Hallhuber, P&C, Görtz und Galeria So tief ist die Krise der Modebranche

Schon seit 2020, als die Pandemie begann, häufen sich die Mode-Insolvenzen. Quelle: Getty Images

Peter Hahn ist nur der jüngste Sanierungsfall im deutschen Modehandel. Die Branche steckt in der Krise, die Pleiten häufen sich. Und nicht für alle folgt auf die Insolvenz der Neustart. Eine Übersicht.

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Die Situation sei „dramatisch“, teilt der für Textil-, Schuh- und Lederwaren zuständige Handelsverband BTE Anfang Oktober mit: Nach Einschätzung des BTE sind die aktuellen Umsätze für viele Textil- und Schuhgeschäfte „nicht ausreichend, um die hohen Kostensteigerungen zum Beispiel in den Bereichen Energie, Personal oder Mieten auszugleichen“. Verantwortlich für die kritische Lage seien vor allem die anstehenden, möglichen Rückzahlungen der Coronahilfen und der sogenannten Überbrückungshilfen. Für die nähere Zukunft befürchte man „weitere Insolvenzen und Geschäftsschließungen“.

Nur wenige Tage nach dieser Warnung des Verbands tritt das Befürchtete ein: Der Modeversandhändler Peter Hahn aus dem baden-württembergischen Winterbach stellt Schutzschirm-Insolvenzantrag. Peter Hahn, 1964 gegründet, beschäftigt heute rund 1000 Mitarbeiter und erzielte zuletzt einen Jahresumsatz von rund 350 Millionen Euro. Das Unternehmen ist in vielen europäischen Ländern aktiv und verkauft Mode für sogenannte Best-Ager-Kunden über Internet, Katalog und den stationären Einzelhandel.

Der Geschäftsbetrieb von Peter Hahn soll zunächst ohne Einschränkungen weiterlaufen. Verhandlungen mit Investoren seien bereits weit fortgeschritten, heißt es. Ziel ist es nun, die Restrukturierung und den Investoreneinstig im ersten Quartal 2024 abschließen zu können.

Modebranche steht unter Druck

Damit reiht sich Peter Hahn ein in eine ungewöhnlich lange Liste von Krisenfällen, die den deutschen Modehandel in den vergangenen Monaten in Atem gehalten haben. Tatsächlich steht die Branche aber schon seit Jahren unter Druck. Erst nahm der Onlinehandel den stationären Anbietern Umsatz weg, dann sorgte die Coronapandemie für drastische Einbußen. Nun verschärft die Inflation die Krise der Branche. „Die Kosten sind für Bekleidungshändler deutlich gestiegen, das kann nur zum Teil über höhere Preise weitergegeben werden“, sagte BTE-Geschäftsführer Axel Augustin im Frühjahr. Damals formulierte er noch etwas zurückhaltender: „Wir werden auch 2023 Insolvenzen im Modehandel sehen.“

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von Henryk Hielscher

Seine Prognose erfüllte sich schneller als gedacht: Anfang März ging der Düsseldorfer Bekleidungsfilialist Peek & Cloppenburg in ein Schutzschirm-Insolvenzverfahren, um das Unternehmen neu aufzustellen. Zu dem Zeitpunkt war P&C Düsseldorf Deutschlands größter Modehändler (Umsatz: rund 1 Milliarde Euro). Die Insolvenz von Peek & Cloppenburg wurde vor kurzem zwar aufgehoben. Dem vorausgegangen war allerdings eine „lebhafte“ Auseinandersetzung zwischen den Gläubigern und Eigentümern. 

Laut Insolvenzplan, der der WirtschaftsWoche vorliegt, sollten die P&C-Gläubiger nur 35 Millionen Euro zurückbekommen, sofern der Plan umgesetzt wird und die bisherigen Eigentümer von P&C Düsseldorf über ihre in der Schweiz ansässige JC Switzerland Holding weiter das Sagen behalten. Für den Fall einer Erholung des Geschäfts wurden über einen Besserungsschein zusätzliche Zahlungen in Aussicht gestellt.

