviolettem Licht blitzschnell trocknen. Als der Chemieriese in die Entwicklung von ionischen Flüssigkeiten einstieg, war Massonne gleich dabei: „Es gibt kein Gebiet, auf dem man so viel Neues lernt“, sagt er.

Die Idee, ionische Flüssigkeiten in der Industrie einzusetzen, entstand allerdings in den USA, und zwar durch einen Zufall. Eigentlich wollte der amerikanische Chemieprofessor Robin Rogers von der University of Alabama die rote Farbe aus Krabbenschalen mit Flüssigsalzen herauslösen. Doch die Schalen lösten sich auf.

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