Ausgezwitschert Diese Firmen kehren Twitter den Rücken

Twitter laufen die Unternehmen weg. Quelle: AP

Seit der Twitter-Übernahme durch Elon Musk sind Werbepartner verunsichert: Anfang November legte Volkswagen seine Twitter-Anzeigen auf Eis. Weitere deutsche Unternehmen ziehen nach. Jetzt ist klar: Audi geht noch weiter.

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Eigentlich twittert Audi mehrmals täglich. Über seine Unternehmenskanäle verbreitet der Autohersteller Informationen, Werbung und Fahrzeugdetails. Der letzte Post vom Unternehmensaccount wurde jedoch am 2. November veröffentlicht: „Vier Ringe, um Sie alle zu bewegen. Am Horizont wartet etwas Neues und Elektrisierendes. Bleib dran!“ Dann wurde es still. Seitdem warten die 800.000 Follower auf einen neuen Tweet.

Bereits kurz nach der Übernahme von Twitter hatte Elon Musk massive Umsatzeinbrüche beklagt. Die Plattform generiert fast ihre gesamten Einnahmen aus den Werbedeals. Musk machte für den Umsatzeinbruch „Aktivistengruppen“ verantwortlich, die Druck auf die Unternehmen ausüben würden. Neben dem Volkswagen-Konzern und General Motors, hat auch der Pharmakonzern Pfizer früh mitgeteilt, die Werbemaßnahmen auf Twitter stoppen zu wollen. Jetzt ziehen zahlreiche Unternehmen nach, doch Audi ist noch einen Schritt weitergegangen. 

Wie die WirtschaftsWoche jetzt aus Unternehmenskreisen erfuhr, hat Audi alle Aktivitäten auf Twitter eingefroren. Das bedeutet: keine Tweets mehr auf offiziellen Kanälen. Damit geht der Autobauer aus Ingolstadt weiter als der Mutterkonzern Volkswagen, der als erster deutscher Dax-Konzern mitteilte, seine Werbeaktivitäten einstellen zu wollen. Volkswagen und seine Software-Tochter Cariad haben laut eines Unternehmenssprechers „Accounts auf Mastodon eingerichtet, um die vielversprechende Plattform auszuprobieren.“

Allerdings gelte die interne Absprache nicht für Zulieferer von Audi oder Manager und Mitarbeitende, die im Unternehmen arbeiten. „Einen Maulkorb oder Zensur gibt es bei uns natürlich nicht“, teilte ein Mitarbeiter in Führungsposition mit. Dennoch setzt Audi damit ein deutliches Zeichen.

Deutsche Konzerne werden mutiger

Bisher waren US-Unternehmen forscher als die Deutschen, wenn es um Sanktionen gegen die Social-Media-Plattform ging. Neben General Motors stoppten auch die Fluggesellschaft United Airlines und der Lebensmittelriese Mondelez seine Werbekampagnen auf der Plattform. Die weltweit größte Werbeagentur Group M warnte seine Kunden sogar davor, Werbung auf Twitter zu schalten. Der Grund: der Anstieg von Hass und Hetze sowie der Umgang Elons Musks mit den Mitarbeitenden der Plattform.

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Jetzt ziehen die deutschen Unternehmen nach. Neben Audi und Volkswagen teilten auch die Allianz, Fresenius und Brenntag mit, dass sie ihre Werbemaßnahmen beendet haben. „Die Allianz nutzt Twitter vorerst nicht mehr für Werbeaktivitäten, die dort bislang in geringem Umfang erfolgt sind“, so ein Unternehmenssprecher. Brenntag gab eine ähnliche Erklärung ab: „Wir buchen derzeit keine Werbung auf der Plattform. Wir evaluieren regelmäßig, auf welchen Kanälen Brenntag Werbung schaltet.“

