Wer sein Kind in die Kindertageseinrichtung bringt, kann bei der Kita-Gebühr vom eigenen Wohnort profitierten - oder leidet allein deshalb unter deutlich höheren Beiträgen. Was häufig bereits angeprangert wurde, zeigt die neue Erhebung „ElternZoom 2018“ der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh. Die finanzielle Belastung der Familien variiere je nach Wohnort, kritisierte Stiftungsvorstand Jörg Dräger.
Demnach schlagen je nach Bundesland die Kita-Gebühren sehr unterschiedlich stark zu Buche: Am meisten geben Eltern in Schleswig-Holstein mit 8,9 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Kita aus, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern (7,8), Niedersachsen (7,3) und dem Saarland (7,2). Besonders wenig zahlen Familien in Berlin (2,0), Rheinland-Pfalz (4,0) und Hamburg (4,3). Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt - wie Bremen - mit 6,6 Prozent leicht über dem Bundesschnitt. Ähnlich sieht es in Hessen (6,7), Baden-Württemberg (6,5), Brandenburg (6,2), Thüringen (6,1) und Bayern (5,9) aus.
Zudem würden einkommensarme Familien bei Kita-Beiträgen überproportional stark belastet, heißt es in der Studie. Zwar sind die Gebühren vielerorts nach Einkommen gestaffelt - Haushalte unterhalb der Armutsrisikogrenze müssen aber dennoch durchschnittlich einen nahezu doppelt so hohen Anteil ihres Einkommens für die Kita aufwenden wie finanziell besser gestellte.
Armutsgefährdete Eltern, die über weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens verfügen, geben monatlich fast 10 Prozent ihres gesamten Haushaltsnettoeinkommens - im Mittelwert 118 Euro - für die Kita aus. Bei Familien oberhalb der Armutsgrenze sind es „nur“ 5 Prozent - 178 Euro. Hinzu kommen laut Studie Zusatzgebühren etwa für Mittagessen, Hygieneartikel oder Ausflüge - rund 45 Euro im Schnitt. Die finanzielle Belastung sei ungerecht verteilt, bemängelte die Stiftung - und forderte Kita-Beitragsfreiheit für armutsgefährdete Familien.
Angesichts einer überdurchschnittlichen Belastung finanzschwacher Familien durch Kita-Gebühren bekräftigte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) das Ziel, dass Kitas schrittweise beitragsfrei werden. Hohe Elternbeiträge könnten eine Hürde für den Besuch einer Kita oder Tagespflege sein, sagte sie in einer Mitteilung. „Das Einkommen der Eltern darf aber nicht darüber entscheiden, ob und wann Kinder in eine Kindertageseinrichtung gehen. Eine zentrale Säule unseres Gute-Kita-Gesetzes ist deshalb der Einstieg in die Beitragsfreiheit.“ In dieser Wahlperiode fließen Giffey zufolge 3,5 Milliarden Euro in die Kindertagesbetreuung. Das sei eine gute Grundlage für qualitative Verbesserungen, von denen die Kinder, ihre Familien und die Erzieherinnen profitieren würden.
Wenn die Kita die Familienkasse zu sehr belastet
Qualität, Personalschlüssel und Ausstattung fallen in allen Kitas deutschlandweit anders aus. Ungleichheit herrsche auch bei den Gebühren, bilanziert die am Montag in Gütersloh veröffentlichte Studie „ElternZoom 2018“ der Bertelsmann-Stiftung. Was Mütter und Väter für die Betreuung zahlen, hängt stark davon ab, wo sie wohnen. Weiteres Ergebnis: Wer wenig Geld hat, armutsgefährdet ist, zahlt überproportional viel - jeder zehnte Euro aus der Familienkasse geht dann an die Kita. Die Ergebnisse beruhen laut Stiftung auf zwei Befragungen von insgesamt 10.490 Eltern.
