Tele-Columbus-Chef „Der offene Netzzugang ist keine Lösung“

Tele-Columbus-Chef Timm Degenhardt zum Wettbewerb mit Vodafone Quelle: Presse

Timm Degenhardt, Vorstandschef von Tele Columbus, will Vodafone einige Netze und Verträge mit Wohnungsgesellschaften abkaufen, damit kein Monopol auf dem TV-Kabelmarkt entsteht.

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Herr Degenhardt, mit der Übernahme von Unitymedia schafft Vodafone einen Kabel-Giganten, der in Zukunft 25 Millionen Haushalte mit TV, Internet und Telefon versorgen möchte. Kritiker befürchten eine Wiederauferstehung des TV-Kabelmonopols der alten Bundespost. Werden Sie künftig zwischen den Riesen Deutsche Telekom und Vodafones zerquetscht?
Ganz so dramatisch sehe ich das nicht. Unsere wichtigste Kundengruppe ist die Wohnungswirtschaft. Und dieser Markt ist relativ einfach aufgeteilt. Vodafone kommt zusammen mit Unitymedia auf einen Marktanteil von zwei Drittel, wir haben den Rest. Der große Unterschied zwischen uns und der neuen Konkurrenz ist, dass wir unser gesamtes Geschäft auf diese Kundengruppe konzentrieren.

Das heißt: Wir stehen im harten Wettbewerb um die langfristigen Gestattungsverträge, über die wir die Mieter von Wohnungsunternehmen  mit TV-Programmen, Internet- und Telefonie-Diensten versorgen. Dort sind wir der Spezialist. Mit 3,6 Millionen angeschlossenen Haushalten sind wir dort sehr gut aufgestellt und in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen.

Das heißt: Ein kleiner Anbieter mit 3,6 Millionen Haushalten reicht aus, um den Wettbewerb im TV-Kabelmarkt sicherzustellen. Würden Sie denn Wettbewerbshütern tatsächlich empfehlen, den Milliarden-Deal ohne Auflagen zu genehmigen?
Nein! Das wäre in der Tat ein großer Fehler. Die Fusion von Vodafone und Unitymedia können die Kartellbehörden nur unter strengen Auflagen genehmigen. Die neue Vodafone wird ein Riesen-Unternehmen. Im Vergleich dazu sind wir ein Zwerg, der in die Lage versetzt werden muss, sich gegen diese Übermacht zu wehren.

Wo sehen Sie denn die größte Gefahr für den Wettbewerb?
Beim TV-Kabel gibt es zwei grundverschiedene Märkte: Die Endkonsumenten und die Wohnungswirtschaft. Die Endkonsumenten sind von der Fusion kaum betroffen. Denn für den einzelnen Kunden ändert sich im Prinzip nichts. Vodafone und Unitymedia waren in unterschiedlichen Bundesländern aktiv. Nach der Übernahme deckt Vodafone das gesamte Bundesgebiet ab. Die Wahlmöglichkeiten eines Endkonsumenten werden dadurch nicht eingeschränkt.

Und welche Gefahren lauern im Geschäft mit den Wohnungsgesellschaften?
Dieser Markt ist sehr stark betroffen. Denn die Wohnungswirtschaft hat heute die Wahl zwischen den drei Wettbewerbern Vodafone, Unitymedia und uns, von denen nach der Fusion Unitymedia verschwindet. Wir sind dann das gallische Dorf, das alleine mit dem Giganten Vodafone um die Versorgung der Haushalte in den Wohnungsgesellschaften kämpft.

Kennzahlen der Tele Columbus AG

Welchen Zaubertrank brauchen Sie denn, um stark zu werden?
Den Wettbewerb in der Wohnungswirtschaft können wir nur aufrechterhalten, wenn wir weiter wachsen und mit höheren Einnahmen die erforderlichen Netzinvestitionen aufbringen können. Die Wettbewerbshüter müssen die Fusion unter der Auflage freigeben, das in den von uns noch nicht optimal versorgten Regionen wie etwa Niedersachsen, Baden-Württemberg oder Hessen Teilbereiche des Unitymedia-Netzes herausgetrennt und uns inklusive der dazu gehörenden Versorgungsverträge mit großen Wohnungsgesellschaften übertragen werden. Diese Teilstücke würden wir Vodafone gern abkaufen. Wir erweitern dadurch unsere Netzabdeckung, verbessern unsere Wettbewerbsfähigkeit und erhalten zudem die Wahlmöglichkeit für die Wohnungswirtschaft.

