Der chinesische Xiaomi-Konzern hat im dritten Quartal den Marktbeobachtern von Gartner zufolge mehr Smartphones als Apple verkauft und den iPhone-Hersteller damit vom Podest der drei größten Smartphone-Anbieter verstoßen. Während Xiaomi – vor allem bekannt für seine Mi-Reihe – 44,4 Millionen Geräte verkaufte, kam Apple auf knapp 40,6 Millionen iPhones im Zeitraum Juli bis September, wie Gartner am Montag unter Berufung auf eigene Erhebungen bekanntgab. Das entspricht einem Marktanteil von 12,1 versus 11,1 Prozent und damit in beiden Fällen mehr als im Vorjahreszeitraum.
Xiaomi-Erfolg keine Überraschung
Experten der Boston Consulting Group (BCG) haben erst kürzlich in einer Studie, die der WirtschaftsWoche exklusiv vorliegt, aus tausenden Kandidaten die vielversprechendsten Unternehmen gekürt, die das Potenzial haben, ein ernst zunehmender Apple-Konkurrent zu werden. Unter den möglichen Technologie-Stars von morgen ist auch Xiaomi. Der Erfolg bei den Verkaufszahlen zeigt: Vor allem Asien entwickelt sich zum neuen Zentrum der Techindustrie.
War China bisher vor allem Zulieferer für das Silicon Valley, so entstehen dort jetzt eigene Elektronik-Marken, die ihre Produkte mit neusten Komponenten und künstlicher Intelligenz ausstatten. Neben Samsung konnte nur Xiaomi im dritten Quartal Wachstum verzeichnen. Laut Gartner profitiert das Unternehmen dabei aber auch von den Problemen des Konkurrenten Huaweis – der chinesische Konzern litt unter den schärferen US-Sanktionen.
Der leichte Rückgang bei den Absätzen von Apples iPhone ist laut Annette Zimmermann, Research Vice President bei Gartner, auch auf Verzögerungen bei der Auslieferung der neuen iPhone-Generation zurückzuführen. „In diesem Jahr begannen die Eröffnungsveranstaltung und der Auslieferungsbeginn vier Wochen später als üblich“, so Zimmermann.
Die Absatzrekorde für Apples neues Flaggschiff iPhone 12 werden vermutlich noch kommen. Nicht nur wegen ihrer größeren OLED-Displays, dem laut Apple bis zu 50 Prozent schnelleren Prozessor als der von Wettbewerben und gefälligem Design. Das Wichtigste an einem Smartphone ist seit vielen Jahren die Güte der Kamera. Und da hat Apple beim iPhone 12 erheblich nachgelegt. Auch bei der sogenannten „computational photography“, also der mit künstlicher Intelligenz unterstützten Fotografie, macht der Konzern Fortschritte. Sie soll laut Apple das herausholen, was ausgewachsene Profikameras derzeit leisten und diese sogar noch übertreffen.
Dafür hat Apple ein neues Standardobjektiv mit einer weit offenen Blende entwickelt, die bis zu 27 Prozent mehr Licht auf den Sensor fallen lässt, der ebenfalls vergrößert wurde. Möglich sind damit bessere Aufnahmen unter schwierigen Lichtverhältnissen, also nachts oder in dunklen Räumen. Dieser Nachtmodus war bislang den teuersten Varianten vorbehalten. Mit dem iPhone 12 ist er in allen Modellen verfügbar, um den Konkurrenten Samsung und Google Paroli zu bieten, die ihn ebenfalls in günstigen Modellen offerieren.
Kein neues Handy wegen Corona
Weltweit wurden im dritten Quartal, als vielerorts Corona-Auflagen gelockert wurden, erneut weniger Smartphones verkauft. Insgesamt fanden 366 Millionen Geräte einen Käufer und damit 5,7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Das Minus fiel damit deutlich geringer aus als in den beiden Vorquartalen, als die Coronapandemie die Verkäufe um rund ein Fünftel drückte. Wirtschaftliche Unsicherheiten und die anhaltende Furcht vor der nächsten Pandemiewelle üben auch bis Ende 2020 weiterhin Druck auf nicht lebensnotwendige Ausgaben aus.
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Dazu kommt, dass die Verzögerung bei der Aufrüstung des 5G-Netzes die Möglichkeiten für Smartphone-Hersteller eingeschränkt hat. Denn 5G ist ein fragmentierter Markt, viel stärker in China vorangeschritten als etwa in Nordamerika und Europa. Auch wenn der Netzausbau in Deutschland schneller läuft als bei der Vorgängergeneration LTE, ist die Erfahrung mit 5G durchwachsen. „Ich höre von enttäuschten Konsumenten, die vereinzelt ihren 5G-Dienst wieder abbestellen, weil sich das Geld dafür nicht lohnt“, sagt etwa Annette Zimmermann.
Von den sogenannten Killer-Apps, die 5G beflügeln sollen, hört sie derzeit auch wenig. Immerhin in einigen Märkten gebe es schon Anzeichen einer Erholung, sagte Gartner-Analyst Anshul Gupta. Dazu gehören Teile des asiatisch-pazifischen Raums und Lateinamerikas. „Nahezu normale Bedingungen in China verbesserten die Smartphone-Produktion, um die Angebotslücke im dritten Quartal zu schließen, was den Verkäufen bis zu einem gewissen Grad zugute kam“, sagte Gupta.
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