Doch das magere Angebot traf auf reichlich Widerstand – und teilweise offenbar auch auf die Bereitschaft, im Zweifel eine mögliche Abwicklung des Unternehmens in Kauf zu nehmen, sollte die Eigentümerfamilie um Patrick Cloppenburg nicht noch nachbessern. Das ist am Ende geschehen. Statt der im Insolvenzplan genannten 35 Millionen Euro sollen die Gläubiger 50 Millionen Euro erhalten.

Auch wenn die P&C-Insolvenz inzwischen juristisch aufgehoben worden ist, hatte sie nicht nur für die Gläubiger gravierende Folgen: In der Zentrale trennt sich das Unternehmen von etwa 350 Mitarbeitern – von insgesamt etwa 1500 Filialen will man indes nicht schließen. Auch die knapp 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den 67 P&C-Häusern stünden nicht zur Disposition, heißt es in einer Pressemitteilung.

Zu den bekanntesten Insolvenz-Fällen im deutschen Handel gehört auch die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof, die Ende Oktober 2022 bereits zum zweiten Mal in weniger als drei Jahren zum Objekt einer möglichen Rettung per Schutzschirm-Insolvenzverfahren geworden ist. Anfang April 2020 hatte Deutschlands letzte große Warenhauskette (Umsatz: 2,7 Milliarden Euro) mit dem ersten Restrukturierungsversuch begonnen.

Ein paar Monate später stimmten die Gläubiger einem Insolvenzplan zu, der den Weg aus der Krise bahnen sollte. Sie verloren 2,2 Milliarden Euro, rund 40 Häuser mussten schließen, Tausende Beschäftigte erhielten ihre Kündigung. Doch strukturelle Schwächen, die Coronabelastungen und der Kostenanstieg nach Beginn des Kriegs in der Ukraine zwangen Galeria im Herbst 2022 erneut in ein Insolvenzverfahren.

Galeria Karstadt Kaufhof: Sicher ist die Rettung noch nicht

Zum 1. Juni endete das Insolvenzverfahren. Auch diesmal mussten Gläubiger auf Milliardenforderungen verzichten, damit die Warenhauskette weitermachen konnte. Nach einer Einigung mit mehreren Vermietern sollen in zwei Etappen 41 der 129 Filialen geschlossen werden. Doch sicher ist die Rettung noch nicht: Nicht weniger als acht Verhandlungsrunden zwischen der Galeria-Konzernspitze und der Gewerkschaft Verdi um einen neuen Sanierungstarifvertrag sind mittlerweile ergebnislos verstrichen.

Um den Insolvenzplan umzusetzen, will die Galeria-Eigentümerin, die österreichische Signa-Gruppe, bis zu 200 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Doch der vermeintliche Retter Signa steckt selbst in der Krise, kappte erst vorige Woche beim Berliner Online-Sportartikelhändler Signa Sports United eine wichtige Finanzierungszusage.

Nur wenige Tage später folgten die befürchteten Pleiten: Zuerst stellte die Tennis-Point GmbH aus dem westfälischen Herzebrock-Clarholz Insolvenzantrag; das Unternehmen gehört zu Signa Sports United (SSU) und ist spezialisiert auf den Verkauf von Tennisbekleidung, -schuhen und -equipment. Dann folgte mit der Insolvenz der Internetstores GmbH aus Stuttgart ein weiteres großes SSU-Tochterunternehmen. Zum Unternehmen gehören laut Homepage insgesamt mehr als 40 Onlineplayer wie fahrrad.de, Bikester, Probikeshop, Campz und Addnature.

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Schon im Frühjahr und Sommer war es Schlag auf Schlag in der deutschen Modebranche gegangen: Ende Mai meldete das Münchener Damenbekleidungshaus Hallhuber zum zweiten Mal Insolvenz an. Vor wenigen Tagen berichtete ein Unternehmenssprecher, die erneute Suche nach einem Geldgeber sei dieses Mal erfolglos geblieben. Hallhuber werde deshalb bis Ende Oktober alle 98 Filialen in Deutschland schließen, zudem jene in Österreich (elf) und der Schweiz (drei). Hallhuber beschäftigte im vergangenen Geschäftsjahr 1200 Mitarbeiter und erwirtschaftete nach eigenen Angaben rund 170 Millionen Euro.