Ist solch eine Zwangsabgabe denn realistisch?
Absolut: Wenn Sie sich die regionalen Teilmärkte anschauen und analysieren, wo es noch Wettbewerb gibt, dann kann man diesen dadurch beleben und sicherstellen, dass beide Unternehmen mit gleichlangen Spießen kämpfen können. Das wird auch den Kartellwächtern auffallen. Da bin ich mir sehr sicher.

„Der offene Netzzugang ist nicht die Lösung, um den Infrastrukturwettbewerb zu stimulieren“

Wollen Sie denn bundesweit gegen Vodafone antreten?
Sobald Wohnungsgesellschaften ihre Langfristverträge mit TV-Kabelnetzbetreibern neu ausschreiben, sind wir immer dabei.

Wirklich bundesweit?
Überall, in jedem Bundesland – ohne Einschränkung. In Städten, in denen wir schon stark sind, müssen wir unseren Kundenbestand natürlich auch verteidigen. Aber in Bundesländern, in denen wir noch nicht so präsent sind, greifen wir bei jeder neuen Ausschreibung an.

In welchen Regionen sind Sie denn stark?
Berlin und München sind unsere größten Märkte mit zusammen knapp einer Million angeschlossenen Haushalte. Besonders stark sind wir auch in den ostdeutschen Bundesländern, wo wir mehr als 50 Prozent der Kabelhaushalte versorgen. In Städten wie Leipzig, Erfurt oder Halle sind wir sogar Marktführer.

Die Deutsche Telekom fordert die Wettbewerbshüter auf, das Nebenkostenprivileg abzuschaffen und die Fusion nur unter dieser Auflage zu genehmigen, dass Vodafone nicht mehr einen Teil der Monatsgebühren über die Nebenkosten einziehen kann. Würde Ihnen das helfen?
Das würde der Wohnungswirtschaft und auch uns sehr schaden. Für die Wohnungswirtschaft ist eine bezahlbare mediale Grundversorgung ein wichtiger Bestandteil bei der Vermietung ihrer Immobilienbestände. Wenn die Umlagefähigkeit entfallen würde, wäre das nicht nur ein Problem für uns und Vodafone, sondern auch für die Wohnungswirtschaft und ihre Mieter. Über dieses Sammel-Inkasso bekommen viele Menschen ihren Kabel-TV Anschluss für ein sehr geringes Entgelt.

Durch den Kostenvorteil, nur eine Sammelrechnung an die Wohnungsgesellschaft zu verschicken, können wir einen sehr günstigen Preis für alle Mieter anbieten. Wenn jeder Kunde jedes Produkt einzeln buchen müsste, wäre dies deutlich teurer. Das ist weder im Interesse der Mieter noch der Wohnungsunternehmen.

Ein zweiter Vorschlag ist, die Kabel-TV-Netze genauso wie das Netz der Telekom für Wettbewerber zu öffnen. Was halten Sie davon?
Gar nichts. Denn diese Debatte ignoriert die Entstehungsgeschichte der beiden Netze. Die Telekom hat ihr Netz quasi vom Staat geerbt, weil es mit Steuergeldern aufgebaut wurde. Wir hingegen investieren seit vielen Jahren Millionen in eine hochmoderne Glasfaserinfrastruktur und errichten diese in der Regel ohne Fördermittel. Im Durchschnitt investieren wir 30 Prozent unserer jährlichen Umsätze in die Modernisierung und den Ausbau unserer Netze. Das macht einen großen Unterschied. Gäbe es einen offenen Netzzugang, müsste ich alle Geschäftspläne noch einmal durchrechnen und hinterfragen, ob ich mir die Investitionen überhaupt noch leisten kann. Damit würde eine neue Hürde eingeführt, die den Ausbau von superschnellen Internet-Verbindungen ausbremst. Der offene Netzzugang ist daher nicht die Lösung, um den Infrastrukturwettbewerb zu stimulieren. Das bringt uns nicht weiter. Denn Deutschland braucht mehr und nicht weniger Investitionen in schnelles Internet, um den Rückstand gegenüber anderen Industrieländern aufzuholen.

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