Eltern geben für die Kita-Betreuung im Bundesschnitt 173 Euro aus. Dieser Mittelwert klingt recht unspektakulär. Aber: Die Beiträge schwanken laut Erhebung bei 90 Prozent der Eltern zwischen 30 und 390 Euro monatlich. Plus Zusatzkosten für Verpflegung. In Schleswig-Holstein zahlen Familien im Ländervergleich am meisten, in Berlin am wenigsten. Das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt im oberen Mittelfeld. Innerhalb der Länder können die Gebühren auf kommunaler Ebene noch einmal sehr unterschiedlich ausfallen.
Wenn Eltern unterschiedliche Beiträge je nach Wohnort zahlen müssen, sei das ein Beleg dafür, „dass der Staat von der Erfüllung seines Auftrags, für gleiche Bildungschancen zu sorgen, weit entfernt ist“, kritisiert der Vorsitzende des Bildungsverbands VBE, Udo Beckmann. Die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen (AFG) fordert, dass Familien nur gemäß ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit an den Kita-Kosten beteiligt werden.
Das liegt auch an der unterschiedlichen Gewichtung der Länder. Manche wollen möglichst schnell eine finanzielle Entlastung der Eltern oder haben diese teilweise oder schon weitgehend realisiert. Andere nennen Qualitätsverbesserungen als oberste Priorität. Der VBE verlangt: Der frühkindliche Bereich müsse wie die Schule beitragsfrei sein. Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) betont, eine zentrale Säule des geplanten „Gute-Kita-Gesetzes“ - das das Bundeskabinett vor der Sommerpause beschließen soll - sei „der Einstieg in die Beitragsfreiheit“.
In der Kita geht es um die umfassende Persönlichkeitsentwicklung der Kinder und um ein altersgemäßes Lernen. „Qualitätsunterschiede in der Betreuung können Entwicklungsunterschiede der jeweiligen Kinder von bis zu einem Lebensjahr zur Folge haben“, erklärt die AGF. „Das gilt insbesondere für Kinder aus anregungsärmeren oder belasteten Familien.“ Eltern müssten sich überall auf gleich hohe Qualität verlassen können. Laut Familienministerium haben sich Bund und Länder „erstmalig und gemeinsam auf Qualitätskriterien geeinigt“, die nun in das „Gute-Kita-Gesetz“ einfließen sollen.
Schon Untersuchungen zuvor haben ergeben, dass viele Eltern zusätzliche Kita-Plätze, einen besseren Betreuungsschlüssel und mehr Erzieherinnen für nötig halten. Laut Bertelsmann-Studie wäre eine Mehrheit bereit, für mehr Qualität auch mehr zu zahlen.
VBE-Chef Beckmann sieht dringenden Handlungsbedarf: „Wenn nicht deutlich mehr in die Kitas investiert wird, dann werden wir den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungschancen nicht annähernd aufgelöst bekommen.“ Bertelsmann-Stiftungsvorstand Jörg Dräger hält es für geboten, armutsgefährdeten Familien die Gebühr zu erlassen. Das würde geschätzte 730 Millionen Euro kosten.
Man bräuchte dafür 7,3 Milliarden Euro pro Jahr, schätzt die Stiftung. Plus 8 Milliarden Euro für mehr Qualität. Die GroKo legt im Koalitionsvertrag fest, dass der Bund Länder und Kommunen auch bei „der Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit“ unterstützt. Ministerin Giffey verweist auf 3,5 Milliarden Euro, die die Länder 2019 bis 2021 erhalten sollen und auf eine Fachkräfte-Offensive für mehr Erzieherinnen. „Der Bund engagiert sich erstmals in einer solchen Größenordnung in der frühkindlichen Bildung.“ Die Länder investieren hohe Summen in die Kinderbetreuung, viele Länder und Kommunen sind aber verschuldet.
Infratest-dimap hatte auch 1036 Eltern befragt, warum sie ihren Nachwuchs bis sieben Jahre nicht in eine Kita schicken. 20 Prozent begründeten das mit zu hohen Kosten. Beckmann mahnt: „Wenn wir bereits die Kleinsten verlieren, hat das verheerende Auswirkung auf deren Bildungsbiografie und damit auch auf die Zukunft der Gesellschaft.“