Anfang August erwischte es die Kinderbekleidungssparte Jako-O des fränkischen Familienunternehmens Haba. Schon Mitte Juli war bekannt geworden, dass Haba in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Haba vertreibt neben Kinderbekleidung auch Möbel und Spielwaren und setzte damit 2022 rund 313 Millionen Euro um (2019 waren es noch 360 Millionen Euro gewesen). Kurz darauf stand die Trennung der Bekleidungssparte fest: „Der Geschäftsbereich Jako-o wird aufgrund der langwierigen wirtschaftlichen Probleme keine Zukunft mehr haben“, sagte Stefanie Frieß, Vertriebs- und Marketingchefin von Haba. 

Allerdings schneidet das Management durch den drastischen Schritt einen ordentlichen Batzen vom Umsatz ab: Im Jahr 2019 stand Jako-o für fast die Hälfte der Erlöse der gesamten Haba-Gruppe; trotz der Schwierigkeiten lagen sie zuletzt immer noch bei rund einem Drittel. Der Anteil an den Kosten ist aber deutlich geringer, vielleicht bei einem Fünftel, schätzen Insider.

Nur wenige Tage später folgte der fränkische Modeversender Madeleine mit der Insolvenzanmeldung. Madeleine verkauft als Versandhändler seit mehr als 40 Jahren Damenbekleidung und gehörte einst zur Quelle-Gruppe. So soll das Unternehmen nach Madeleine Schickedanz benannt worden sein, der Tochter von Quelle-Eigentümer Grete und Gustav Schickedanz. Doch das Geschäft läuft nicht mehr: „Die hohe Inflation hat bei Madeleine auf allen Ebenen zu erheblichen Kostensteigerungen geführt“, sagte Geschäftsführerin Daniela Angerer. 

„Zugleich halten sich unsere Kundinnen angesichts der gestiegenen Lebenshaltungskosten bei ihren Ausgaben zurück, oder das Geld wird für andere Bereiche ausgegeben“, begründete Angerer den Schritt. „Das ist eine explosive Mischung für uns wie für die gesamte Modebranche“, sagte sie der WirtschaftsWoche. 

Seit 2015 ist Madeleine Teil der Münchener TriStyle Group, die wiederum mehrheitlich im Besitz des Londoner Finanzinvestors Equistone Partners Europe ist. TriStyle konzentriert sich nach eigenen Angaben auf den wachsenden Markt für hochwertige Damenmode in der Zielgruppe 45plus und ist auch Eigentümer des nun ebenfalls insolventen Modeversandhändlers Peter Hahn (siehe oben). Auf der TriStyle-Homepage ist von einem Gesamtumsatz von 610 Millionen Euro die Rede. 

Schon 2021 hatte Equistone Madeleine zum Verkauf gestellt – offensichtlich ohne Erfolg. Nun konnten die Gesellschafter und Finanzierer nicht von einem weiteren Engagement überzeugt werden. Deshalb wird dem Vernehmen nach im Zuge der Eigenverwaltung eine Aufstellung aus neuem Investor und neuer Finanzierung angestrebt.

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Mehr Nachfrage könnte auch der kriselnde Schuhhandel gut gebrauchen. Im September 2022 war etwa für den Schuhhändler Ludwig Görtz mit rund 1800 Beschäftigten ein Schutzschirmverfahren angemeldet worden. Seither wurde rund die Hälfte der Görtz-Filialen geschlossen. Immerhin, die Einschnitte zahlen sich aus: Im Februar fand Görtz einen Hamburger Privatinvestor, der bereit ist, die Schuhhandelskette mit frischem Kapital auszustatten.

Ende März 2023 meldete auch die Osnabrücker Schuhhandelskette Reno Insolvenz an. Im Juni teilte der zuständige Insolvenzverwalter Immo Hamer von Valtier der WirtschaftsWoche mit, dass es bloß für 23 Filialen und damit für rund 120 der 1100 Mitarbeiter eine Perspektive gebe. Das bedeutet: Rund 150 der 180 Reno-Filialen werden geschlossen.