Dabei spielt Twitter bei allen Unternehmen ohnehin eine geringe Bedeutung im Marketing-Mix. „Wir haben immer schon nur in sehr geringem Umfang Werbung auf Twitter geschaltet. Dies haben wir nun zumindest vorübergehend vollständig ausgesetzt“, sagte ein Fresenius-Sprecher der WirtschaftsWoche. Der Biotechnologie-Konzern Qiagen aus Hilden hat sogar seit geraumer Zeit seine Werbeaktivitäten eingestellt, da sich ihre „Zielgruppe vorwiegend auf anderen Social-Media-Kanälen bewegt.“

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Gegenüber dem „Horizont“-Magazin äußerte sich auch SAP-Vorständin Julia White: „Wir haben derzeit keine Kampagnen laufen und Twitter spielt für uns im Marketing-Mix eine eher untergeordnete Rolle.“ Sie gehört laut „Capital“ zu den zehn deutschen Dax-CEOs mit den meisten Followern. Selbst ist die Managerin regelmäßig auf Twitter aktiv und teilt Werbevideos, Informationen und Leitmotive des Unternehmens.

Auch Siemens und Siemens Healthineers haben ihre Werbeaktivitäten auf der Seite pausiert. Dauerhaft auf bezahlte Werbung auf Twitter zu verzichten, zieht aber kein deutsches Unternehmen in Betracht. Sie alle wollen die Situation regelmäßig neu bewerten.

Twitter: Followerstarke Unternehmen wollen bleiben

Doch es gibt auch deutsche Unternehmen, die die aktuelle Lage bei Twitter gänzlich anders bewerten. So wollen die Deutsche Post und Bayer ihre Strategie erst einmal nicht wechseln. „Es wäre aus unserer Sicht deutlich verfrüht, aus der gerade erst vollzogenen Twitter-Übernahme konkrete Entscheidungen für die eigene Kommunikation abzuleiten“, teilte ein Bayer-Mitarbeiter mit. Die Deutsche Post rechtfertigt ihre Entscheidung mit den Ausgaben im Promille-Bereich für globale Twitter-Kampagnen im Vergleich zu anderen Sozialen Netzwerken. Covestro und BASF sprechen sich deutlich gegen Hass und Hetze aus, wollen aber zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Maßnahmen ergreifen.

Zu den größten Unternehmensaccounts auf Twitter zählen, neben den Autoherstellern BMW und Mercedes, Adidas und die Fußballklubs FC Bayern München und Borussia Dortmund. Adidas bewerte die Lage gemeinsam mit ihrer Medienagentur und überprüfe „potentielle Ausgaben für Aktivitäten“. Mercedes teilte mit, die Lage regelmäßig zu bewerten, und die Fußballklubs äußerten sich gar nicht zu ihrem bezahlten Engagement auf Twitter. Lediglich BMW wurde in seiner Antwort konkreter: „Wir betreiben dort zwar verschiedene Accounts, die auch aktiv bleiben – wir investieren bei Twitter aber keine nennenswerten Werbeetats. Nicht in der Vergangenheit und auch nicht aktuell.“

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So steigt der Druck auf Elon Musk auch in Deutschland. Der Twitter-CEO ist abhängig vom Werbeetat der Konzerne. Um diese wieder als Kunden zu gewinnen, muss Musk deshalb vor allem Hass und Hetze sowie Falschinformationen in den Griff bekommen. Bisher hat der Tesla-Gründer noch kein Gegenmittel gefunden, vielmehr hat er sogar die Anzahl der Fakeaccounts gemehrt, indem er kurzzeitig ein Abomodell für Authentifizierungshaken einführte. Dieses soll zwar erst zurückkehren, wenn das Modell optimiert wurde, doch muss Musk wohl sein ganzes unternehmerisches Können beweisen, damit die Plattform nicht endgültig in der Bedeutungslosigkeit verschwindet.

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Hinweis: Eine frühere Version des Artikels wies auf den Zeitraum hin, indem Volkswagen nicht getwittert hat. Am Mittwochnachmittag, 23. November, setzte der Volkswagen-Konzern die ersten Tweets auf seinen Unternehmensaccounts nach acht beziehungsweise 13 Tagen ab.

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