Thyssenkrupp, Bayer, Siemens & Co. Wenn Finanzchefs die Macht übernehmen

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Siemens und Fraport - Wo es besser läuft

Richard Lutz wollte nie Bahnchef werden. Doch nachdem Rüdiger Grube Ende 2016 das Handtuch warf, übernahm der ehemalige Finanzvorstand den Staatskonzern im März 2017. Lutz agiert bis heute lieber aus dem Hintergrund. Spätestens mit seinem Brandbrief an die Führungskräfte im Herbst 2018 wurde er einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Lutz forderte von seinen Mitarbeitern mehr Engagement, um das desaströse Bild der Bahn zu korrigieren. Dieses bestand vor allem aus eklatant unpünktlichen Zügen.

Ausgerechnet Lutz muss nun umsteuern, was er selbst als Finanzvorstand einst eingefädelt hatte. 2010 kaufte die Deutsche Bahn den britischen Verkehrskonzern Arriva für fast drei Milliarden Euro ein. Nun wird Arriva wieder verkauft, um die Schulden in den Griff zu bekommen, die auf die 20-Milliarden-Marke hinzu marschieren.

Lutz hat in der Zwischenzeit mehr Ruhe in den Konzern gebracht. Sein wohl größter Verdienst: Die Bahn bekommt vom Staat immer mehr Geld für Neubau und Sanierung des Schienennetzes. Die operativen Probleme hat aber auch Lutz noch immer nicht in den Griff bekommen.

Seit der ehemalige Finanzchef Joe Kaeser 2013 die Führung von Siemens übernahm, baut er den Konzern konsequent um. Aus dem Mischkonzern sollte ein Spezialist für die digitalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts werden. Weil Konglomerate jeglicher Art bei Anlegern keine Begeisterung mehr hervorrufen, ist die einstige Devise von der Solidarität unter stärkeren und schwächeren Sparten im Konzern nicht mehr viel wert. Die Medizinsparte Healthineers ging voriges Jahr an die Börse, das Geschäft mit der Windenergie wurde mit den Spaniern von Gamesa zusammengelegt und ebenfalls an den Kapitalmarkt gebracht. Vom Leuchtmittelhersteller Osram trennte sich Siemens vor zwei Jahren komplett.

Vergangene Woche dann kündigte Kaeser den bisher größten Schnitt an: Die Energietechnik mit dem traditionsreichen, aber kriselnden Kraftwerksgeschäft wird ebenfalls abgespalten. Damit wird Siemens auf einen Schlag um 30 Milliarden Euro Umsatz (von zuletzt 83 Milliarden Euro) und rund 80.000 Mitarbeiter kleiner. Das einstige Umsatzziel seines Vorgängers Peter Löscher von 100 Millliarden Euro ist für Kaeser keine Zielmarke mehr. Im Gegenteil: Ohne den Ballast soll Siemens mehr Kraft für das Wachstum in den Zukunftsmärkten der digitalen Industrien und smarten Infrastruktur schöpfen.

Dem Aktienkurs hat das den lange erwarteten Aufschwung verliehen. Der Kurs stieg seit Kaesers Amtsübernahme um rund ein Drittel. Das Modell Siemens gilt deshalb bei vielen Konzernlenkern als Vorbild.

Joe Kaeser: Das Modell Siemens gilt bei vielen Konzernlenkern als Vorbild. Quelle: dpa

Als Stefan Schulte vor zehn Jahren bei Deutschlands größtem Flughafenbetreiber Fraport vom obersten Kassenwart zum Chef aufrückte, war die Skepsis groß. Denn neben seinem 16 Jahre lang aktiven volkstümlichen Vorgänger Wilhelm Bender wirkte der gelernte Banker aus Wuppertal vergleichsweise blass. Doch Schultes nüchterner Blick tat dem Unternehmen gut. Der heute 59-Jährige machte den Konzern weniger abhängig vom Hauptflughafen Frankfurt mit seinen nach Ende des aktuellen Ausbaus begrenzten Wachstumsmöglichkeiten.

Bereits als Finanzchef forcierte er die Investitionen in Beteiligungen an Airports von Wachstumsmärkten wie der Türkei oder Bulgarien – und zuletzt Brasilien oder Griechenland. Gleichzeitig trennte er sich von wenig aussichtsreichen Töchtern wie Hannover und vor allem dem darbenden Billigmekka Hahn. Das trieb den Umsatz seit 2008 um rund zwei Drittel auf heute 3,4 Milliarden Euro und den Gewinn trotz des teuren Ausbaus von 180 auf 500 Millionen Euro.

Der Lohn an der Börse war entsprechend: Auch wenn der Aktienkurs nach dem Allzeithoch zuletzt mit dem Rest Flugbranche im vorigen Jahr um fast ein Viertel sackte, hat sich der Preis in Schultes Amtszeit in etwa verdreifacht.

Damit ist Schulte wie Siemens-Chef Kaeser einer der wenigen, die als Ex-Finanzchef und heutiger Konzernchef so richtig Erfolg vermelden können.

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