Auch bei den beiden Schuhfilialisten Salamander aus Langenfeld bzw. Wuppertal und Klauser (ebenfalls aus Wuppertal) kam es Ende vergangenen Jahres zu Einschnitten: Über sie wurden im Dezember 2022 Insolvenz-Schutzschirme aufgespannt. Beide Unternehmen gehörten seit 2016 dem Langenfelder Schuhhersteller Ara AG (Umsatz 2021: 380 Millionen Euro) und betrieben zu dem Zeitpunkt zusammen 93 Filialen in Deutschland.

Im September 2023 vermeldete eine neu gegründete Investorengruppe namens Prime Footwear Investors AG die Übernahme der beiden Filialisten. Die neuen Eigentümer teilten mit, den größten Teil der rund 1000 Arbeitsplätze sichern zu wollen, sowohl in den verbliebenen 65 Filialen als auch in der Zentrale und bei der Logistik am Standort Wuppertal.


Lesen Sie auch: Schuhhändler Salamander und Klauser gehen ins Schutzschirmverfahren

Weniger glimpflich verlief die Pleite der Modekette Orsay mit Sitz im baden-württembergischen Willstätt. Im Januar 2022 begann das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung des 1975 gegründeten Unternehmens. Alle Ladengeschäfte des Modehändlers im Bundesgebiet mit rund 1800 Mitarbeitern wurden zur Jahresmitte geschlossen, ebenso der Online-Shop.

Und auch vom Luxusmodelabel Escada blieb nicht viel übrig: Das Unternehmen aus Aschheim bei München gehörte einst zu den weltweit größten Marken für luxuriöse Damenmode und erwirtschaftete Milliardenumsätze. Internationale Supermodels wie Claudia Schiffer, Linda Evangelista und Naomi Campbell trugen Escada-Kleider auf den Laufstegen. Die erste Insolvenz 2009 überstand das Unternehmen, weil Megha Mittal einsprang, die Schwiegertochter des indischen Stahlunternehmers Lakshmi Mittal.

Doch trotz jahrelanger Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaftete Escada weiter Verluste, sodass Mittal Escada Ende 2019 wieder verkaufte, an den US-Investor Regent. Im September 2020 musste Escada zum zweiten Mal Insolvenz anmelden. In der Folge wurden bis auf eine Filiale in München alle Läden geschlossen, die Marke wird aber weiterhin genutzt.

Esprit verfügte einst ebenfalls über reichlich Strahlkraft, kam irgendwann aber aus der Mode. Schon vor Corona schwächelte der Umsatz. Die Pandemie gab Esprit dann den Rest – und die deutschen Kerngesellschaften wurden fortan im Schutzschirmverfahren auf Kurs gebracht. Inzwischen konzentriert sich der Konzern noch stärker auf den asiatischen Markt. Esprit-Chef William Pak habe die Europazentrale in Ratingen bei Düsseldorf auf den Prüfstand gestellt, berichtete im Frühjahr das Fachblatt „Textilwirtschaft“. In der ersten Jahreshälfte 2023 musste Esprit zudem einen Umsatzrückgang in Höhe von 17 Prozent sowie einen Verlust verkraften: Bei nur noch 356,6 Millionen Euro Umsatz fiel ein Nettoverlust von umgerechnet 84,2 Millionen Euro an.

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Auch bei der ehemaligen Tom-Tailor-Tochter Bonita läuft das Geschäft wieder. Nach der Insolvenz 2021 ist es dem Unternehmen gelungen, den Umsatz stetig zu steigern. Bonita sei schneller als erwartet wieder auf „Wachstumskurs“, sagt Karsten Oberheide, der geschäftsführende Gesellschafter. Nun soll das Unternehmen wieder expandieren – und kann so nebenbei zeigen, dass eine Insolvenz mitunter auch zum Sanierungsturbo wird. 


Hinweis: Dieser Artikel wurde in anderer Form erstmals am 03. März 2023 veröffentlicht; wir haben ihn im Oktober 2023 aktualisiert.

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